Frankreich: Sozialistische Partei will Kündigungsschutz beseitigen

Der französische Premierminister Manuel Valls schlägt vor, unkündbare Arbeitsverträge (CDI, contrat à duré inderterminé) abzuschaffen, da er den Schutz von Arbeitsplätzen für schädlich für die Wettbewerbsfähigkeit französischer Unternehmen hält. Die herrschende Sozialistische Partei (PS) versucht damit, Beschränkungen aufzuheben, die seit dem Zweiten Weltkrieg in Kraft sind und Unternehmen daran hindern, Arbeiter nach Belieben einzustellen und zu entlassen.

Letzten Donnerstag schlug Valls in einem Interview mit der Zeitschrift Le Nouvel Observateur vor, die CDI mit den kurzfristigen Arbeitsverträgen (CDD) zu einem einzigen Vertragssystem zu verbinden. Er erklärte: "Die Funktionsweise des Arbeitsmarktes ist unbefriedigend, schafft nicht genug Arbeitsplätze und eine große Ungleichheit zwischen stark geschützten CDI-Beschäftigten und sehr prekären Beschäftigungsverhältnissen mit CDD-Verträgen und anderen kurzfrisitigen Stellen."

Er fügte hinzu: "Die Unternehmen wollen wegen der hohen Kosten, die die Entlassung von Beschäftigten nach sich zieht, nicht einstellen, vor allem wegen der großen juristischen Unsicherheiten dabei."

Valls geheuchelte Sorge um Beschäftigte in CDD-Verträgen ist ein plumper Betrugsversuch. Die PS bereitet sich darauf vor, die relative Arbeitsplatzsicherheit zu zerstören, die mehrere Millionen französischer Arbeiter mit CDI-Verträgen genießen. Ihr Endziel ist die Schaffung einer Belegschaft, die sich ständig von Entlassung bedroht sieht und deshalb alle Lohnkürzungen und Streichungen von Zusatzleistungen hinnimmt, die die Unternehmen fordern, um ihre Stellung auf dem Weltmarkt zu verbessern.

Laut der staatlichen Statistikbehörde DARES, die Beschäftigungsdaten sammelt, sind derzeit 15,4 Millionen Arbeiter in Frankreich mit CDI-Verträgen eingestellt.

Valls berief sich auf Vorschläge des französischen Wirtschaftsnobelpreisträgers Jean Tirole, der das französische Arbeitsrechtssystem kritisiert hatte und ebenfalls die Zusammenlegung von CDI- und CDD-Verträgen fordert. Tirole erklärte dem Radiosender Europe1: "Die Unternehmen haben große Angst vor der Schaffung von CDI-Verträgen. Sie haben keine Flexibilität, wenn es Probleme gibt. Deshalb setzen sie auf CDD-Verträge und Praktika. Jugendliche wandern von einer Stelle zur anderen, und auch in die Arbeitslosigkeit."

Am letzten Freitag kritisierte auch der Gouverneur der Bank von Frankreich, Thierry Noyer, den CDI-Vertrag als "zu streng" und forderte, Arbeitgeber sollten das Recht haben, Arbeiter nach Belieben zu entlassen. Firmen dürften nicht "in einer Situation sein, in der sie im Falle eines Abschwungs oder einer wirtschaftlichen Überraschung behindert und zur Insolvenz verdammt sind; wir müssen ihnen etwas mehr Spielraum geben," erklärte er.

Obwohl die Regierung in der letzten Zeit eine Reihe von wirtschaftsfreundlichen Arbeitsmarktreformen durchgesetzt hat, sehen Banken und das Großkapital den Arbeitsplatzschutz in Frankreich noch immer als viel zu stark an und fordern die PS auf, ihre Angriffe auf den Kündigungsschutz der Arbeiter zu verschärfen. Letzten Monat behauptete der Arbeitgeberverband Medef, Präsident Francois Hollandes "Verantwortungspakt," der 50 Milliarden Euro Sozialkürzungen und eine Senkung der Körperschaftssteuern um 40 Milliarden Euro vorsieht, reiche nicht aus, um die Wettbewerbsfähigkeit stark genug zu erhöhen. Er forderte ein "ergänzendes Projekt."

Der harte Sparkurs und die Strukturreformen der PS zeigen, dass die bürgerliche "Linke" in Frankreich in der völligen Auflösung begriffen ist. Während bei den diversen Bankenrettungen hunderte Milliarden Euro verteilt wurden, behauptet die PS, für die Arbeiterklasse sei kein Geld da und betreibt eine rechte Politik, von der nur eine winzige Wirtschaftselite profitiert. Angesichts eines zunehmenden weltweiten Wirtschaftsabschwungs droht durch diese Politik eine soziale Katastrophe In der nächsten großen Krise droht einer Welle von Massenentlassungen und Lohnsenkungen in ganz Frankreich

Valls hatte sich vor seiner Forderung nach der Abschaffung der CDI mehrfach damit gerühmt, seine Regierung sei "unternehmensfreundlich."

Vor kurzem hatte er erklärt: "Wir müssen die veraltete Linke erledigen, die der Nostalgie nach einer lange toten Vergangenheit anhängt, von marxistischen Übertreibungen und den Erinnerungen an die Trente Glorieuses [die "dreißig glorreichen Jahre] heimgesucht werden," womit er den Wirtschaftsboom in Frankreich von 1945-1975, nach der Befreiung von der deutschen Besatzung meinte. "Die einzige Frage, die es sich jetzt zu stellen lohnt, ist die, wie man die Modernität dazu benutzt, die Emanzipierung des Individuums zu beschleunigen."

Der Medef-Vorsitzende Pierre Gattaz erklärte rundheraus: "Das Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell, das wir von der Befreiung und den Trente Glorieuses geerbt haben, ist tot." Er forderte die "Neuerfindung des Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells."

Diese Aussagen unterstreichen den reaktionären, arbeiterfeindlichen Charakter von pseudolinken Gruppen wie der Neuen Antikapitalistische Partei und der stalinistischen Kommunistischen Partei Frankreichs, die Hollande in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl 2012 unterstützt hatten. Obwohl in der Arbeiterklasse die Wut und der Widerstand zunehmen, unterstützen sie weiterhin die PS und die Gewerkschaftsbürokratie, obwohl sie etwas hohle Kritik an ihrer unternehmensfreundlichen Politik äußern.

Durch ihre Unterstützung für Angriffe auf Arbeiter und ihre Rolle beim Abwürgen von Streiks ähnelt ihre Rolle eher der von Funktionären, die die Arbeitsmarktgesetze entworfen haben, die ab 1941 unter dem Vichy-Kollaborationsregime galten, als den Funktionären, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Reformen umgesetzt hatten.

In den letzten Jahren haben alle Regierungen die Rechte der Arbeiter ausgehöhlt - Arbeiter wurden mit kurzfristigen Verträgen eingestellt, es wurde mehr Flexibilität durchgesetzt, außerdem längere Probezeiten, bevor Unternehmen entscheiden mussten, ob sie Arbeitern CDI-Verträge geben oder sie entlassen. Darüber hinaus wurden Renten und Arbeitslosengeld gekürzt.

Ein Ergebnis dieser unternehmensfreundlichen Reformen ist, dass in den letzten Jahren nur wenige Arbeiter CDI-Verträge erhalten haben. Laut Le Monde bietet "die große Mehrheit der Stellenangebote nur kurzfristige Verträge an: 2012 waren 49 Prozent CDD, 43 Prozent waren andere kurzfristige Verträge, nur neun Prozent waren CDI."

Die Arbeiterklasse kann gegen diese Angriffe auf die Sicherheit der Arbeitsplätze nur unabhängig von den Gewerkschaften und den pseudolinken Parteien kämpfen, die sie unterstützen. Der PS selbst ist ziemlich klar, dass sie sich darauf verlassen kann, dass die Gewerkschaften diese neue wirtschaftsfreundliche Politik unterstützen werden.

Valls erklärte, er vertraue darauf, dass die "Sozialpartner“, d.h., die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände Arbeitsreformen umsetzen werden. Er erklärte: "Sozialer Dialog ist für diese Präsidentschaft sehr wichtig. Es gibt eine Krise der zwischengeschalteten Stellen. ... Daher müssen wir sie respektieren und unterstützen, damit die Sozialpartner in der Lage sind, fortzuschreiten."

Die Gewerkschaften reagierten auf Valls Vorschlag, die CDIs abzuschaffen, mit zynischer Kritik und dem Versuch, ihre Unterstützung für die Maßnahmen der PS herunterzuspielen. Der Vorsitzende des stalinistischen Gewerkschaftsbundes Confédération générale du travail (CGT), Thierry Lepaon, erklärte: "Das würde das Ende der dauerhaften Arbeitsverträge bedeuten; die Zukunft der CDI ist fraglich... Die Arbeitgeber nutzen das Gesetz mutwillig aus, um den Arbeitsmarkt und vor allem die Lebens-, Arbeits- und Lohnbedingungen zu deregulieren."

Lepaon gab zu, dass immer mehr Unternehmen wegen der jüngsten Reformen des Arbeitsrechts Beschäftigte in Kurzzeitverträgen einstellen und forderte, die Regulierung kurzfristiger Verträge zu stärken.

Was für ein zynischer Betrug! Die Gewerkschaften haben diese Gesetze unterzeichnet und Hand in Hand mit der PS und ihren rechten Vorgängerregierungen zusammengearbeitet, um die sozialen Rechte der Arbeiter zu unterwandern. Wenn sie auf Valls' jüngste Vorschläge mit der Forderung nach einer Stärkung der CDD-Verträge reagieren, dann weil sie bereit sind, den Angriff auf die CDI durchgehen zu lassen.

Letztes Jahr hat die PS-Regierung eine wirtschaftsfreundliche Arbeitsrechtsreform eingeführt, die von den Gewerkschaften und den Arbeitgebern unterzeichnet wurde, und die den Schutz der Beschäftigten gegen willkürliche Lohnsenkungen, längere Arbeitszeiten und Entlassungen weiter einschränkt. Die arbeitsrechtlichen Maßnahmen umfassten eine "Beschäftigungssicherheitspolitik" wie in Deutschland, die es Firmen erlaubt, im Falle eines wirtschaftlichen Abschwungs Arbeitszeiten und Löhne zu kürzen.

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