Daimler plant Abbau von 1.000 Arbeitsplätzen in Düsseldorf

Der Daimler-Konzern hat angekündigt, dass im Düsseldorfer Mercedes-Werk mit dem Abbau von mindestens 1.000 Stellen zu rechnen sei, wenn die Produktion 2018 auf das neue Modell des Transportes Sprinter umgestellt wird.

Mit rund 6.500 Arbeitsplätzen ist das Düsseldorfer Mercedes-Werk das größte Transporterwerk des Stuttgarter Automobil-Konzerns und einer der größten Arbeitgeber der Stadt. Es wurde 1962 eröffnet, im selben Jahr wie das Bochumer Opel-Werk, das Ende dieses Jahres stillgelegt wird. Seit Anfang 2006 wird in Düsseldorf der Sprinter produziert. Zurzeit verlassen täglich mehr als 600 Fahrzeuge die Werkshallen, rund 150.000 im Jahr. Seit Jahren ist der Sprinter Marktführer unter den Kleintransportern in Deutschland.

Nun sollen Teile der Produktion in die USA oder nach Mexiko oder Kanada, mit denen eine Zollunion besteht, verlagert werden. Die USA sind nach Deutschland mittlerweile der zweitgrößte Absatzmarkt für die Mercedes-Sprinter. Mehr als zwölf Prozent der Produktion, 23.000 Fahrzeuge, werden in die USA verkauft. Der dortige Markt wachse überproportional.

Daimler will mit der Produktionsverlagerung die Kosten, die aufgrund der Einfuhrzölle von 25 Prozent auf Nutzfahrzeuge entstehen, minimieren. Derzeit umgeht Daimler die Zölle, indem die Sprinter nach ihrer Fertigstellung in Düsseldorf wieder demontiert, als Einzelteile in die USA exportiert und dort wieder zusammengebaut werden. Das sei teuer, die Konkurrenz baue schon heute in den USA bzw. Mexiko und Kanada, erklärte eine Unternehmenssprecherin. Eine Verlagerung der Produktion würde auch eine schnellere Lieferung ermöglichen, ergänzte der Düsseldorfer Betriebsrat.

Die Unternehmensleitung kündigte an, 1.000 Stellen zu streichen, der Betriebsrat rechnet mit bis zu 1.800 Stellen. Betriebsrat und Geschäftsleitung verhandeln derzeit über den Stellenabbau, eine Vereinbarung soll Ende Oktober bekannt gegeben werden.

Der Betriebsrat hat angedeutet, dass in einem ersten Schritt die Produktion vom Dreischicht- auf den Zweischichtbetrieb umgestellt werden könnte. Dazu soll die Nachtschicht, die wegen der Nachtzulagen bei den Löhnen die teuerste ist, abgeschafft werden.

Zusätzlich zur Produktionsverlagerung endet 2016 auch die Kooperation zwischen Mercedes und VW. Aktuell produziert das Düsseldorfer Werk jährlich mehr als 40.000 Fahrzeuge des VW-Transporters Crafter. Er ist mit dem Sprinter in weiten Teilen baugleich. Als Daimler im letzten Jahr die Kooperation aufkündigte, hieß es als Begründung, man benötige die Kapazitäten – mehr als ein Viertel der Jahresproduktion in Düsseldorf – für den gut laufenden Sprinter.

Der Betriebsrat in Düsseldorf wiegelt derweil ab und versucht, die Arbeiter zu beruhigen. Daimler habe Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe angekündigt, sagte der Düsseldorfer Betriebsratsvorsitzende Thomas Weilbier. Er vertröstet die Arbeiter deshalb auf Ersatzproduktion, hat also der Verlagerung schon zugestimmt.

In den Verhandlungen mit der Unternehmensspitze geht es dem Betriebsrat lediglich um den Modus Operandi. Am Ende wird er die Streichung von 1.000 Arbeitsplätzen als „Erfolg“ preisen, gegenüber dem befürchteten Verlust von 1.800 Arbeitsplätzen, einer Zahl, die er selbst in den Raum gestellt hat. Da eine bis Ende 2016 geltende Betriebsvereinbarung betriebsbedingte Kündigungen untersagt, wird der Betriebsrat auch noch den sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau vermelden können.

Der für das Düsseldorfer Werk verantwortliche IG-Metall-Funktionär Volker Consoir wiegelt ebenfalls ab. Dem Onlineportal der WAZ-Gruppe, DerWesten.de, sagte er: „Wir haben noch nichts Offizielles gehört.“

Consoir spricht von einem „internen Konflikt“. Zwar gebe es Befürchtungen, aber Düsseldorf sei ein „sehr guter und sehr profitabler“ Standort. An Spekulationen, mehrere Hundert Arbeitsplätze könnten wegfallen, wolle er sich nicht beteiligen. „Sollte die Produktion tatsächlich vom Drei- auf einen Zwei-Schicht-Betrieb umgestellt werden, sei es jedenfalls falsch, mit dem Wegfall eines Drittels der Stellen zu rechnen“, schreibt DerWesten.de.

Wahrscheinlich werden die Düsseldorfer IGM- und Betriebsratsvertreter auch darauf pochen, dass als Ausgleich für die verlagerte Produktion und den Wegfall des VW-Crafters das neue Sprintermodell allein in Düsseldorf gebaut wird.

Derzeit bauen auch rund 2.000 Beschäftigte in Ludwigsfelde, südlich von Berlin, etwa 40.000 Sprinter. In Düsseldorf werden die geschlossenen Kastenwagen gebaut, in Ludwigsfelde die offenen Modelle, Pritschenwagen und Fahrzeuge mit Aufbauten. Die „Ersatzproduktion“, von der Weilbier spricht, könnte die Verlagerung der Produktion von Ludwigsfelde nach Düsseldorf sein.

Die brandenburgische Landesregierung, eine Koalition aus der Linken und der SPD, treibt von ihrer Seite aus die Spaltung der Daimler-Arbeiter nach Kräften voran.

Das brandenburgische Finanzministerium unter Leitung von Christian Görke (Die Linke) hatte Daimler bereits im Juni dieses Jahres 50 Millionen Euro in Aussicht gestellt, wenn der Konzern die neue Version des Mercedes Sprinters in Ludwigsfelde baue. Ein Unternehmenssprecher kommentierte das Angebot damals mit den Worten: „Wir befinden uns in konstruktiven Gesprächen mit allen Beteiligten über die Produktion der nächsten Generation des Sprinters in Düsseldorf und Ludwigsfelde.“

SPD und Linke versprechen dem Konzern neben Geldgeschenken weitere „Standortvorteile“ in Ludwigsfelde. Diese Vorteile bestehen in schlechterer Bezahlung und längeren Arbeitszeiten. Während im Westen die 35-Stundenwoche gilt, arbeiten die Kollegen im Osten 3,5 Stunden länger und verdienen in der Regel auch weniger.

Die rot-rote Landesregierung und die IG Metall in Brandenburg stellen die Zahl von 800 neuen Arbeitsplätzen in den Raum, falls sich Daimler für Ludwigsfelde entscheidet. Mit diesem luftigen Versprechen sollen die Arbeiter eingelullt und auf weitere Zugeständnisse eingestimmt werden. Im vergangenen Jahr wurden in Ludwigsfelde trotz hervorragender Auftragslage 200 Arbeitsplätze abgebaut.

Indem die Betriebsräte und die Gewerkschaft die Arbeiter der einzelnen Standorte gegeneinander ausspielen, helfen sie dem Konzern, die Angriffe auf die Autoarbeiter durchzusetzen. Bei Opel wurde die Stilllegung des Bochumer Werks auf diese Weise durchgeführt. Bei Daimler sollen die laufenden Kosten jährlich um bis zu sechs Prozent gesenkt werden. Die Betriebsräte der einzelnen Werke sind momentan dabei, sich durch Kürzungen bei Löhnen, Pausen und Verschärfungen der Arbeitsbedingungen gegenseitig zu unterbieten.

Das gilt nicht nur für Daimler. Auch alle anderen Autohersteller, einschließlich der sogenannten Premiumhersteller Porsche, Audi und BMW, haben massive Sparprogramme angekündigt. Besonders stark betroffen sind Hersteller, die ihre Modelle vor allem in Europa absetzen.

In Bochum fallen rund 3.300 Arbeitsplätze weg, wenn am 12. Dezember der letzte Wagen das Opel-Werk verlässt. Die versprochenen Ersatzarbeitsplätze haben sich in Luft aufgelöst. 2.500 bis 3.000 der betroffenen Arbeiter haben immer noch keinen neuen Job. Sie werden gerade von Betriebsleitung und IG Metall gedrängt, bis zum 30. September ihre Aufhebungsverträge zu unterschreiben, obwohl noch nicht einmal alle Details ausgehandelt sind.

In Köln hat Ford für Oktober und November für 4.000 seiner insgesamt 17.300 Beschäftigten am Standort Kurzarbeit beantragt. Ford reagiert damit auf die sinkenden Absatzzahlen des dort gebauten Modells Fiesta.

Der Arbeitsplatzabbau der Autohersteller schlägt auch auf die Beschäftigten der Zulieferindustrie durch. In Bochum und vielen anderen Standorten droht die Schließung von Zulieferbetrieben wie Johnson Controls. Zahlreiche andere Autozulieferer reduzieren ihre Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa, um mit den Herstellern, die ihre Werke in Osteuropa, China und den USA aufbauen, mitzuziehen.

Die Automobilindustrie ist in Deutschland nach wie vor eine der wichtigsten Branchen. 2013 waren 756.000 Menschen direkt in der Autoproduktion beschäftigt. Sie setzte 360 Milliarden Euro um.

Loading