Perspektive

Dow Jones bei 17.000:

Aufstieg zur Katastrophe

Der Anstieg des Dow Jones Industrial Average der Wall Street auf ein Rekordhoch von mehr als 17.000 Punkten in der letzten Woche ist ein weiteres Anzeichen für die explosiven Widersprüche die sich im amerikanischen und weltweiten Finanzsystem entwickeln.

Seit dem 9. März 2009, als er nach dem Finanzzusammenbruch vom September 2008 auf dem niedrigen Punkt von 6.547 stand, ist der Dow um mehr als 10.000 Punkte geklettert, das ist eine Steigerungsrate von 250 Prozent in knapp 5 Jahren.

Gleichzeitig erlebte das Bruttoinlandsprodukt der USA nach der offiziellen Rezession vom Dezember 2007 bis zum Juni 2009 seine schwächste “Erhohlungsphase” verglichen mit anderen derartigen Perioden seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Produktionsleistung fiel im ersten Quartal dieses Jahres um fast drei Prozent. Investitionen in der Realwirtschaft stagnieren weiterhin, da die Konzerne eher das Geld anhäufen statt die Produktion zu aktivieren. Vielmehr nutzen sie das Geld, um Aktienfonds zu kaufen, Firmenzusammenschlüsse, Akquisitionen und andere im Wesentlichen parasitäre Finanzoperationen zu tätigen.

International ist die Lage nicht besser, in einigen Fällen schlimmer. Große Teile der Volkswirtschaften der entwickelten Länder stagnieren entweder oder befinden sich voll in der Rezession. Die Produktionsleistung der Eurozone ist immer noch nicht wieder auf dem Stand von 2007.

Nach Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), ein Zusammenschluss der Zentralbanken der Welt, liegt die Produktionsleistung der großen Volkswirtschaften um etwa acht Prozent niedriger als sie läge, wenn sich der Trend der Jahre vor 2008 fortgesetzt hätte.

In den Märkten der sogenannten „Schwellenländer“, die einst als Retter der Weltwirtschaft bejubelt wurden, herrscht zunehmend Nervosität wegen des Zustands der Finanzmärkte und der Befürchtungen, dass in großem Maße „heiße Gelder“ zurückgezogen werden könnten. Sie reagieren höchst empfindlich auf jedes Ansteigen der Zinssätze in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften, was die Vorstufe eines erneuten weltweiten Finanzzusammenbruchs werden könnte.

Auch wenn China immer noch Wachstumsraten um 7.5 Prozent hat, wird es weithin als höchst verwundbar angesehen, sollte die Finanzblase platzen, die durch die massive Ausdehnung der Kredite seit 2008 geschaffen wurde. Man schätzt, dass das Kreditvolumen in den letzten sechs Jahren, in einem Ausmaß zugenommen hat, das ungefähr der Finanzkraft des gesamten amerikanisch Bankensystems entspricht.

Und dennoch streben die Finanzmärkte inmitten dieser sich verschlimmernden Lage, angeheizt von dem Zufluss an extrem billigem Geld von den großen Zentralbanken, weiter nach oben.

Dieser Prozess kann sich nicht endlos fortsetzen. Die fortgesetzte Akkumulation von Reichtum, bei der sich Geld offenbar auf wundersame Weise von selbst in immer mehr Geld verwandelt, ist auf Dauer nicht zu halten. Das gesamte Finanzsystem ähnelt einer auf den Kopf gestellten Pyramide, bei der der gewaltige finanzielle Reichtum auf einer immer schmaler werdenden realwirtschaftlichen Grundlage ruht. Das macht das gesamte System bei auch nur geringfügigen Störungen höchst verwundbar.

Da dieser Fall immer wahrscheinlicher wird, führt die Politik der Zentralbanken nicht dazu, eine Finanzkatastrophe zu verhindern, sondern eher dazu die Bedingungen zu fördern, die eine solche unweigerlich herbeiführt.

Die Ereignisse der letzten Woche waren höchst aufschlussreich. Sie zeigen das Ausmaß, in welchem die Weltwirtschaft, die Arbeitsplätze, und die gesellschaftlichen Lebensbedingungen von Milliarden arbeitender Menschen, dem Diktat einer winzigen Finanzelite unterliegen.

Die Woche begann mit einer Warnung der BIZ, dass die gegenwärtige Geldpolitik die Bedingungen für eine Wiederholung des September 2008 schaffe, die möglicherweise ein noch größeres Ausmaß annehmen würde. Dies wurde jedoch unmittelbar mit der Annahme gekontert, dass jeder Versuch die Spekulation durch die Beendigung der Versorgung mit billigem Geld einzudämmen, zu einem Wirtschaftszusammenbruch führen würde. Daher müsse die derzeitige Politik ungeachtet der Tatsache, dass sie zu einer Katastrophe führt, fortgesetzt werden.

Letzten Mittwoch machte die Vorsitzende der US Zentralbank Federal Reserve Janet Yellen ihre aufschlussreichsten öffentlichen Bemerkungen seit ihrer Amtsübernahme im Februar. Sie beteuerte, dass die gegenwärtige Politik endlos Geld in die Finanzmärkte zu pumpen auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werde.

Sie schloss finanzpolitische Maßnahmen zur Verhinderung der Entstehung von gefährlichen Finanzblasen und parasitärer und geradezu krimineller Praktiken aus, die zum Zusammenbruch von 2008 geführt haben. Sie begründete das damit, dass dies der Wirtschaft sehr schaden und zum Anwachsen von Arbeitslosigkeit führen würde. Man solle „systemaufsichtsrelevante Regulierungen“ anwenden, um das Finanzsystem zu kontrollieren, erklärte sie.

Derartige Regulierung beruht jedoch auf der Verstärkung von Maßnahmen vor allem gegen die größten Finanz- und Investmentfirmen, die – so machte der Ständige Unterausschuss des US-Senats für Aufsicht deutlich – kriminelle Aktivitäten betreiben. Anklagen wegen krimineller Aktivitäten gegen sie, waren von Justizminister Eric Holder im März 2013 ausgeschlossen worden, als er vor einem Kongressausschuss erklärte, die juristische Verfolgung der größten Institutionen würde negative Auswirkungen auf die nationale Wirtschaft und vielleicht auf die ganzen Welt haben.

Anders gesagt, sowohl die Finanz- als auch die Justizbehörden der USA sind vollkommen in der Hand der Banken und Finanzkonzerne.

Als Yellen nach der Fähigkeit der Banken gefragt wurde, ein „Paralleluniversum“ eines Schattenbanksystems außerhalb der Reichweite eventueller Regulierung zu schaffen, gab sie zu, dass sie für dieses Problem keine „großartige Antwort“ geben könne. Diese Bankrotterklärung hinderte andere aber nicht daran, ihre Bemerkungen zu unterstützen.

Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi, der vor Kurzem die Zinssätze der EZB auf Null und darunter festsetzte, unterstützt die Auffassung seiner amerikanischen Kollegin. Er betonte, dass in erster Linie „systemaufsichtsrelevante“ Maßnahmen, nicht die Geldpolitik, zur „Verteidigung für Risiken der Finanzstabilität“ herangezogen werden müssten.

Andere stimmten rasch ein. Der stellvertretende Gouverneur der Bank of England John Cunliffe sagte, restriktive Geldpolitik, um Anlagewerte zu beschränken, berge das Risiko, die Wirtschaft zu schädigen und sollte nur als „letzte Verteidigungslinie“ angesehen werden.

Der Chef der Zentralbank Schwedens, der Risbank, entschied nach einem Schlagabtausch mit der Aufsichtsbehörde, dass Taten deutlicher sprächen als Worte und senkte die Zinssätze um 50 Prozent. Er erklärte, dies solle „anderen Bereichen der Politik“ helfen, das steigende Haushaltsdefizit und den Immobilienmarkt in den Griff zu bekommen.

Strategen der Bank of America waren offensichtlich entzückt darüber, dass der Geldsegen fortgesetzt wird. Sie sagten, die Botschaft der Fed, der EZB und der Risbank bedeute, dass die „lockere“ Geldpolitik weiter gehe und „systemaufsichtsrelevante“ Politik dafür sorgen werde, finanzielle Stabilitätsrisiken einzudämmen.

Während die Förderung des Finanzparasitentums als offizielle Politik heiliggesprochen wurde und weiterhin den Reichtum der bereits Superreichen vermehrt, verschärfen sich die Angriffe auf die Arbeiterklasse.

Der australische Finanzminister Joe Hockey erklärte die Notwendigkeit von Austeritätsmaßnahmen. Die Welt werde von „Geld überflutet“, aber die Regierungen hätten kein Geld. Diese Erscheinungen sind zwei Seiten einer Medaille. Die Politik, den Lebensstandard zu verringern und Massenelend zu schaffen, beruht auf der Erkenntnis, dass der einzige Weg, den Finanzanlagen wieder Wert einzuhauchen, darin besteht, ihn aus der Arbeiterklasse herauszupressen.

Die Behauptung, dass „systemaufsichtsrelevante“ Regulierung eine Katastrophe verhindern könne, ist ein grausamer Witz. Außer der Tatsache, dass die Finanzmärkte immer Auswege finden, um solche Regulierungen zu umgehen, sobald sie eingeführt wurden, geht es um die Regulierer selbst.

In den USA, im Herzen des globalen Finanzsystems, werden sie unmittelbar aus den Reihen der Banken und Finanzhäuser oder Anwaltskanzleien rekrutiert, die für sie arbeiten, um den Versuch zu durchkreuzen, sie zu kontrollieren. Diese Personen begreifen ihren Ausflug in den „öffentlichen Dienst“ vor allem als Mittel, um ihren Marktwert zu steigern, wenn sie in die Welt der Finanzhäuser zurückkehren, um Millionen zu verdienen.

Was diejenigen angeht, die in der Behördenhierarchie aufsteigen, so sehen diese ihre Dienstzeit vor allem als Trittbrett, um in das „Paralleluniversum“ zu gelangen. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand wirklich an die Regulierung glaubt, kann er leicht entlassen werden, indem eine sexuelle Neigung oder irgendein anderer Skandal aufgedeckt wird.

Es ist überall das Gleiche, was sich am Beispiel des EZB-Vorsitzenden Mario Draghi zeigt, der früher Vizepräsident von Goldman Sachs war.

Man mag das gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzsystem drehen und wenden wie man will, es gibt keinen Weg, eine Katastrophe zu verhindern, außer seiner vollständigen Enteignung und seiner Überführung in öffentliches Eigentum im Rahmen eines sozialistischen Programms.

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