Kriegshetze in deutschen Medien nimmt zu

Seit dem Absturz des Malaysian Airlines-Fluges MH17 vor einer Woche nimmt die Kriegshetze in den deutschen Medien von Tag zu Tag zu.

Am Montag hatte der Auslandschef der taz, Dominic Johnson, gefordert, den Flugzeugabsturz auf dieselbe Ebene wie den Terroranschlag vom 11. September 2001 zu stellen und den Nato-Bündnisfall auszurufen. Gestern verlangte Hubert Wetzel in der Süddeutschen Zeitung, Europa müsse endlich zur Tat schreiten und „harte Sanktionen“ gegen Russland verhängen.

Unter der Überschrift „Drohen, drohen – nur nichts tun“ fragt Wetzel: „Wann versteht die EU, dass der Krieg in der Ostukraine auch sie trifft?“ Er wiederholt diese Frage mehrmals und will sie eigentlich viel schärfer verstanden wissen: Wann versteht die EU, dass sie sich de facto im Krieg befindet? Er schreibt: „Die Lage ist so: Mehr als 200 Europäer sind tot. Und Europa kann sich nicht mehr wegducken.“

Die Verantwortungslosigkeit solch aggressiver Forderungen ist haarsträubend. Bisher sind die Umstände des Flugzeugabsturzes in keiner Weise geklärt. Vieles was bekannt wurde – die kurzfristige Änderung der Flugroute, die dann direkt über die Ostukraine führte; das ungewöhnliche Absenken der Flughöhe; die Aussagen eines Fluglotsen, in einem Funkspruch aus dem Cockpit der Unglücksmaschine sei von begleitenden ukrainischen Kampfjets gesprochen worden – machen deutlich, dass eine Täterschaft des Regimes in Kiew nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.

Stellt man die Frage nach dem Motiv, die auch in Gerichtsverfahren eine wichtige Rolle spielt, lenkt auch sie den Verdacht auf die Ukraine. Der Präsident und die Regierung des Landes haben die Tragödie unmittelbar und ohne zu zögern ausgeschlachtet, um die Konfrontation mit Russland zu verschärfen. Auch die amerikanische Regierung hat den Absturz sofort benutzt, um den Druck auf Moskau zu erhöhen und von den Europäern schärfere Sanktionen gegen Russland zu verlangen.

Die aggressiven Kommentare der deutschen Medien bestätigen ebenfalls, dass die Unglückstoten wie gerufen kamen, um die Attacken gegen Russland zu verschärfen.

Hat irgendeiner dieser Schreibtisch-Krieger in den Redaktionsstuben die Frage durchdacht, wohin „harte Sanktionen“ gegen Russland führen? Welche Auswirkungen sie auf die Bevölkerung, auf die europäische Wirtschaft und auf das internationale Finanzsystem haben? Hat jemand die Konsequenzen eines Wirtschaftskriegs mit Russland durchdacht? Was soll erreicht werden, durch die Destabilisierung der russischen Regierung? Sollen nationalistische Militärs im Kreml provoziert werden, um endlich einen Vorwand zu haben, militärisch gegen Russland vorzugehen? Das würde bedeuten, einen Dritten Weltkrieg und eine nukleare Katastrophe billigend in Kauf zu nehmen.

Angesichts des 100. Jahrestags der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien am 28. Juli wird derzeit viel darüber diskutiert, ob die Großmächte in den Ersten Weltkrieg „hineingeschlittert“ oder „geschlafwandelt“ seien. Aber gegenwärtig gibt es eine wilde Horde von Medien-Demagogen, die nicht schlittern, sondern sich regelrecht in einen Krieg hineinstürzen und eine militärische Konfrontation mit Russland kaum erwarten können. Selbst einige Politiker verhalten sich zurückhaltender und warnen vor möglichen Konsequenzen.

Woher kommt dieses völlig verantwortungslose Kriegsgeschrei in den Medien?

25 Jahre nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Regime haben sich auf verschiedenen Ebenen der Gesellschaft und ganz besonders in den Medien gesellschaftliche Elemente breit gemacht, die von Egoismus, Rücksichtslosigkeit, Ignoranz und tiefer Feindschaft gegen alles Soziale geprägt sind.

Die Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991 war ein einschneidender historischer Wendepunkt. Trotz der Entartung durch den Stalinismus bildete die Sowjetunion, so lange sie existierte, ein gewisses Korrektiv gegen den Imperialismus. Ihre bloße Existenz hatte zur Folge, dass der kapitalistischen Ausbeutung und der imperialistischen Aggression Grenzen gesetzt waren. Die Auflösung der Sowjetunion mobilisierte die reaktionärsten, engstirnigsten, auf den eigenen Vorteil bedachten Elemente.

In den Medien setzten sich die skrupellosesten Schreiberlinge durch, die alle sozialen Angriffe und imperialistischen Verbrechen rechtfertigen und schönreden. Sie haben im Namen der Bankenrettung die Übereignung von hunderten Milliarden Euro aus öffentlichen Kassen an Banken und Spekulanten verteidigt. Anschließend haben sie massive Sparprogramme, die Zerschlagung der Sozialsysteme und den Absturz von Millionen in Not und Elend unterstützt.

Journalisten, die weitsichtiger waren und vor den sozialen und politischen Konsequenzen warnten, wurden ins Abseits gedrängt, mussten gehen oder hatten nie eine Aufstiegschance. So fand eine Auslese statt, die dazu geführt hat, dass die aggressivsten und beschränktesten Elemente nun in den Redaktionsstuben den Ton angeben.

Sie haben den Zusammenbruch der Sowjetunion als Befreiung betrachtet und verstehen darunter vor allem die Befreiung von jeglicher gesellschaftlicher Verantwortung. Sie sind der Auffassung, dass sie niemandem verantwortlich sind und niemandem Rechenschaft abgeben müssen. Doch das wird sich als Fehleinschätzung erweisen. Denn dieselben Widersprüche, die den Imperialismus an den Rand des Abgrunds treiben, bilden die objektive Triebkraft für eine soziale Revolution. Zu ihrer eigene Überraschung werden sich einige Kommentatoren in der kommenden gesellschaftlichen Entwicklung für ihre gegenwärtige Kriegshetze verantworten müssen.

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