Perspektive

Wer ist für den Mord an James Foley verantwortlich?

Die barbarische Ermordung des amerikanischen Journalisten James Foley durch Mitglieder des Islamischen Staates im Irak und Syrien (Isis) hat in der arbeitenden Bevölkerung der USA und der ganzen Welt ehrliche Abscheu und Wut hervorgerufen.

Foley, der sich selbst als Kriegsgegner bezeichnete, erklärte, er habe sich für den Beruf des Journalisten entschieden, um die Folgen des Krieges für die Bevölkerung von Ländern wie Syrien, Libyen und dem Irak zu enthüllen. Es gab zahlreiche Bekundungen der Trauer über seinen Verlust, und Bewunderung sowohl für seine Arbeit als Journalist als auch für seine Wärme und seine Großzügigkeit als Mensch.

Die Isis rechtfertigte seine Enthauptung, die auf Video festgehalten wurde, als Vergeltung für die amerikanischen Luftangriffe im Irak. Mit der Hinrichtung einer solchen Person für die Verbrechen der Regierung seines Landes - über die er keine Kontrolle hatte und die er, wie Millionen Amerikaner offenbar abgelehnt hat - zeigt Isis nur den Bankrott und den zutiefst reaktionären Charakter ihrer eigenen Weltsicht.

Die Politik der Isis und anderer mit Al Qaida verbündeter Gruppen orientiert sich nicht an den Wünschen der unterdrückten Massen nach Befreiung von imperialistischer Unterdrückung, sondern an den Interessen unzufriedener bürgerlicher Schichten in der arabischen und muslimischen Welt, die versuchen, religiöse Spannungen auszunutzen, um ihre eigenen Klasseninteressen durchzusetzen.

In dieser Hinsicht unterscheidet sich ihre Perspektive kaum von der des überwiegenden Teiles der amerikanischen herrschenden Oligarchie, die entschlossen ist, den Schrecken über Foleys Tod auszunutzen, um die breite Ablehnung der amerikanischen Bevölkerung gegenüber der Vorbereitung eines neuen Krieges im Nahen Osten auszuhebeln.

Einflussreiche Teile der amerikanischen Medien reagierten auf Foleys Ermordung – die mit Rache für amerikanische Morde im Irak begründet wird – ihrerseits mit lautstarken Forderungen nach entsprechender Rache in Form einer Eskalation der amerikanischen Militärintervention in der Region.

Das Wall Street Journal schrieb beispielsweise am Donnerstag in einem Leitartikel, der Grund für das Anwachsen der Isis seien "Obamas Weigerung, in Syrien zu intervenieren" und sein "völliger Abzug aus dem Irak im Jahr 2011." Es forderte den US-Präsidenten auf, "seine politische Fixierung auf die Beendigung von Bushs Kriegen" hinter sich zu lassen und zuzugeben, "dass dieses Land wieder im Irak kämpfen muss."

In einem Leitartikel der Washington Post hieß es: "Die Vereinigten Staaten haben drei Jahre lang untätig zugesehen, wie die islamistischen Extremisten ihre Kräfte in Syrien gesammelt haben. Washington wurde im Juni überrascht, als sie in den Irak eindrangen... Sie rühmen sich ihrer Feindschaft gegenüber Amerika. Amerika braucht eine echte Strategie als Reaktion."

Dieser Leitartikel wurde ergänzt durch einen primitiven Eintrag des Republikanischen Strategen Ed Rogers auf "PostPartisan," dem Blog der Zeitung, der Obama Empfehlungen gab, wie er "sinkende Umfragewerte" rückgängig machen könne.

"Machen Sie alle fertig, die mit Foleys Ermordung zu tun hatten. Es darf nicht nur um Rache gehen. Es muss auch darum gehen, der Welt zu zeigen, was den Feinden der Vereinigten Staaten blüht... In diesem Fall ist brutale Rache eine gute Politik“, schrieb Rogers.

Diese Aufrufe zu neuen amerikanischen Angriffskriegen im Nahen Osten basieren auf grotesken Lügen, die die wahren Wurzeln von Foleys Ermordung verbergen sollen.

Der Grund für den Aufstieg der Isis war nicht, dass sich der US-Imperialismus geweigert hätte einzugreifen oder in Syrien untätig zugesehen hätte. Im Gegenteil, die Obama-Regierung ließ den ehemaligen Vorwand für Interventionen fallen, einen "Krieg gegen den Terror" zu führen, und unterstützte von Islamisten angeführte Milizen in Kriegen für "Regimewechsel“, zuerst in Libyen und danach in Syrien. Das säkulare libysche Staatsoberhaupt Muammar Gaddafi wurde vor fast drei Jahren gestürzt, heute befindet sich das Land im Zusammenbruch, rivalisierende Milizen bekämpfen sich mit brutaler Gewalt, die Wirtschaft ist paralysiert, und mehr als eine Million Menschen mussten aus Angst um ihr Leben fliehen.

Um in Syrien auf ähnliche Weise ein säkulares Staatsoberhaupt zu stürzen - Präsident Baschar al-Assad - haben die USA und ihre wichtigsten Verbündeten in der Region - die Türkei, Saudi-Arabien, Katar und Kuwait - einen religiös motivierten Bürgerkrieg geschürt, in dem sich die Isis zum stärksten bewaffneten Gegner entwickelt hat, und der bereits über 100.000 Todesopfer gefordert hat. Als die Isis in Syrien wütete, gefangene Wehrpflichtige, Staatsdiener, Angehörige von religiösen Minderheiten und andere enthauptete, die ihr im Weg waren, wahrte die Obama-Regierung ein diskretes Schweigen.

Jetzt ist die gleiche Isis im Irak eingefallen, dessen gesamte soziale Infrastruktur durch jahrzehntelange Sanktionen, die "Shock and Awe"-Taktik des amerikanischen Einmarsches im Jahr 2003 und acht Jahre Besetzung zerstört wurde, während Washington im Rahmen der Politik des Teilens und Herrschens religiöse Spaltungen geschürt hat.

Der bisher groteskeste Ausdruck der Hoffnung der herrschenden Kreise, dass Foleys brutale Ermordung für einen weiteren Krieg ausgenützt werden könne, war die Rückkehr des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney in die Fernsehnachrichten, mit der Forderung, Obama solle sich "um die Krise im Irak kümmern." Cheney gab zu, dass Foleys Ermordung eine "schreckliche Entwicklung" sei und warnte vor einem neuen 11. September. "Aber eine Million Mal schlimmer, denn das steht der übrigen Welt bevor, wenn wir uns nicht um diese Krise kümmern," erklärte er.

"Eine Million mal schlimmer als Foleys Tod" wäre die beste Einschätzung für die Zahl der Leben, die durch den Krieg um Öl und imperialistische Interessen zerstört wurden, in dem Cheney eine so herausragende Rolle dabei gespielt hat, die amerikanische Bevölkerung mit Lügen über "Massenvernichtungswaffen" und ein nicht existierendes Bündnis zwischen Saddam Hussein und Al Qaida aufzuhetzen. Die Ergebnisse des Krieges sind jetzt offen für jeden sichtbar. Der Sturz von Saddam, der wie Gaddafi und Assad ein säkularer Gegner von Al Qaida war, hat die Bedingungen dafür geschaffen dass eine Abspaltung von Al Qaida ein Viertel des Landes erobern konnte.

Cheney sollte als Kriegsverbrecher hinter Gittern sitzen und nicht die Möglichkeit haben, die öffentliche Meinung mit der Behauptung zu vergiften, ein weiterer amerikanischer Krieg würde irgendwie zu Frieden und Sicherheit führen.

Wer ist letzten Endes für den Mord an James Foley verantwortlich? Hinter dem islamistischen Attentäter mit dem Schwert stehen mehr als zehn Jahre amerikanischer Militärintervention - sowohl unter Bush als auch unter Obama - durch die ganze Gesellschaften zerstört und genau diese Kräfte als Hilfstruppen in räuberischen imperialistischen Kriegen aufgebaut wurden.

Cheneys Warnung, auf dieses Verbrechen könnten noch eine Million weitere Folgen, birgt unbeabsichtigt einen wahren Kern. Die Kriegsbegeisterung, die das herrschende Establishment mit Foleys Tod hervorzurufen versucht, wird letztlich von den unlösbaren Widersprüchen des krisengeschüttelten Kapitalismus angetrieben. Der US-Imperialismus schlägt nicht nur im Nahen Osten um sich, sondern auch in Osteuropa, im asiatischen Pazifik und der ganzen Welt, um seinen wirtschaftlichen Niedergang durch militärische Stärke auszugleichen. Wenn der Imperialismus nicht von einer revolutionären Bewegung der Arbeiterklasse aufgehalten wird, wird er die Menschheit in ein weiteres weltweites Blutbad stürzen.

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