Regierung beschließt „Lex Edathy“

Die Bundesregierung hat letzte Woche ein Paket aus mehreren Gesetzesänderungen zur Verschärfung des Sexualstrafrechts beschlossen. Federführend war dabei Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD).

Begründet wird die Maßnahme vor allem mit europarechtlichen Vorgaben und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen. Den Hintergrund bildet die Hexenjagd gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy. Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses hatte Anfang des Jahres seine Ämter niedergelegt, nachdem ihm der Besitz jugend- bzw. kinderpornographischen Materials vorgeworfen worden war.

Edathy hatte bestritten, dass von ihm bezogenes Bild- und Filmmaterial illegal gewesen sei. Obwohl Gegenteiliges bis heute nicht rechtskräftig erwiesen ist, hatte die Staatsanwaltschaft Hannover die Vorwürfe gegen Edathy publik gemacht und damit seine Karriere und seinen Ruf zerstört. Auch die SPD hatte ihr Mitglied öffentlich denunziert.

Mit den von der Bundesregierung angestrebten Gesetzesverschärfungen soll es künftig noch sehr viel weitergehende Möglichkeiten geben, gegen Personen zu ermitteln und sie als kriminelle Sexualtäter zu brandmarken.

So soll künftig mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft werden können, „wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, oder unbefugt eine Bildaufnahme von einer unbekleideten anderen Person herstellt oder überträgt.“

Dies sind zwei Straftatbestände, die zutiefst undemokratisch sind und überdies mit dem von Maas angeführten Wohl von Kindern und Jugendlichen nichts zu tun haben.

„Dem Ansehen einer Person schaden“ ist eine derart dehnbare Formulierung, dass damit die Dokumentation von tatsächlichem Fehlverhalten kriminalisiert werden kann. Entlarvende Aufnahmen von korruptem oder demagogischem Verhalten von Politikern oder Schnappschüsse brutaler Übergriffen von Polizisten können künftig als Straftaten verfolgt werden.

Unbefugt kann eine Bildaufnahme von einer unbekleideten Person schon dann sein, wenn von dieser oder ihren Erziehungsberechtigten keine nachweisbare Erlaubnis vorliegt. Aufnahmen von Kindern am Strand oder im Planschbecken bringen die Gefahr polizeilicher Verfolgung und Ermittlung, wenn darauf auch fremde oder die Kinder anderer Familien unbekleidet zu sehen sind.

Bei einigen Rechtsexperten stießen die Regelungen auf Ablehnung, wie Legal Tribune Online berichtete. Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Prof. Dr. Wolfgang Ewer etwa, sprach von einer „unverhältnismäßigen Vorverlagerung der Strafbarkeit, wenn schon das Fotografieren im privaten Raum ohne strafbare Absicht unter Strafandrohung gestellt werden soll.“

Die Strafrechtlerin Prof. Dr. Monika Frommel sagte, Maas’ Vorhaben sei in diesem Punkt „von amerikanischer Prüderie inspiriert“ und stehe „hinsichtlich der Wahrung rechtsstaatlicher Garantien wie des Bestimmtheitsgebots [die Verpflichtung, Eingriffe in Grundrechte präzise zu formulieren] auf dem Niveau der 1950er Jahre“. An eine neutrale Handlung wie das Fotografieren eines nackten Menschen in nicht-sexueller Pose anzuknüpfen, hält sie für „evident verfassungswidrig“.

Der Direktor des Instituts für Medienstrafrecht in Köln, Prof. Marco Gercke, kritisierte: „Der gewählte Wortlaut ist aber sehr weit… Man braucht nicht übermäßig viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie etwa Prominente gegen unvorteilhafte Aufnahmen vorgehen könnten, weil sie finden, dass diese ihrem Ansehen erheblich schaden. Das ist, wenn es eine wirksame journalistische Berichterstattung behindert, generell bedenklich. Und es ist doppelt bedenklich, die Herstellung solcher Bilder mit den scharfen Mitteln des Strafrechts zu unterbinden.“

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung atmet in der Tat den Geist der 1950er Jahre und sogar des 19. Jahrhunderts, als restriktive Sexualgesetze benutzt wurden, um politisch unliebsame Personen juristisch zu verfolgen. Vieles deutet darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen Edathys Rolle im NSU-Untersuchungsausschuss und seinem abrupten Fall gab. Nun legt der sozialdemokratische Justizminister ein Gesetz vor, dass solcher Willkür Tür und Tor öffnet.

Die SPD bricht damit nicht nur mit der Liberalisierung des Sexualstrafrechts, für die sie in den 1970er Jahren noch eingetreten war. Sie macht sich auch zum Vorreiter einer Staatsaufrüstung zu Lasten demokratischer Rechte.

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