London: 150.000 demonstrieren gegen Israels Belagerung des Gazastreifens

Am Samstag fand in London die bisher größte Demonstration gegen die Belagerung des Gazastreifens durch das israelische Militär statt. Menschen aus ganz Großbritannien beteiligten sich an der Demonstration von der BBC-Zentrale zum Hyde Park. Die Medien sprachen von "zehntausenden" Demonstranten, laut den Veranstaltern waren es jedoch eher 150.000.

Demonstrationszug durch die Londoner Oxford Street

Die Demonstration, zu der acht Organisationen aufgerufen hatten, darunter die Stop the War Coalition und die Palestine Solidarity Campaign (PSC) war Teil eines internationalen Protesttages gegen die Angriffe des israelischen Militärs auf den Gazastreifen. Im südafrikanischen Kapstadt demonstrierten mindestens 50.000 Menschen, in Paris widersetzten sich Tausende dem Demonstrationsverbot, das die französischen Behörden verhängt hatten. Auch in Spanien und Griechenland, in Australien und im indischen Bangalore fanden Demonstrationen statt. Weitere Demonstrationen fanden in Edinburgh, Manchester und der irischen Hauptstadt Dublin statt.

Die Größe der Demonstration in London zeigt die Empörung, die große Teile der Bevölkerung angesichts der schrecklichen Gewalt im Gazastreifen empfinden. Demonstranten riefen "Freiheit, Freiheit für Palästina" und "Stein um Stein, Mauer um Mauer, muss die israelische Apartheid einstürzen." Auch entlang der Route gab es große Unterstützung für die Demonstration, das Personal von Cafés teilte angesichts der Hitze Gläser mit Wasser an die Demonstranten aus.

Die Menschenmenge versammelt sich vor der BBC-Zentrale

Ein Sprecher der israelischen Botschaft sagte der BBC, die Botschaft habe "kein Problem" mit der Demonstration, im Verlauf des Interviews behauptete er jedoch, die Demonstranten unterstützten den Terrorismus. Der Sprecher erklärte, die Botschaft kritisiere, dass "die Leute eine Organisation unterstützten, die in Großbritannien als Terrororganisation eingestuft wird [die Hamas], und die heute das größte Hindernis für den Wohlstand des Gazastreifens ist."

Obwohl mehrere Juden auf der Demonstration Reden hielten, versuchten die Medien dennoch, Furcht vor "Antisemitismus" zu schüren, um arabische und jüdische Arbeiter gegeneinander aufzuhetzen.

Die Reden vor und nach der Demonstration enthüllten die bankrotte Perspektive der Anführer der Protestbewegung. Sie versuchen, die wachsende Wut auf die Änderung der Außenpolitik der britischen Regierung durch die Sackgasse der Boycott, Divestment and Sanctions-Kampagne (BDS) zu ändern. Auf der Abschlusskundgebung wurde zwar das Ausmaß der Kriegsverbrechen der israelischen Truppen erwähnt und ein Verbot von Rüstungsgeschäften mit Israel gefordert, ein erheblicher Teil der Kundgebung wurde jedoch politischen Manövern der großen Parteien vor der Wahl im nächsten Jahr gewidmet.

Die Demonstranten sammelten sich vor der BBC-Zentrale am Portland Place, um Aufmerksamkeit auf die einseitige Berichterstattung zu lenken: Israel wird unterstützt, die internationalen Proteste werden diskreditiert.

Mehrere Sprecher, überwiegend Gewerkschaftsfunktionäre, sprachen vor Beginn des Protestmarsches zur Menge und machten die Agenda der Veranstalter deutlich. Redner der Lokführergewerkschaft ASLEF und von Unite riefen zur Unterstützung der BDS-Kampagne auf.

Chris Nineham von Stop the War, ein ehemaliges führendes Mitglied der pseudolinken Socialist Workers Party (SWP) und Jean Butcher von Unison wiesen auf das Hauptziel der Organisatoren hin. Stop the War hatte in ihrem Protestaufruf erklärt, eines ihrer Hauptziele sei es, das Parlament aus der Sommerpause zu holen. Wie Stop the War letztes Jahr hinsichtlich der geplanten Bombardierung Syriens angedeutet hatte, sehen sie ihre Aufgabe zunehmend darin, die britische herrschende Klasse in außenpolitischen Fragen zu beraten. Butcher betonte, "unsere eigene Regierung" müsse aufhören "auf der Stelle zu treten."

Nineham erklärte, die zunehmende Krise der britischen Regierung wegen der Unterstützung für Israel, weswegen eine der führenden Figuren der Regierung, Baronin Warzi, zurückgetreten war, wäre ohne die Protestbewegung nicht entstanden. Nineham machte deutlich, dass die Umsetzung dieser Linie jede Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Krieg ausschließt. Er erklärte, dies sei eine breite Bewegung, "die gesamte Zivilgesellschaft“, die "die Macht des Volkes" zeige.

Lindsey German, die oberste Funktionärin der Stop the War Coalition und ebenfalls eine ehemalige Führungsfigur der SWP, erklärte: "Wir fordern ein Ende des Massakers und eine Sondersitzung des britischen Parlaments. Unsere Regierung muss dazu gezwungen werden, ihre Unterstützung für Israels Belagerung des Gazastreifens einzustellen."

Ähnlich äußerte sich bei der Abschlusskundgebung Sarah Colbourne von der Public and Commercial Services Union. Sie sprach von der Notwendigkeit, "unserer Regierung klarzumachen, dass wir angewidert sind." Sie erklärte, sie hätten Unterstützung von "Mitgliedern aller Parteien" erhalten, darunter von Liberaldemokraten und "sogar von konservativen Abgeordneten." Die Labour-Abgeordnete Diane Abbott schloss sich diesen Aussagen an und erklärte, die Proteste hätten gezeigt, dass "die britische Bevölkerung aller Farben und aller Parteien" in Solidarität zusammenstehe.

In den Reden wurden der von den imperialistischen Mächten unterstützte Krieg in der Ukraine gegen die Bevölkerung im Osten des Landes und die jüngsten Bombenangriffe auf den Irak nur am Rande erwähnt. Israels Angriff auf den Gazastreifen wurde von den Rednern als hauptsächlich moralische Frage behandelt. Die Liberaldemokraten David Ward und Baronin Jenny Tonge hielten Reden. Ward unterstütze die BDS-Kampagne. Gerry Adams von Sinn Fein schickte eine Stellungnahme, in der er die irische Regierung aufforderte, ihr "schändliches Schweigen" über Palästina zu beenden.

Die Grünen-Parteichefin Natalie Bennett forderte die Einstellung von Waffenexporten nach Israel und ein Ende der weiteren militärischen Zusammenarbeit. "Das ist erreichbar, erklärte sie". Die Grünen-Abgeordnete Caroline Lucas habe das bereits im Parlament gefordert. Bennett fasste die Position der Veranstalter zusammen, als sie nur dazu aufrief, "Druck" auf Premierminister David Cameron auszuüben.

Stop the War hatte in ihrem Aufruf zu den Protesten begeistert geschrieben, dass Labour-Chef Ed Miliband Cameron "stark kritisiert" habe, und der Parteichef der Liberaldemokraten, Nick Clegg, "zu einem Waffenstillstand aufgerufen hat." Mehrere Labour-Abgeordnete nahmen an der Kundgebung teil -Abbott, Rushanara Ali, Yasmin Qureshi - und erhielten Gelegenheit, "Druck" auf Cameron aufzubauen. Abbott sagte das am deutlichsten. Sie erwähnte den Rücktritt von Baronin Warsi aus Camerons Kabinett und erklärte, die Aufgabe sei es, "den Druck aufrechtzuerhalten, bis David Cameron eine Position einnimmt, die moralisch zu rechtfertigen ist."

Sprecher berichteten, dass Cameron heuchlerisch damit prahle, Ärzteteams des NHS nach Gaza zu schicken, um diejenigen zu behandeln, die von Waffen verwundet wurden, die mit Genehmigung der britischen Regierung exportiert wurden. Trotzdem wurde das Ausüben von Druck auf die britische Regierung als Lösung angepriesen.

Viele Redner zogen Parallelen zwischen der Lage in Palästina und Südafrika während der Apartheid. Alle behandelten das Ende der Apartheid nicht als taktisches Manöver einer verzweifelten Bourgeoisie, die versuchte, ihre Stellung im Weltkapitalismus zu halten, sondern als revolutionären Sieg. Labour-Anhänger Owen Jones erklärte, die Apartheid schien stark zu sein, und fragte "aber wurde sie nicht zu Fall gebracht?"

Die Apartheid wurde abgeschafft, weil sie sich zu einem Hindernis für die herrschende Klasse Südafrikas entwickelt hatte und weil durch sie die Gefahr einer sozialen Explosion bestand, die zu einer Bewegung gegen den Kapitalismus hätte führen können. Heute kontrolliert und misshandelt der Afrikanische Nationalkongress selbst die südafrikanische Arbeiterklasse. Die Bergarbeitergewerkschaft, die sich im Jahr 2012 an der Ermordung von streikenden Bergarbeitern beteiligte, gehört dem Gewerkschaftsbund COSATU an, der mit dem ANC verbündet ist und die Boykottkampagne der BDS an vorderster Stelle propagiert.

Die Boykottkampagne lehnt ab, die israelische Arbeiterklasse für einen Kampf gegen die Regierung und den Krieg zu gewinnen. Sie behindert und verhindert, einen gemeinsamen Kampf der jüdischen und arabischen Arbeiter gegen ihre gemeinsamen Unterdrücker zu organisieren. Die israelische Regierung kann ihre militaristischen Verbrechen und ihre endlose Unterdrückung der Palästinenser nur durchführen, weil eine Führung der Arbeiterklasse mit einem internationalen und sozialistischen Programm gegen den Zionismus fehlt.

Das Ziel der Kräfte hinter der BDS-Kampagne ist es, die "Zweistaatenlösung" durch die Schaffung eines lebensunfähigen Zwergstaates zu fördern, der für die Palästinenser nur ein Gefängnis wäre.

SEP-Aktivist spricht vor der BBC-Zentrale zur Menge

Die Einheit der Arbeiterklasse, der arabischen wie der jüdischen, stand im Zentrum der Kampagne, die Mitglieder und Anhänger der Socialist Equality Party führten und dabei tausende von Exemplaren der Stellungnahme der World Socialist Web Site "Das Morden in Gaza: Eine Warnung an die internationale Arbeiterklasse" verteilten. SEP-Aktivisten stießen auf eine wohlwollende Reaktion auf unsere Forderung nach dem Aufbau einer internationalen sozialistischen Bewegung für ein Ende von Kapitalismus und Krieg.

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