HSH-Nordbank-Freispruch: Ein Fall von Klassenjustiz

„Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“, sagt der Volksmund und bringt damit den Klassencharakter der Justiz auf den Punkt. Das Urteil im HSH-Nordbank-Prozess liefert ein anschauliches Beispiel für die Weigerung der Justiz, die kriminellen Machenschaften der Finanzaristokratie zu ahnden.

Das Hamburger Landgericht hat am Mittwoch alle sechs ehemaligen Vorstandsmitglieder der HSH Nordbank freigesprochen. Unter anderem war dem früheren Finanzchef Dirk Jens Nonnenmacher und Ex-Chef Hans Berger Untreue in einem besonders schweren Fall vorgeworfen worden. Zudem waren der frühere Kapitalmarkt-Vorstand Jochen Friedrich und Nonnenmacher wegen Bilanzfälschung angeklagt.

Während des Gerichtsverfahrens, das ein ganzes Jahr dauerte, bestätigte sich, dass die angeklagten Vorstandsmitglieder der Bank in völlig verantwortungsloser Weise gehandelt, sich über Rechtsnormen hinweggesetzt und Bilanzen frisiert hatten und für Verluste in mehrstelliger Millionenhöhe verantwortlich waren.

Die beiden Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein stellten als Haupteigner der HSH Verlustgarantien in Höhe von 10 Milliarden Euro und eine Gewährträgerhaftung von 25 Milliarden Euro bereit, um einen Zusammenbruch der Bank zu verhindern. In diesem Frühjahr gab der HSH-Aufsichtsrat bekannt, dass die Krise der Bank noch immer anhalte und möglicherweise weit mehr als die bisher verwendeten 1,3 Milliarden Euro an Steuergeldern gebraucht würden.

Trotzdem sprach das Gericht die Angeklagten frei. Es begründete seine Entscheidung mit der lapidaren Bemerkung, die Angeklagten hätten zwar eindeutig pflichtwidrig, aber nicht strafbar gehandelt. „Die Grauzone in Richtung Strafbarkeit“ sei nicht überschritten worden. Nicht jeder Verstoß gegen Gesetze und Dienstanweisungen sei strafbar.

Die „Grauzone in Richtung Strafbarkeit“, die nach Auffassung des Gerichts nicht überschritten wurde, bestand in folgendem:

Die HSH Nordbank entstand im Sommer 2003 aus der Fusion der Hamburger Landesbank mit der Landesbank Kiel. Damit sollten die beiden Landesbanken zur Finanzierung regionaler Klein- und Mittelstandsbetriebe in eine am internationalen Kapitalmarkt agierende Bank verwandelt werden. Der Handel mit Derivaten, die Zusammenarbeit mit Großkonzernen, Fondsmanagement, internationale Anleihen und so genanntes „Investmentbanking“ hatten bereits vor der Fusion einen beträchtlichen Umfang erreicht.

Mitte 2007 hatte die HSH Nordbank AG umfangreiche Problemkredite und Wertpapiere in ihren Büchern, die infolge der US-Immobilienkrise die Liquidität der HSH bedrohten. Weil diese „problembehafteten Papiere“ nicht mehr verkauft werden konnten, fasste sie der HSH-Vorstand zusammen und lagerte sie in „bilanzferne Zweckgesellschaften“ aus. Insgesamt hatten diese Transaktionen ein Volumen von 17,3 Mrd. Euro.

Unter der Bezeichnung „Omega 55“ waren im Herbst 2007 alle sechs angeklagten Vorstandsmitglieder mit der „Auslagerung“ dieser toxischen Wertpapiere beschäftigt. Nach der Insolvenz von Lehman Brothers flog der ganze Schwindel auf und es entstand ein existenzbedrohender Schaden von 158 Millionen Euro.

Auf Wikipedia ist zu lesen, dass die Wertberichtigungen und Gesamtabschreibungen der HSH im September 2008 rund 1,1 Milliarden Euro betrugen. „Die Bank hatte damit Belastungen (Gewinn-und Verlustrechnung plus Neubewertungsrücklage) in Höhe von 2,4 Milliarden Euro in ihren Büchern.“

Die Bank konnte nur mit Bürgschaften in Milliardenhöhe und direkten Finanzhilfen der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein gerettet werden. Wie bei allen Vorstandsmitgliedern von Banken, die Rettungspakete vom Bundes-Fonds Soffin in Anspruch nehmen, wurden auch bei der HSH die Vorstandsgehälter auf maximal 500.000 Euro jährlich gedeckelt. Doch im Sommer 2009 wurde bekannt, dass Vorstandschef Nonnenmacher eine Sonder-Bonuszahlung in Höhe von 2,9 Millionen Euro erhalten habe. Diese „Nebenabsprache“ hatte der Präsidialausschuss der HSH Nordbank, dem auch der schleswig-holsteinische Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) angehörte, genehmigt.

Die Kosten für die gerichtliche Verteidigung der Pleite-Banker trug die HSH-Bank, und der Richter beendete sein Freispruchs-Urteil mit der Feststellung: „Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.“

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