Der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy kehrt in die Politik zurück

Der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy gab am Sonntagabend zur Hauptsendezeit ein einstündiges Interview auf France2, nachdem er am Freitag in einem Facebook-Post angekündigt hatte, nach seiner Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen 2012 offiziell wieder ins politische Leben zurückzukehren.

Sarkozy malte ein krasses Bild von der politischen Krise in Frankreich und Europa. 2014, warnte er, “ist es die Krise in Frankreich, die Europa in die Katastrophe kippen lassen kann.”

Der Sieger der Wahlen von 2012, die Regierung der Sozialistischen Partei (PS) von Präsident François Hollande, ist mit einer explosiven Wut der Bevölkerung über Frankreichs wirtschaftliche Krise und die Sparmaßnahmen und Kriege der PS konfrontiert. In den Umfragen gewinnt die neofaschistische Nationale Front (FN), während Sarkozys rechte Union für eine Volksbewegung (UMP) in Skandale und Fraktionskämpfe verstrickt ist.

“Ich habe noch nie eine solche Verzweiflung, solche Wut, solche Perspektivlosigkeit gesehen”, sagte Sarkozy. Er verwies darauf, dass Frankreichs traditionelle Regierungsparteien, die PS und UMP, diskreditiert sind, und auf den Aufstieg der FN und fügte hinzu, “Ich will nicht, dass das beklagenswerte Schauspiel, das wir heute erleben, oder die totale Isolation die einzigen Perspektiven sind.”

Der Ton des Interviews spiegelt die Furcht der französischen herrschenden Klasse wider, dass die politische Situation, sowohl die internationale als auch die innerfranzösische, zusehends ihrer Kontrolle entgleiten könnte. Sarkozy wurde gefragt, ob er glaube, dass Hollande vorzeitig zurücktreten müsse – was nach der Abdankung von Charles de Gaulle im Jahr 1969, ein Jahr nach dem Generalstreik von 1968, erst das zweite Mal wäre, dass ein französischer Präsident zurücktritt.

Sarkozy antwortete: “Ich wünsche ihm natürlich, dass er seine Amtszeit beenden kann. Ich hoffe, er wird es, weil wir in einer Republik leben.” Er fügte hinzu, er fürchte, dass es zu “Gewalt” und “Wut” kommen werde.

France2 Moderator Laurent Delahousse fragte dann: “Stehen wir in Frankreich vor einem Klima des Aufstands? Könnte Frankreich zusammenbrechen und in Gewalt enden?”

Sarkozy antwortete, er mache sich Sorgen, dass die Leute nur “in Karikaturen” denken und sagte, dass er die Menschen von links und rechts zusammenbringen wolle. Er sagte: “Die Trennung zwischen links und rechts ist so fadenscheinig wie ein drei Jahrhunderte alter Teppich ”.

Delahousse fragte auch nach Frankreichs Beziehungen zu Deutschland, Europas führender Wirtschaftsmacht, das dabei ist, seine Außenpolitik erneut militärisch auszurichten und gegen das Frankreich in zwei Weltkriegen gekämpft hat. Diese Beziehungen werden immer spannungsreicher. Dabei attackieren Elemente der regierenden PS Hollandes Wirtschaftspolitik, die er zusammen mit Berlin ausgearbeitet hat. Die FN Vorsitzende Marine Le Pen fordert den französischen Rückzug aus der europäischen Währung und der Europäischen Union.

Sarkozy merkte an, dass ein Land nicht “seine Adresse ändern” kann und sagte, für Frankreich gelte, “Wir können uns Deutschland nicht aussuchen, es ist eine Tatsache. Ich halte Frankreich nicht für ein Land am Ende der Schlange. Wir müssen zusammenarbeiten. Ohne Wachstum kann die Euro-Zone nicht funktionieren. Wir müssen Wachstum schaffen.”

Trotz seiner katastrophalen Einschätzung der politischen Situation, mit der der französische Kapitalismus konfrontiert ist, machte Sarkozy auch klar, dass er für keine wesentlich andere Politik eintritt, als die der Kriege und Sparmaßnahmen aus seiner unpopulären Amtszeit 2007-2012. Auf die Frage, was er aus seiner Niederlage im Jahr 2012 für Schlussfolgerungen gezogen habe, antwortete er mit leeren Allgemeinplätzen darüber, mehr Macht zu delegieren und höflich zu reden, “um die Menschen nicht zu radikalisieren”.

Sarkozy deutete auch an, dass er weiterhin an die rechte Wählerbasis der FN appelieren werde, was ein wesentliches Merkmal seiner Präsidentschaft war. “Ich möchte diese Franzosen wieder überzeugen ... Wir haben sie enttäuscht, ich will sie noch einmal überzeugen”, sagte er und fügte hinzu, dass er die Schengen-Vereinbarungen abschaffen will, die unter 26 europäischen Ländern, darunter Deutschland und Frankreich, den freien Grenzverkehr ermöglichen. Die FN hat das Schengen-Abkommen angegriffen, weil es Einwandern, die in anderen europäischen Ländern ankommen, erlaubt, nach Frankreich zu reisen.

Wie seine Kommentare über die Vereinigung der Rechten und der bürgerlichen “Linken” deutlich machen, erwägt Sarkozy auch wieder, zu seiner Unterstützung Elemente in der PS und ihrer politischen Peripherie zu rekrutieren. Bei seinem Amtsantritt im Jahr 2007 vergab Sarkozy hochrangige Regierungsposten an PS-Funktionäre – darunter Bernard Kouchner, Eric Besson, Martin Hirsch und Fadela Amara.

Sarkozys Rückkehr in das öffentliche Leben offenbart den Bankrott des französischen politischen Establishments. Trotz der Diskreditierung der PS und ihrer pseudolinken Unterstützer bleibt Sarkozy eine zutiefst unpopuläre Figur. Gegen seine Rückkehr in die Politik wenden sich nach jüngsten Umfragen 63 Prozent der Bevölkerung. Dennoch unterstützen mächtige Teile des französischen Establishments, der Finanzindustrie und der politischen Elite ihn in der Hoffnung, die UMP zu stabilisieren und eine Präsidentschaftskandidatur für 2017 vorzubereiten.

Die Hauptverantwortung dafür liegt bei der reaktionären Politik der PS und ihrer pseudolinken Unterstützer, wie der Linksfront und der Neuen Antikapitalistische Partei (NPA). Sie unterstützten die Wahl von Hollande, der auf der Grundlage einer lauen Kritik an Sarkozy an die Macht kam und dann sogar noch größere Kriege und drakonischere Sparmaßnahmen als sein Vorgänger anschob. Mit der im Vergleich zu Sarkozy noch größeren Unbeliebtheit Hollandes haben sie die Voraussetzungen für Sarkozy geschaffen, sich als Mann der Vorsehung zu gerieren, der bereit ist zurückzukehren, um Frankreich zu retten.

Die NPA reagierte auf Sarkozys Ankündigung mit einem kurzen und zynischen Kommentar mit dem Titel “Kommt Sarkozy zurück? Nicht nötig, seine Politik ist immer noch hier”. Darin hieß es: “Sarkozy startet seine Unterstützungskampagne. Er verkündet seine Rückkehr. Aber warum? Im Jahr 2012 wurde seine verheerende Politik abgelehnt und er musste gehen. Leider hat er uns mit seiner Politik, seinem Programm, das Hollande und [derzeitige Ministerpräsident Manuel] Valls sich schnell zu eigen gemacht haben, zurückgelassen.”

Der Zynismus dieses Kommentars ist atemberaubend. Die PS hat in der Tat Sarkozys Politik übernommen und sie weiter nach rechts geschoben, und sie tat das, mit der Unterstützung der NPA. Der Präsidentschaftskandidat der NPA von 2012, Philippe Poutou, rief beim zweiten Wahlgang dazu auf, Hollande zu wählen: “Am 6. Mai werden wir uns denjenigen anschließen, die eine zweite Amtszeit von Nicolas Sarkozy verhindern wollen. Wir sprechen deutlich aus, dass wir Sarkozy und seine ganze Bande fortjagen müssen, indem wir gegen ihn stimmen.”

Während Sarkozy davon profitiert, dass seine Gegner in der bürgerlichen “Linken” politisch korrupt und bankrott sind, steht seine Rückkehr immer noch vor erheblichen Hindernissen, darunter vor allem die zahlreichen Gerichtsverfahren gegen ihn und die UMP. Zu diesen gehören:

• Der Bygmalion Skandal: UMP Führer Jean-François Copé musste zurücktreten, nachdem Beweise aufgetaucht waren, dass die UMP 2012 in betrügerischer Absicht die Hälfte der Rechnungen von Sarkozys Wahlkampf bezahlte, so dass Sarkozy behaupten konnte, die Kosten seiner Kampagne seien

• Der Bettencourt/Azibert Skandal: Abhörprotokolle von Sarkozys Gesprächen lieferten Hinweise darauf, dass er einen hochrangigen Richter, Gilbert Azibert, bestochen hat und ihm für Insider-Informationen über die Untersuchung, ob Sarkozy unkorrekte Wahlkampffinanzierungsmittel von der Milliardärin Liliane Bettencourt erhalten hat, eine Beförderung angeboten hat.

• Der Lagarde-Tapie-Skandal: Sarkozy wird verdächtigt, Druck auf seine Wirtschaftsministerin Christine Lagarde ausgeübt zu haben, in einem Fall einen Freund Sarkozys, Bernard Tapie, zu begünstigen, was dazu führte, dass für den Verkauf von Tapies Unternehmens, Adidas, durch die LCL Bank eine Abfindung von 405 Millionen Euro gezahlt wurde.

• Der Gaddafi-Skandal: Sarkozy wird verdächtigt, vom libyschen Präsidenten Muammar al-Gaddafi fünfzig Millionen für seinen erfolgreichen Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2007 erhalten zu haben, bevor er sich 2011 im NATO-Krieg in Libyen, der zur Gaddafis Ermordung führte, gegen ihn wandte.

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