Edward Snowden muss Asyl in Russland verlängern

Edward Snowdens Anwalt beantragte letzte Woche bei den russischen Behörden eine Verlängerung seines Asylaufenthalts, nachdem die Putin-Regierung ihm 2013 für ein Jahr Asyl in Russland gewährt hatte. Der ehemalige NSA-Mitarbeiter hatte der ganzen Welt die illegalen Überwachungsprogramme der NSA und anderer Geheimdienste zur Kenntnis gebracht. Aus diesem Grund muss Snowden auch heute noch als politischer Flüchtling um das grundlegende Menschenrecht auf Asyl bitten.

Sollte der Whistleblower dem amerikanischen Staat in die Hände fallen, drohen ihm möglicherweise Folter und Haft ohne faires Verfahren und selbst die Todesstrafe. Solche Behandlung wird oft genug schon Menschen zuteil, die für das „nationale Interesse“ der amerikanischen Regierung und der herrschenden Elite eine wesentlich geringere Bedrohung darstellen.

“Wir haben Dokumente eingereicht, die eine Verlängerung seines Aufenthalts in Russland begründen”, erklärte Snowdens Anwalt Anatoli G. Kutscherena letzte Woche gegenüber Interfax.

Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass die zentrale russische Einwanderungsbehörde (FMS) Snowden erlauben wird, sich weiter im Land aufzuhalten.

“Ich sehe kein Problem darin, das befristete politische Asyl zu verlängern“, erklärte Wladimir Wolok, ein hoher Beamter des FMS letzte Woche. „Die Umstände haben sich nicht geändert, Snowdens Leben ist immer noch in Gefahr, deswegen gibt es für den FMS gute Gründe, seinen Status zu verlängern.“

Dass Snowdens Leben wirklich in Gefahr ist, machten seine Erfahrungen unmittelbar nach der Veröffentlichung der NSA-Dokumente klar. Bevor ihm das Asyl erteilt wurde, musste Snowden wochenlang in der Transitzone des Moskauer Flughafens leben. Von dort aus stellte er bei fünfzehn Regierungen vergeblich Asylanträge.

Obwohl die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte das klare Prinzip festschreibt, dass jeder das Recht hat, in anderen Ländern Schutz vor Verfolgung zu suchen und zu erhalten, musste Snowden kämpfen, um nur eine einzige Regierung zu finden, die ihm dieses Menschenrecht gewährte. Dabei drohte ihm möglicherweise die Todesstrafe wegen „Spionage“, nur weil er das verfassungswidrige und illegale massenhafte Ausspionieren der US-Regierung bekannt gemacht hatte.

Damals machte Wladimir Putin Snowdens Aufenthalt in Russland von dessen Zustimmung abhängig, “unseren amerikanischen Partnern keinen weiteren Schaden zuzufügen“. Snowden nahm einen prinzipiellen Standpunkt ein und zog als Reaktion auf diese Bedingung seinen anfänglichen Asylantrag zurück.

Obwohl klar geworden war, dass Snowden breiteste Überwachungsaktivitäten der USA gegen amerikanische Rivalen und vorgebliche Verbündete offengelegt hatte, weigerte sich dennoch weltweit eine Regierung nach der anderen, ihm Asyl zu gewähren. Verantwortlich dafür war der gewaltige amerikanische Druck, aber auch die Tatsache, dass kapitalistische Regierungen die Interessen reicher herrschender Schichten vertreten, die durch die politischen Implikationen von Snowdens Enthüllungen ihre Privilegien bedroht sahen.

Zu dieser Zeit, als die Obama-Regierung alles tat, um Regierungen davon abzuhalten, Snowdens Asylanträge anzunehmen, schrieb Snowden am 1. Juli 2013 einen offenen Brief, in dem es hieß: „Letztlich fürchtet die Obama-Regierung nicht Whistleblower wie mich, Bradley Manning oder Thomas Drake. Wir sind staatenlos, hinter Gittern oder machtlos. Nein, die Obama-Regierung fürchtet Euch. Sie fürchtet eine informierte, zornige Öffentlichkeit, die eine verfassungstreue Regierung verlangt, wie sie ihr versprochen wurde. Und zu Recht.“

In einer abenteuerlichen Aktion bedrohte die Obama-Regierung zahlreiche Menschenleben und verletzte internationales Recht, als sie das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten zur Landung zwang, das nach einem Moskau-Besuch Europa überquerte. Die amerikanischen Geheimdienste hatten gemutmaßt, in dem Flugzeug könnte sich Snowden befinden, um auf diesem Wege nach Südamerika zu gelangen. Die Regierungen Frankreichs, Italiens, Portugals und Spaniens spielten bei diesem terroristischen amerikanischen Piratenstück mit und verweigerten dem bolivianischen Flugzeug den Überflug.

Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa zog ein angedeutetes Asylangebot nach einem kurzen Anruf des amerikanischen Vizepräsidenten Joseph Biden zurück. Correa drohte Beamten seiner Regierung „Konsequenzen“ an, falls jemand Snowden ein Reisedokument ausstellen sollte, mit dem er Hongkong hätte verlassen können.

Snowden bekräftigte in einem Brief an Correa seine prinzipielle Position und schrieb: “Ich bin weiterhin frei und in der Lage, Informationen zu veröffentlichen, die im öffentlichen Interesse sind. Gleich, wie lange mein Leben noch dauert, es bleibt dem Kampf für Gerechtigkeit in dieser ungleichen Welt gewidmet.“

Die Regierung der Arbeiterpartei in Brasilien unter Präsidentin Dilma Rousseff gab öffentlich bekannt, sie werde einen Antrag Snowdens nicht einmal in Erwägung ziehen, obwohl 1,1 Millionen Brasilianer ihn in einer Petition unterstützten. So sieht die Dankbarkeit der brasilianischen Regierung aus dafür, dass Snowden aufgedeckt hatte, dass die USA auch Rousseffs persönliche Kommunikation und den staatlichen brasilianischen Ölkonzern Petrobras ausgespäht hatten.

Snowden schrieb damals in einem “Offenen Brief an das brasilianische Volk“: „Wenn Sie heute in Sao Paulo ein Handy bei sich haben, kann die NSA ihren Standort lokalisieren und tut das auch. Sie tut das in aller Welt fünf Milliarden Mal am Tag.“

Er fuhr fort: “Wenn jemand in Florianopolis eine WebSite besucht, dann hält die NSA fest, wann das war und was er dort unternommen hat. Wenn eine Mutter in Porto Allegre ihren Sohn anruft, um ihm alles Gute für seine Prüfung zu wünschen, kann die NSA die Verbindungsdaten fünf Jahre lang und länger speichern. Sie beobachtet sogar, wenn jemand eine Affäre hat oder pornographisches Material anschaut, damit sie gegebenenfalls den Ruf der Zielperson schädigen kann.“

Deutschland verweigerte Snowden Asyl, auch nachdem er die amerikanischen Maßnahmen gegen die deutsche Regierung und deutsche Konzerne offen gemacht hatte. Die öffentlichkeitswirksame Unterstützung der Grünen für Snowdens Asylantrag war ausschließlich auf die Pflege ihres Rufs als „Oppositionspartei“ ausgerichtet. Als sie von 1998 bis 2005 an der Regierung waren, unterstützten die Grünen Gesetze, die die Vollmachten der deutschen Geheimdienste und des Überwachungsapparats enorm erweiterten.

Weil ihm keine andere Möglichkeit mehr blieb, arbeitete Snowden eine Vereinbarung aus, die es ihm ermöglichte, sich ein Jahr lang in Russland aufzuhalten. Diese Vereinbarung läuft am 31. Juli aus.

Die russische Regierung verteidigt die Interessen einer kriminellen und unterdrückerischen kapitalistischen Elite. Sie hat Snowden nicht verteidigt, weil sie an demokratischen Prinzipien und Menschenrechten interessiert ist. Hinter ihrer Bereitschaft, dem Whistleblower kurzfristig einen sicheren Aufenthalt zur gewähren, stehen vielmehr die wachsenden geopolitischen Spannungen zwischen den USA und Russland.

Snowden wird auf lange Sicht nur sicher leben können, wenn die internationale Arbeiterklasse den bewussten Kampf aufnimmt, einem der wichtigsten Verteidiger demokratischer Rechte zu Hilfe zu kommen.

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