IYSSE protestiert gegen Zensur an der Humboldt-Universität

Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) haben an der Berliner Humboldt Universität eine Veranstaltung mit dem Titel „Warum wollen die deutschen Eliten wieder Krieg?“ angemeldet. Hintergrund ist eine Situation, in der die Bundesregierung, führende Politiker, die Medien und bekannte Akademiker für eine aggressivere deutsche Außenpolitik und mehr Militäreinsätze der Bundeswehr trommeln.

Die Universitätsleitung versucht eine öffentliche Debatte über dieses Thema zu verhindern und die Kritik an Mitgliedern des Lehrkörpers, die eine zentrale Rolle in der Kriegsoffensive spielen, zu unterdrücken. Sie will die Veranstaltung nur zulassen, wenn sich die IYSSE einer strengen politischen Zensur unterwerfen.

Im Schreiben des Sprechers der HU, Hans-Christoph Keller, an die IYSSE heißt es: „Diese Genehmigung ist allerdings an die Bedingung geknüpft, dass im Vorfeld, während und nach der Veranstaltung nicht erneut Mitglieder der Universität geschmäht bzw. auf Flyern, Plakaten, im Internet oder sonst irgendwie als Militaristen und Kriegstreiber beschimpft werden, wie es Mitte Juli bei einer IYSSE-Veranstaltung der Fall war. Solche Formen der Auseinandersetzung widersprechen den akademischen Grundregeln einer Universität, die Kontroversen ausschließlich wissenschaftlich austrägt. Verstöße gegen diesen Grundsatz wird die Universitätsleitung nicht dulden.“

Die IYSSE haben diesen Akt der Zensur in aller Schärfe zurückgewiesen. Wir dokumentieren hier den Brief an den Präsidenten der HU, Prof. Dr. Olbertz, und HU-Sprecher Keller im Wortlaut: 

* * *

Berlin, den 08.10.2014

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Olbertz, sehr geehrter Herr Keller,

die IYSSE-Hochschulgruppe an der HU hat am Montag, den 1. Oktober mit der ausdrücklichen Unterstützung des ReferentInnenrats der HU die Nutzung eines Raums an der Universität beantragt, um eine Veranstaltung zum Thema „Warum wollen die deutschen Eliten wieder Krieg?“ durchzuführen. In Ihrem Schreiben vom 7. Oktober knüpfen Sie die Genehmigung an völlig inakzeptable Bedingungen.

Sie schreiben: „Diese Genehmigung ist allerdings an die Bedingung geknüpft, dass im Vorfeld, während und nach der Veranstaltung nicht erneut Mitglieder der Universität geschmäht bzw. auf Flyern, Plakaten, im Internet oder sonst irgendwie als Militaristen und Kriegstreiber beschimpft werden, wie es Mitte Juli bei einer IYSSE-Veranstaltung der Fall war.“

Wir lehnen diese Bedingungen entschieden ab und werden sie unter keinen Umständen akzeptieren. Ihre Behauptungen entbehren jeder Grundlage.

Auf welcher rechtlichen Grundlage stellen Sie derartige Bedingungen, die das Recht auf Meinungsfreiheit einschränken? Im Grundgesetz (Art. 5) heißt es: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. … Eine Zensur findet nicht statt.“ Weshalb führen Sie 25 Jahre nach dem Fall der Mauer politische Zensurmaßnahmen ein?

Die IYSSE hat zu keinem Zeitpunkt Mitglieder der Universität beschimpft, geschmäht oder in irgendeiner anderen Weise persönlich attackiert. Allerdings haben wir uns kritisch mit rechten politischen Standpunkten auseinandergesetzt, die Mitglieder der Universität vertreten, und werden dies auch weiterhin tun.

Uns wurde mitgeteilt, dass Prof. Baberowski bei der Universitätsleitung vorstellig geworden sei und gegen unsere Versammlungen interveniert habe. Prof. Baberowski selbst vertritt nicht nur im Rahmen des akademischen Lehrbetriebs, sondern auch auf öffentlichen Veranstaltungen und in den Medien äußerst rechte politische Standpunkte.

So zitierte ihn Der Spiegel vom 10. Februar 2014 mit den Worten: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.“ Im selben Spiegel-Artikel verteidigte er Ernst Nolte, der sich die Rehabilitierung Hitlers zum Ziel gesetzt hat: „Nolte wurde Unrecht getan. Er hatte historisch recht“.

Auf einer Podiumsdiskussion zum Thema „Interventionsmacht Deutschland?“, die am Mittwoch letzter Woche im Deutschen Historischen Museum stattfand, plädierte Baberowski für völkerrechtswidrige Methoden des Vernichtungskriegs im Einsatz gegen nichtstaatliche Kräfte wie die afghanischen Taliban und den syrisch-irakischen Islamischen Staat. Wörtlich sagte er: „Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen, dann soll man die Finger davon lassen.“ (1)

Wir erachten es als Studierendengruppe an der Humboldt-Universität nicht nur als unser Recht, sondern als unsere Pflicht, solchen Anschauungen entgegenzutreten und sie zu verurteilen. Das widerspricht nicht den „akademischen Grundregeln einer Universität, die Kontroversen ausschließlich wissenschaftlich austrägt“, wie es in ihrem Schreiben heißt, sondern sollte deren Wesenskern bilden.

Wenn jemand gegen die demokratischen Grundregeln wissenschaftlicher Kontroversen verstößt, dann ist es Prof. Baberowski. Wir hatten Sie bereits am 22. Februar in einem Schreiben darauf aufmerksam gemacht. Prof. Baberowski hatte ein öffentliches Kolloquium des Lehrstuhls für die Geschichte Osteuropas unter falschen Angaben abgesagt, dann an einen anderen Ort verlegt und schließlich Kritiker mit Hilfe von Sicherheitskräften ausgeschlossen, um einen ernsthaften und kritischen Diskurs über die Trotzki-Biografie von Robert Service zu verhindern.

Während Prof. Baberowski jede Gelegenheit innerhalb und außerhalb des akademischen Betriebs nutzt, um seine rechten Ansichten zu verbreiten, will er Widerspruch dagegen mit administrativen Maßnahmen unterdrücken. Das erinnert an die dunkelsten Tage der deutschen Geschichte, als Kriegsgegner verfolgt und kriminalisiert wurden.

Am 3. Oktober jährte sich der 125. Geburtstag von Carl von Ossietzky. Die Zensur seiner Artikel gegen Militarismus und Krieg und seine anschließende Inhaftierung bereiteten die Machtübernahme der Nazis und den Zweiten Weltkrieg vor. Willfährige Akademiker wie Martin Heidegger und Carl Schmitt, der ab Herbst 1933 an der Friedrich-Wilhelms-Universität lehrte, spielten dabei eine wichtige Rolle.

Sie fordern die Einhaltung akademischer Grundregeln. Das erfordert, dass sich Studierende allen Versuchen der Einschüchterung und Unterdrückung der Meinungsfreiheit widersetzen und verhindern, dass die Humboldt-Universität in ein pro-militaristisches Institut, in eine Hoover Institution an der Spree, verwandelt wird.

Wir fordern Sie daher dringend auf, die Bedingungen, an die Sie die Raumvergabe geknüpft haben, unverzüglich zurückzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen,

die Hochschulgruppe der IYSSE an der HU Berlin

1) Eine Audioaufnahme der Diskussion findet sich hier. Das Zitat von Prof. Baberowski beginnt bei 20:25.

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