Von Vereinigten Staaten unterstütze Milizen begehen Kriegsverbrechen im Irak

Schiitische Milizen, die von der irakischen Regierung bewaffnet und gedeckt werden, begehen Kriegsverbrechen gegen die sunnitische Minderheit der irakischen Bevölkerung. Dies geht aus einem neuen Bericht von Amnesty International hervor. Zu diesen Verbrechen zählen zahlreiche Hinrichtungen, Folter und Freiheitsberaubung.

“Schiitische Milizen entführen und töten sunnitische männliche Zivilisten in Bagdad und im ganzen Land“, stellt der Bericht fest. „Diese Milizen, die oft von der irakischen Regierung bewaffnet und unterstützt werden, setzen ihre Operationen in Zusammenarbeit mit Regierungstruppen fort. Diese Zusammenarbeit nimmt verschiedene Ausmaße an, sie reicht von stillschweigender Übereinkunft bis hin zu koordinierten, sogar gemeinsamen Operationen. Aus diesen Gründen hält Amnesty International die Regierung des Iraks größtenteils für ernstzunehmende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, darunter für Kriegsverbrechen, die von diesen Milizen begangen werden.“

Was der Bericht hinzuzufügen versäumt, ist indessen, dass diese selben Milizen, die ethnische Säuberungen in den Gebieten um Bagdad, Samarra, Kirkuk und an weiteren Orten des Iraks ausführen, zu den einzigen Kräften zählen, die Fortschritte gegen den Islamischen Staat im Irak und in Syrien (Isis) aufzuweisen haben. Seit vergangenem Juni hat Isis knapp ein Drittel des Landes in seiner Gewalt. In wichtigen Operationen, darunter bei der Rückeroberung von Amerli, einer überwiegend von schiitischen Turkmenen bewohnten Stadt in Nordirak, haben sie gezielte Luftunterstützung vom amerikanischen Militär erhalten.

Infolge des Zusammenbruchs der von den Vereinigten Staaten ausgebildeten irakischen Armee, ist den Milizen eine dominierende Rolle zugefallen und sie agieren als hauptsächliche Bodentruppen der Bagdader Regierung sowie als ein Schlüsselfaktor im von den USA angeführten Krieg gegen Isis. Sie üben zunehmend größere Autorität aus, als die offiziellen Streitkräfte selbst.

Obwohl die Obama-Regierung den neuen Premierminister Haider al-Abadi mit dem ausdrücklichen Ziel eingesetzt hatte, in Bagdad eine integrativere Zentralregierung zu schaffen, hat die amerikanische Intervention den gärenden sektiererischen Bürgerkrieg lediglich angeheizt. Seit dem Höhepunkt der amerikanischen Okkupation in den Jahren 2006-2007 hat es nicht mehr solche sektiererischen Mordkampagnen gegeben.

Die Abadi-Regierung ist weiterhin abhängig von den Milizen, die unter ihrem Vorgänger Nouri al-Maliki walteten. „Indem die irakische Regierung den Milizen, die gewohnheitsmäßig solche abscheulichen Verbrechen begehen, ihren Segen erteilt, sanktioniert sie Kriegsverbrechen und befeuert einen gefährlichen Teufelskreis der Gewalt, der das Land in Stücke reißt,“ sagte Donatella Rovera, die Chefkrisenberaterin von Amnesty International, den Medien.

Eine aktuelle Schätzung der Vereinten Nationen weist aus, das etwa 50 Iraker pro Tag Todesopfer dieser Gewalt werden, wobei diese Zahl Angaben aus der überwiegend sunnitischen Provinz Anbar nicht beinhaltet, um welche heftigste Kämpfe geführt werden. Zu den vielen Opfern gehören auch die Getöteten, die starben, als Isis willkürlich schiitische Stadtteile Bagdads bombardierte sowie sunnitische Männer, die von den schiitischen Milizen gejagt werden.

Das Ergebnis der Abhängigkeit der Regierung von sektiererischen schiitischen Milizen bestand darin, dass große Teile der arabisch-sunnitischen Minderheit im Irak (etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung) zu einem Bündnis mit Isis getrieben wurden. Hiermit erklärt sich, warum die bewaffnete islamistische Bewegung in der Lage ist, die Kontrolle über praktisch die gesamte überwiegend sunnitische Provinz Anbar zu übernehmen.

Der Amnesty-Bericht unter dem Titel „Absolute Straflosigkeit: Die Milizenherrschaft im Irak“ setzt sich größtenteils aus erschütternden persönlichen Berichten über Entführungen, Tötungen und Folter zusammen, für die sowohl die Milizen als auch die irakischen Sicherheitskräfte verantwortlich sind, die mit den Milizen zusammenarbeiten.

Zu den Augenzeugenberichten gehören Berichte von Familienmitgliedern über entführte Männer, die schiitische Milizen bei Straßenkontrollen oder bei Razzien an Arbeitsplätzen oder in Wohnungen ergriffen. In zahlreichen Fällen erpressten die Entführer zehntausende Dollar für die Freilassung dieser Männer, töteten sie aber trotzdem sobald das Lösegeld in ihren Händen war.

Die Mutter eines Opfers, das bei einer Straßenkontrolle entführt wurde, als es zusammen mit seinem Cousin Familienmöbel von Tikrit nach Bagdad transportierte, berichtet: „Ein weißes Auto fuhr heran und stoppte in meiner Nähe. Ein Mann schrie aus dem Inneren: ‚Los! Los! Das Geld!‘ Ich fragte, wo mein Sohn sei und sie antworteten: ‚Sie werden gleich kommen, nach uns’. Sie nahmen das Geld und fuhren weiter Richtung al-Shu’la. Ich wartete über eine Stunde, aber niemand kam. Am nächsten Tag rief ein Verwandter an und sagte, dass ihre Leichen in al-Shu’la gefunden und ins Leichenschauhaus gebracht wurden. Beiden wurde in den Kopf geschossen. Er war mein einziger Sohn, jetzt habe ich nichts mehr, wofür ich leben kann.“

Im Amnesty-Dokument kommt auch ein Mitglied von Asaib Ahl al-Haq, der größten schiitischen Miliz, zu Wort. Der Milizionär, der zur Mannschaft einer Straßenkontrolle nördlich von Bagdad gehört, erklärte: „Wenn wir diese Hunde [Sunniten], die aus Tikrit herkommen, kriegen, dann exekutieren wir sie; In diesen Gebieten arbeiten sie alle mit Isis zusammen. Sie kommen nach Bagdad, um terroristische Verbrechen zu verüben. Also müssen wir sie aufhalten.“

Die beiden ermordeten Cousins waren mit ihren Familien aus Tikrit feflohen, um der Gewalt zu entkommen, die Isis in der Stadt entfesselte.

Der Bericht erwähnt auch die Massenentführungen junger Männer bei Razzien, die die schiitischen Milizen in überwiegend sunnitischen Wohnbezirken durchführten. Zu diesen zählt auch die Razzia vom 6. Juni in einem Wohnbezirk im östlichen Stadtteil von Samarra. Dort wurden 37 Männer festgenommen und ohne Formalitäten exekutiert. Anscheinend geschah dies als Reaktion auf einen kurzen Einbruch von Isis-Kämpfern in dieses Gebiet, der auf einige Unterstützung innerhalb der Bevölkerung gestoßen war.

Die Menschenrechtsorganisation klagt in ihrem Bericht außerdem die offiziellen Regierungstruppen systematischer „Folterung und anderer Misshandlungen“ an verhafteten sunnitischen Männern an. Diese werden, häufig ohne jeglichen Beweis, unter Anwendung des drakonischen irakischen Antiterrorgesetzes festgenommen, das während der amerikanischen Okkupation erlassen und seitdem zur Unterdrückung sunnitischer Opposition angewandt wurde. Lange bevor Isis im Sommer seine Offensive startete, hatte gerade die Anwendung dieses Gesetzes zu Massenprotesten und sogar zu bewaffnetem Widerstand innerhalb der sunnitischen Bevölkerung geführt.

Die US-Regierung, ihre Verbündeten und die westlichen Medien richten die größtmögliche Aufmerksamkeit auf die sektiererischen Gräueltaten, die Isis im Irak verübt, bleiben aber blind für die gleichartigen Akte, die von schiitischen Milizen begangen werden. YouTube-Videos dokumentieren Enthauptungen, Massengräber und verscharrte Leichen sunnitischer Araber.

Diese Gräueltaten bezwecken eine religiöse oder ethnische Säuberung: die Sunniten sollen aus den Gebieten vertrieben werden, die mehrheitlich von Schiiten bewohnt werden. Die Website Iraq Oil Report [Irakischer Öl-Bericht] beschreibt die Situation in der Stadt Tuz Khurmatu, etwa 55 Meilen südlich von Kirkuk, wo schiitische Milizen und kurdische Peschmerga-Kämpfer aufeinanderstießen, nachdem das Gebiet Isis entrissen worden war.

Die schiitischen Milizen haben, so der Bericht, “viele Sunniten exekutiert und andere aus ihren Wohnung vertrieben.“ Amnesty International zitiert kurdische Offizielle mit den Worten: „Schiitische Milizen plündern und brennen Häuser ab, die geflohenen sunnitischen Familien gehören, um zu verhindern, dass sie zurückkehren.“ Sie verwandeln zuvor von Sunniten bewohnte Gebiete in „Geisterstädte“. In einigen Fällen wurden Bomben vor die Türen sunnitischer Häuser gelegt.

Ähnlich lautende Mitteilungen kamen auch aus Latifiya, einer mehrheitlich sunnitisch bevölkerten Stadt nahe Bagdad, wo Human Rights Watch herausfand, dass nach einer Belagerung durch schiitische Milizen die Einwohnerzahl von 250.000 auf 50.000 Personen gesunken ist. Die Milizen führten hunderte Massentötungen durch. Die Organisation zitierte Einwohner, die sagten, dass in vielen Gebieten „die meisten Männer entweder getötet wurden oder geflohen waren.“

Am 26. September berichtete die Financial Times in einem Artikel: „Zusätzlich zu den Wassersperrungen für wichtige Bewässerungskanäle haben die schiitischen Milizen hunderte Häuser dem Erdboden gleichgemacht und den Bewohnern auszuziehen befohlen. Mehrere Leute sagten, dass die Tötungen in den beiden vergangenen Wochen nachgelassen hätten, aber vor wenigen Tagen erschienen schiitische Milizionäre auf dem Gemüsemarkt von Latifiya und nahmen 104 Personen gefangen. Sie entließen die Schiiten, hielten aber die Sunniten fest. Seitdem sind sie verschwunden.“

“Sobald man ethnische Säuberungen hat, hat man für immer Bürgerkrieg“, sagte Adnan Jenabi, ein ehemaliger irakischer Minister und sunnitischer Stammesführer, der jetzt Mitglied des irakischen Parlaments ist, der Financial Times. „Die Leute werden einander bekämpfen, bis sie alle tot sind.“

Dies ist die Wirklichkeit des so genannten “Krieges gegen den Terror“, den Washington und seine Verbündeten im Nahen Osten inszenieren. Die amerikanische Politik stachelte ein Blutbad in der gesamten Region an. Sie unterstützte schiitische sektiererische Milizen im Irak gegen Isis, während sie gleichzeitig sunnitische Sektierermilizen, und unter ihnen Isis selbst, mit Waffen und Anderem versorgte.

Die irakischen schiitischen Milizen, die jetzt faktisch als Washingtons Verbündete arbeiten, kämpften noch vor kurzem auf der anderen Seite der Grenze an der Seite der loyalen Regierungstruppen von Baschar al-Assad, zu dessen Sturz Washington fest entschlossen ist. Das einzige, was in dieser perversen Politik unverrückbar feststeht, ist, dass der US-Imperialismus bei seinem gewalttätigen Versuch, der ölreichen und strategisch hochwichtigen Region seine Herrschaft aufzuzwingen, zur Verübung von Völkermorden sowie zur umfassenden Ausweitung dieses Krieges bereit ist.

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