Unruhen im Westjordanland

Israel lehnt Kerrys Waffenstillstand im Gazastreifen ab

Am Freitagabend hat das Sicherheitskabinett von Premierminister Benjamin Netanjahu den amerikanisch-ägyptischen Vorschlag eines siebentägigen Waffenstillstandes in dem einseitigen Krieg im Gazastreifen einstimmig abgelehnt. Tel Aviv gibt damit zu verstehen, dass es sein Massaker an den Palästinensern verschärfen will.

Die israelische Militärmaschinerie hat in dem bis Freitag schon achtzehntägigen Krieg mehr als 900 Palästinenser getötet, 80 Prozent von ihnen Zivilisten. Fast 6.000 weitere wurden verwundet, hunderttausende wurden zu Flüchtlingen. In dem belagerten Gebiet droht eine humanitäre Katastrophe, da die Mehrheit der Bevölkerung keinen Zugang zu Wasser, Strom, Nahrung, Medizin und anderen grundlegend notwendigen Dingen hat.

Die Entscheidung des Kabinetts fiel vor dem Hintergrund wachsenden internationalen Widerstandes gegen Israels Blitzkrieg und der größten Unruhen im besetzten Westjordanland seit vielen Jahren. Am Freitag wurden weitere sechs Palästinenser bei Demonstrationen im Westjordanland getötet, die als "Tag der Wut" gegen das Blutbad im Gazastreifen bezeichnet wurden. Eines der Todesopfer wurde von einem bewaffneten zionistischen Siedler getötet, der aus seinem Auto in eine Menge von Demonstranten schoss.

Am Donnerstagabend vor den Protesten fand ein riesiger Protestmarsch von Ramallah zu dem festungsartigen Kontrollpunkt Qalandiyah statt, der Jerusalem vom Westjordanland trennt. Mehr als 30.000 Menschen nahmen daran teil. Palästinensische Jugendliche warfen Steine, Fackeln und Feuerwerkskörper auf israelische Soldaten, die mit scharfer Munition zurückschossen. Ein siebzehnjähriger Demonstrant wurde bei diesen Zusammenstöße erschossen, ein weiterer wurde lebensgefährlich verletzt und als "klinisch tot" eingestuft.

Die Massenproteste haben zu Vermutungen geführt, das Westjordanland stehe kurz vor einer dritten Intifada – eine Anspielung auf die Massenaufstände der Bevölkerung der besetzten Gebiete von 1987 bis 1993 und von 2000 bis 2005.

Die Unruhen haben die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter Präsident Mahmud Abbas schwer in Misskredit gebracht, der sich zum verlängerten Arm der israelischen Besatzungsmacht gemacht hat und dessen Führung dafür von Washington und der Europäischen Union reich entlohnt wurde. In der Vergangenheit hatten die Sicherheitskräfte der PA, die von den USA ausgebildet wurden, Demonstrationen im Westjordanland brutal unterdrückt und als Puffer für die israelischen Besatzungstruppen gedient. Diesmal entschied man jedoch, dass man die Empörung der Bevölkerung über die Ereignisse im Gazastreifen nicht unterdrücken konnte. Ein neuer allgemeiner Aufstand würde sich unweigerlich nicht nur gegen Israel richten, sondern auch gegen dessen Komplizen in der PA.

Am Freitagabend kamen Berichte auf, laut denen die Regierung Netanjahu einem zwölfstündigen Waffenstillstand zugestimmt hatte, der am Samstagmorgen beginnen sollte. Reuters zitierte einen Sprecher der Hamas, der sagte, die islamistische Bewegung würde den halbtägigen Waffenstillstand ebenfalls einhalten.

Ob diese kurze Pause des andauernden Beschusses des verarmten und dicht besiedelten Gebietes aus der Luft, von der See und vom Boden eingehalten wird oder nicht, es bestehen Anzeichen, dass eine deutliche Eskalation der Gewalt vorbereitet wird. Die israelische Regierung hat mehrfach Waffenstillstände und angebliche Verstöße dagegen durch die Palästinenser als Rechtfertigung für solche Verschärfungen ihrer Angriffe benutzt.

Verteidigungsminister Mosche Jaalon erklärte am Freitagabend bei einer Rede vor Truppen im Zentrum Israels, sie sollten sich auf die Möglichkeit vorbereiten, "dass wir die IFD anweisen, die Bodenoffensive im Gazastreifen bald deutlich zu erweitern."

Ähnlich äußerte sich der israelische Kommandant der Gaza-Operation, Generalmajor Sami Turgeman, der die Regierung Netanjahu bei einem öffentlichen Auftritt am Freitag aufrief, den Angriff fortzusetzen. "Ich glaube, jeder Kampftag wird es uns erlauben der von der Hamas als wichtig erachteten Infrastruktur schwere Schläge zu versetzen," erklärte er.

Tel Aviv hat seine Bodeninvasion als Verteidigungsaktion dargestellt, um Tunnel zu zerstören, durch die angeblich bewaffnete Aufständische nach Israel eindringen und die größtenteils wirkungslosen Raketen hin- und herbewegen, die die Hamas aus Protest gegen Israels Belagerung des Gazastreifens abfeuert. In Wirklichkeit hat eine Reihe von blutigen Ereignissen gezeigt, dass es das wahre Ziel der israelischen Offensive ist, eine ganze Bevölkerung zu terrorisieren und zu unterwerfen, die vor 66 Jahren zu heimatlosen Flüchtlingen wurde und seit mindestens 47 Jahren unter Besetzung lebt.

Die Entscheidung des israelischen Kabinetts am Freitag bedeutete in gewisser Weise auch eine öffentliche Demütigung für Kerry, der in den letzten fünf Tagen das Prozedere der Shuttle-Diplomatie durchexerziert hatte und zwischen Tal Aviv und Kairo hin- und hergeflogen war, um einen Waffenstillstandsplan zu propagieren, der vom ägyptischen Militärherrscher Abdel Fattah al-Sisi entworfen wurde. Dieser Vorschlag zielte darauf ab, eine bedingungslose Kapitulation der Hamas zu sichern, die ein Ableger der Moslembruderschaft ist, der ägyptischen Bewegung, die al-Sisi seit dem Putsch im Juli 2013 gegen Präsident Mohamed Mursi rücksichtslos unterdrückt.

Das Abkommen hätte es den israelischen Streitkräften im Gazastreifen offenbar erlaubt dort zu bleiben und weiterhin Tunnel und Infrastruktur zu sprengen. Der Waffenstillstand sollte angeblich von Verhandlungen über die Forderungen der Palästinenser und Israelis begleitet werden. Angesichts Kerrys bisheriger Leistung in solchen Verhandlungen im sogenannten "Friedensprozess" ist dies ein ausgesprochen leeres Versprechen.

Kerry versuchte, die Türkei und Katar dazu zu motivieren, Druck auf die Hamas auszuüben, das Abkommen zu akzeptieren.. Die Hamas wird von Washington als Terrororganisation bezeichnet, obwohl sie von der Bevölkerung des Gazastreifens rechtmäßig gewählt wurde. Es deutet jedoch nichts darauf hin, dass die Türkei und Katar Kerrys Wunsch entsprochen hatten, bis Israel den Vorschlag ablehnte.

Zuvor hatte die Hamas-Führung angedeutet, sie würde nur dann einem dauerhaften Waffenstillstand zustimmen, wenn Israel im Ausgleich zustimmt, die seit sieben Jahren andauernde Blockade des Gazastreifens aufzuheben. Sie forderten außerdem die Freilassung von hunderten von Palästinensern, die letzten Monat bei der Polizeiaktion im Westjordanland nach der Entführung und Ermordung von drei jungen israelischen Siedlern verhaftet wurden.

Auf einer Pressekonferenz, auf der Kerry eigentlich die Umsetzung des vorgeschlagenen Waffenstillstandes ankündigen wollte, konnte er sich kaum konzentrieren und sprach zuerst davon, er müsse die "Terminologie im Kontext des Rahmens" des Vorschlages noch ausarbeiten, danach gab er zu, dass die USA und ihre Verbündete den "endgültigen Rahmen" noch nicht haben. Er plapperte weiter, er müsse noch "über verschiedene Ideen und verschiedene Konzepte diskutieren, wie man mit diesem Thema umgehen sollte."

Wenn die USA ernsthaft daran interessiert wären, das Blutbad im Gazastreifen aufzuhalten, könnten sie die israelische Aggression in kürzester Zeit beenden. Israel erhält von Washington jährlich drei Milliarden Dollar Militärhilfe. Dabei sind die Raketen und andere Ausrüstung im Wert von hunderten Millionen Dollar nicht eingerechnet, die nach Tel Aviv geschickt werden, um den Krieg gegen die Palästinenser am Laufen zu halten.

Der US-Imperialismus sieht Israels Aggression als Unterstützung seiner eigenen blutigen Kampagne zur Sicherung der amerikanischen Hegemonie über den ölreichen Nahen Osten. Er ist bereit, genau wie er seine eigenen rücksichtslosen und desaströsen Interventionen durchgeführt hat, vom Irak über Libyen bis hin zu Syrien die zionistische Kamarilla bei einem militärischen Abenteuer zu unterstützen, das Israels tiefe innere Krise nur noch vertiefen kann.

Der Beschuss des Gazastreifens ging bis in die Abendstunden weiter, die Zahl der Todesopfer stieg allein am Freitag bis auf mindestens 67. Unter den Todesopfern befand sich Mohammad Matar al'Abadla, ein 32-jähriger Sanitäter, der getötet wurde, als eine israelische Rakete seinen Krankenwagen traf, als er versuchte, Tote und Verwundete aus dem Stadtteil Khuza in Khan Junis zu bringen.

In dem Stadtteil von Gaza Shuja'eyya wurde ein fünfjähriges palästinensisches Kind von einem israelischen Scharfschützen erschossen. Bei einem Luftangriff wurde eine dreiundzwanzigjährige Schwangere in ihrem Haus in Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens getötet. Das Gesundheitsministerium des Gazastreifens schrieb, die Ärzte hätten ihr ungeborenes Kind retten können.

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