Perspektive

Blackwater, Folter und der US-Imperialismus

Am 22 Oktober sprach ein Geschworenengericht aus acht Frauen und vier Männern an einem Bundesgericht in Washington DC vier Blackwater-Söldner wegen ihrer Rolle in dem Massaker auf dem Nisour-Platz schuldig. Die Geschworenen sprachen einen der Söldner des Mordes schuldig, die anderen drei des Totschlags. Sie hatten in Bagdad hunderte Schuss Munition und Granaten auf irakische Zivilisten abgefeuert, bei der brutalen Operation kamen siebzehn Menschen ums Leben weitere zwanzig wurden verwundet.

Das Urteil, das sieben Jahre nach den Taten gefällt wurde, ist eine willkommene Entwicklung. Die Entscheidung der Jury entsprach nicht den Erwartungen der Medien und des politischen Establishments und drückte zweifellos den Abscheu der Geschworenen über das barbarische Vorgehen aus, das im Gerichtssaal detailliert beschrieben wurde, unter anderem in Form der Zeugenaussagen dutzender irakischer Augenzeugen und Opfer. Sie konnten selbst die brutale Realität eines Krieges sehen, der vor der amerikanischen Öffentlichkeit größtenteils verborgen wurde.

Dieses Urteil ist Ausdruck eines allgemeinen Widerstandes der Bevölkerung der USA gegenüber den Verbrechen, die das amerikanische Militär und die Legionen von privaten Söldnern verübt haben, die eingestellt wurden, um seine Operationen auf der ganzen Welt zu unterstützen.

Allerdings sind die Behauptungen von Vertretern des Justizministeriums der Obama-Regierung, das Urteil sei ein Beweis für die Bedeutung, die der Rechtsstaat für die amerikanische Bevölkerung habe, wie es einer der Oberstaatsanwälte ausdrückte, Teil einer politischen Schönfärberei und Vertuschung.

Tatsächlich ist das Vorgehen der Blackwater-Angestellten - Nicholas Slatten (des Mordes schuldig gesprochen) und Evan Liberty, Paul Slough und Dustin Heard (schuldig gesprochen des Totschlages und des Einsatzes eines Maschinengewehrs zur Durchführung eines Gewaltverbrechens) - das Ergebnis eines grundlegenderen Verbrechens: nämlich des Angriffskrieges gegen den Irak und ausufernder imperialistischer Gewalt.

In diesen Kriegen wurden zahllose Verbrechen begangen, einige davon sind ans Licht gekommen, und viele andere sind noch unbekannt. Zu den bekannten gehören

*die systematische Zerstörung von Falludscha durch US-Marines im Jahr 2004, bei der mehr als eintausend Iraker ums Leben kamen;

*das Massaker von Haditha im November 2005, bei dem eine Gruppe von US-Marines vierundzwanzig unbewaffnete Iraker ermordete, nur ein Soldat wurde wegen Pflichtverstößen verurteilt;

*die Zerstörung einer religiösen Schule in Pakistan durch CIA-Drohnen im Oktober 2006, bei der mindestens 68 Kinder ums Leben kamen;

*das Massaker an 47 Gästen einer Hochzeitsfeier in der afghanischen Provinz Nangahar im Juli 2008;

*und ein ähnlicher Massenmord in der Provinz Kandahar vier Monate später, bei dem 63 Menschen ums Leben kamen...

Die Verantwortlichen für diese Verbrechen sind noch auf freiem Fuß. Zu ihnen gehören hohe Funktionäre der Bush-Regierung (Präsident Bush selbst, der ehemalige Vizepräsident Dick Cheney, der ehemalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der ehemalige Außenminister Colin Powell und viele andere), die auf der Grundlage von offenen Lügen einen Krieg geplant und begonnen haben. Zu ihnen gehören weiter hohe Militärs und CIA-Beamte, die einen "Krieg gegen den Terror" gegen die Bevölkerung des Irak und Afghanistans geführt und Folter und Massenmorde als politische Instrumente angewandt haben. Zu ihnen gehören ferner die Anführer der Republikanischen und Demokratischen Partei, die Kriege genehmigt haben, die zum Tod von hunderttausenden Menschen geführt haben. Zu ihnen gehören außerdem führende Persönlichkeiten aus den Massenmedien, die versucht haben, die amerikanische Bevölkerung für diese Kriege zu begeistern.

Seit die Obama-Regierung 2009 ihre Arbeit aufgenommen hat, war es eines ihrer zentralen Anliegen, alle Versuche zu verhindern, den Militär- und Geheimdienstapparat für die Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, die sie begangen haben und weiterhin begehen. Der Demokratische Präsident und seine wichtigsten Berater gehören zu den nicht angeklagten Mitverschwörern.

Es ist aufschlussreich, die Entscheidung der Geschworenen zum Blackwater-Massaker mit einer Anhörung am Tag zuvor vor einem anderen Bezirksrichter in New York City zu vergleichen. Dieser Fall befasst sich mit den seit sechs Jahren andauernden Versuchen der Obama-Regierung, die Veröffentlichung von 2.100 Fotos zu verhindern, die zeigen, dass das US-Militär im Irak und in Afghanistan Folter praktiziert hat. Das Weiße Haus versucht, sämtliche Fotos aus Gründen der "nationalen Sicherheit" geheimzuhalten - mit der gleichen Erklärung wurden auch die Überwachung durch die NSA, die Zwangsernährung von Häftlingen in Guantanamo Bay und andere Verbrechen vertuscht. Richter Alvin Hellerstein hat der Regierung eine Frist bis zum 12. Dezember gesetzt, in der sie für jedes Foto spezifische Gründe angeben muss, warum das Foto nicht veröffentlicht werden kann.

Laut einem Bericht der WSWS vom 23. Oktober sollen die Folterfotos "noch verstörender sein als diejenigen, die im Jahr 2004 veröffentlicht wurden und die Misshandlung von Gefangenen in Abu Ghraib zeigten... Unter anderem zeigen sie, wie Soldaten Gewehre gegen die verhüllten Köpfe von gefesselten Gefangenen halten; wie Soldaten Häftlinge mit den Fäusten oder Gegenständen verprügeln; wie Soldaten vor Gruppen von gefesselten und fixierten Gefangenen posieren; Soldaten, die mit Leichen posieren; und in mindestens einem Fall, wie eine Soldatin einen Besenstiel auf das Rektum eines Gefangenen mit Kapuze über dem Kopf richtet."

Gleichzeitig setzt die Obama-Regierung vor Gericht ihre Bemühungen fort, die Veröffentlichung der Ergebnisse einer Untersuchungskommission des Senats zu "mittelalterlichen" Foltermethoden der CIA zu verhindern - Methoden wie das Untertauchen von Gefangenen unter Wasser, bis zum Ertrinken. Anfang des Jahres wurde der CIA nachgewiesen, dass sie Personal des Senats ausspioniert hat, das den Bericht vorbereitete. Die Obama-Regierung hat seither mit dem Spionagedienst zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass nur stark redigiertes Material veröffentlicht wird.

Wie der Menschenrechtsanwalt Scott Horton in einem Interview mit The Intercept erklärte, sieht der "Schlachtplan" von CIA-Direktor John Brennan und der Obama-Regierung vor, die Veröffentlichung des CIA-Berichts bis nach der Halbzeitwahl im November zu verschieben. Sie hoffen, dass der erwartete Sieg der Republikaner im Senat dafür sorgen wird, dass der Bericht dauerhaft begraben wird, ohne dass die Demokraten diese Drecksarbeit selbst erledigen müssen.

Der Grund, warum das Weiße Haus so entschlossen ist, die Verbrechen der Bush-Regierung zu verbergen, ist klar genug. Wie Paul Faulkner es formulierte: "Die Vergangenheit ist nie tot. Sie ist nicht einmal vorbei."

Folter, Drohnenmorde, Massaker, außergerichtliche Tötungen - mit diesen Methoden sichert die amerikanische herrschende Klasse weltweit ihre Interessen. Die Obama-Regierung hat die Verbrechen ihrer Vorgängerin fortgesetzt und verstärkt. Momentan eskaliert sie einen weiteren Krieg im Nahen Osten und bereitet neue, noch blutigere Verbrechen vor. In der Ukraine hat sie mit rechtsradikalen und faschistischen Söldnern zusammengearbeitet, um die Vorherrschaft der USA über Osteuropa zu sichern. Ein kürzlich von der US Army veröffentlichtes Dokument beschreibt eine Strategie für Präventivkriege in jeder Region der Welt, wobei China und Russland als potenzielle Ziele genannt werden.

Das Massaker auf dem Nissour-Platz ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel, es ist nicht das Ergebnis des Fehlverhaltens einiger "schwarzer Schafe“, sondern das organische Ergebnis der Kriminalität des amerikanischen Imperialismus. Der Gerechtigkeit wird erst genüge getan, wenn diejenigen, die für diese Politik auf den höchsten Ebenen des Militär- und Staatsapparates verantwortlich sind, sich in einer ähnlichen Lage befinden, wie die verurteilten Blackwater-Söldner.

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