Deutsche Industrie fordert weitere Marktöffnung in China

Angesichts des sinkenden Exports in die Länder der Europäischen Union und des sanktionsbedingten Rückgangs des Exports nach Russland drängt die deutsche Regierung auf eine Ausweitung des Handels mit China. Dabei stehen Forderungen nach einer weiteren Marktöffnung im Mittelpunkt.

Am 10. Oktober fanden die 3. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin statt, zu denen der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang mit 14 chinesischen Ressortleitern und 130 Geschäftsleuten anreiste. Er führte Gespräche mit der Regierungsmannschaft von Bundeskanzlerin Merkel und 12 Bundesministern.

Gleichzeitig tagte das Deutsch-Chinesische Forum für wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit in Berlin, an dem etwa 500 Manager aus Industrie, Handel und Banken aus beiden Ländern teilnahmen. Einen Tag später traf die chinesische Delegation auf dem „Hamburg Summit – China meets Europe” auf über 600 Experten aus Wirtschaft, Politik und akademischen Kreisen, um über die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Regionen zu sprechen.

China ist seit dem Jahr 2009 zum drittstärksten Handelspartner Deutschlands aufgestiegen, hinter Frankreich und den Niederlanden und vor den USA und Großbritannien. Seit dem Jahr 2000 hat sich der Handel zwischen China und Deutschland verfünffacht. 2013 erreichte er ein Volumen von 141 Mrd. Euro. Im Jahr 2015 soll das Volumen um weitere 43 Prozent steigen und auf 200 Mrd. Euro wachsen. Damit könnte China zum wichtigsten Handelspartner Deutschlands werden.

Im Unterschied zu den USA, die im Jahr 2013 Waren im Wert von 122 Milliarden US-Dollar nach China exportierten, betrug das Exportvolumen von Deutschland nach China umgerechnet etwa 198 Mrd. US Dollar. Die Zahl zeigt, welche Bedeutung der Export für die deutsche Wirtschaft hat. Auch die Investitionen der deutschen Industrie in China verdoppelten sich zwischen 2009 und 2012 auf 45 Mrd. Euro.

Die Europäische Union ist der größte Handelspartner Chinas, und Deutschland spielt darin die führende Rolle. Auf dem Berliner Regierungstreffen wurden Handelsvereinbarungen im Wert von über 2,3 Milliarden Euro unterzeichnet. Dabei spielten Investitionen in der Automobilindustrie, vor allem von Volkswagen und Daimler, der Telekom sowie der Luftfahrt eine führende Rolle.

Eine Richtlinie für über 110 Kooperationsabkommen in den nächsten 5 bis 10 Jahren wurde im Bereich von Landwirtschaft, Wissenschaft, Umweltschutz und Gesundheit unterzeichnet. „Das größte Abkommen seiner Art, das China je mit einem anderen Land unterzeichnet hat,” berichtet China Daily.

Der Leiter des chinesischen Industrie- und Wirtschaftsverbands, Li Yizhong, betonte auf dem „Hamburg-Summit“, China brauche die europäische Qualität und Technologie, während Europa den chinesischen Markt und Chinas Tempo wolle.

Der rasante Aufschwung des Handelsvolumens zwischen China und Deutschland in den Jahren 2009 bis 2011 flachte jedoch in den folgenden Jahren ab. Stimmen, die nach einer weiteren Öffnung des chinesischen Marktes für Investitionen rufen, werden deshalb lauter.

So forderten die Wirtschaftsvertreter in Berlin und Hamburg die Gleichbehandlung von europäischen Anbietern bei staatlichen Ausschreibungen. Bisher wurden oft chinesische Hersteller bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugt.

Außerdem verlangten sie die Gleichbehandlung von chinesischen und europäischen Herstellern bei der Vergabe von Lizenzen, die Öffnung bestimmter Sektoren des Dienstleistungsbereichs für europäische Anbieter, den Schutz geistiger Eigentumsrechte, den Schutz europäischer Investitionen in China und den Schutz vor Enteignungen.

Die schleppende Weltkonjunktur und das Ringen um neue Absatzmärkte bewirken einen verschärften Konkurrenzdruck zwischen den Ländern. Chinesische Firmen, die sich im vergangenen Jahrzehnt technologisch schnell entwickelt haben, treten mehr und mehr als Konkurrenten gegenüber ausländischen Wettbewerbern auf. Das Handelsklima wurde durch gegenseitige Vorwürfe stark belastet. So verhängte China Strafen gegen ausländische Autobauer wegen Preisabsprachen, und die europäische Solarindustrie klagte gegen Dumpingpreise aus China.

Chinesische Firmen, deren Besitzer mit den politischen Machthabern eng vernetzt sind, verlangen zudem bei größeren Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen einen Technologietransfer vom ausländischen Hersteller zum chinesischen Unternehmen. Dies führte in der Vergangenheit oft zur Gründung von Zweitfirmen in chinesischer Hand, die sich die Technologie zu eigen machten und mit dem Joint Venture konkurrierten.

Premier Li Keqiang schwärmte in Berlin von der Kooperation zwischen Deutschland und China, die „wie zwei ineinander greifende Zahnräder” laufe. Die wachsende Konkurrenz ist jedoch Sand im Getriebe der Zahnräder und wird diese Einschätzung zu einer Wunschvorstellung machen.

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