Russischer Dirigent Gergiev vom Saar-Festival ausgesperrt

Der international renommierte Dirigent Valerij Gergiev ist von den saarländischen Musikfestspielen im kommenden Jahr ausgeschlossen worden, weil er Russe ist und den russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstützt.

Obwohl Gergiev am Tag zuvor das gleiche Konzert in Paris leitet, soll er am 10. März 2015 das Konzert mit den Münchner Philharmonikern im Saarland nicht dirigieren. Wie die Online-Ausgabe von Bild am 9. November meldete, begründete dies Festival-Intendant Robert Leonardy mit dem Widerstand der polnischen Botschaft.

Laut Bild.de sagte Leonardy: „Wir bekamen einen klaren Hinweis aus der polnischen Botschaft in Berlin, dass Gergiev nicht gewünscht sei. ... Es gehe wirklich nicht, dass ein Russe und noch dazu bekennender Putin-Freund bei einem Polen-Festival auftrete.“

Themenschwerpunkt des Festivals, das von Februar bis Juli 2015 stattfindet, ist Polen. Schirmherren sind der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie der ehemalige polnische Premierminister Donald Tusk. Letzterer soll gedroht haben, die Schirmherrschaft zu entziehen, falls Gergiev auftritt. Das Konzert in Saarbrücken soll nun von dem polnischen Dirigenten Michal Nesterowicz geleitet werden.

Valerij Gergiev leitet seit vielen Jahren das Orchester des St. Petersburger Mariinsky-Theaters und ist unter anderem für seine Schostakowitsch- und Tschaikowski-Interpretationen berühmt. Zugleich ist er designierter Dirigent der Münchner Philharmoniker ab der Saison 2015/2016. Da der bisherige Chefdirigent Lorin Maazel Ende Oktober starb, sollte Gergiev bereits die Tournee des Münchner Spitzenorchesters im März 2015 bestreiten, in dem das Cellokonzert von Antonín Dvořák mit der Solistin Sol Gabetta gegeben wird.

Intendant Robert Leonardy, selbst ein herausragender Pianist, versuchte seine Äußerungen am 10. November zu entschärfen. In einem Gespräch mit BR Klassik sagte er: „Ausgeladen haben wir ihn nie, weil wir ihn auch nicht eingeladen haben.“ Er habe nach dem Tod von Maazel aus München die Information erhalten, dass „selbstverständlich versucht“ werde, Gergiev zu engagieren. Dies habe er dem polnischen Botschafter in Berlin mitgeteilt. Der könne dies „natürlich nicht gutheißen“. Im Nachhinein habe sich aber herausgestellt, dass Gergiev „sowieso nicht diese Tournee ganz dirigieren konnte“.

Die Münchner Philharmonie gab am selben Tag eine ähnlich lautende Presseerklärung heraus, in der es heißt, Gergiev habe in St. Petersburg „anderweitige Verpflichtungen“. Für das Pariser Konzert wurden Gergievs Verpflichtungen allerdings problemlos geändert.

Der Ausschluss des russischen Stardirigenten vom Saar-Festival hat die Kampagne wieder aufflammen lassen, die seit Ende letzten Jahres von den Medien und den Grünen geführt wird, um den Antritt Gergievs als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker im nächsten Jahr zu verhindern.

Peter Jungblut von BR Klassik kommentierte am 11. November die Aussperrung Gergievs hämisch: „Die Münchener Philharmoniker wollten mit ihm international glänzen, hofften auf prestigeträchtige Tourneen und entsprechende Einnahmen. Daraus wird wohl nichts ... Als Botschafter der liberalen Musikstadt München ist er eine völlige Fehlbesetzung, unabhängig von seinem künstlerischen Profil.“

Der langjährige Radiomoderator schwenkt damit in die Kampagne vom Frühjahr und Sommer ein. Ausgangspunkt waren Äußerungen von Gergiev zum Homophobie-Gesetz der Putin-Regierung, das er in einem Presseinterview in Schutz nahm, sowie vor allem seine Unterschrift unter einen Brief von 300 Künstlern zur Unterstützung der russischen Krimpolitik. Die Grünen-Fraktion im Münchner Stadtrat organisierte Proteste vor seinen Konzerten und forderte Berufsverbot für den Dirigenten.

Nach einem Gespräch zwischen Kulturreferatsleiter Hans-Georg Küppers und Gergiev, in dem Küppers ihn zur Distanzierung von Putin aufforderte, wandte sich Gergiev im Mai mit einem offenen Brief an die Münchner Konzertabonnenten. Darin bedauert er die Gräben zwischen Ost und West, die die Ukraine-Krise aufgerissen habe, bezeichnet die Musik “als besten Brückenbauer“ und wirbt dafür, den Dialog niemals abreißen zu lassen. Dennoch wurde die gehässige Kampagne in den Medien fortgesetzt.

So veröffentlichte die Süddeutsche Zeitungam 2. Juni einen langen Artikel von Rainer Erlinger mit den Titel „Ich bin doch nur ein Musiker“. Der promovierte Mediziner und Jurist betätigt sich in der Öffentlichkeit seit langem als Spezialist für Moral und Gewissensfragen. Er denunziert Gergievs Bitte um Toleranz und wirft ihm eine „vorsichtig ausgedrückt, zurückhaltende Einstellung zur Freiheit“ vor. Dann breitet er sich über die Freiheit von Andersdenkenden aus – er meint Homosexuelle, nicht aber russische Musiker – und ihren Wunsch nach „alternativer Lebensführung“, die in Russland unterdrückt werde. Ihre „Freiheit der Lebensformen“ stehe der Meinungsfreiheit gegenüber, resümiert er mit Blick auf Gergiev.

Tatsächlich ist die Zensur Gergievs ein Angriff auf das Recht freier Meinungsäußerung, eine Diskriminierung von Personen aufgrund ihrer Herkunft und eine Beschränkung der Freiheit der Kunst. Sie erinnert an die düstersten Kapitel der deutschen Geschichte. Ein international anerkannter Künstler darf nicht auftreten, weil er die falsche Staatsbürgerschaft und die falschen politischen Ansichten hat. In den 30er Jahren wurden Dirigenten, Schauspieler und andere Künstler entlassen, weil sie Juden waren oder eine jüdische Mutter oder Großmutter hatten. Heute heißt es „Russen unerwünscht“ – zumindest diejenigen Russen, die Gegner des Putschs in der Ukraine und der Angriffe auf Russland sind.

Wie oft in solchen Fällen dient die Genderpolitik der Grünen und anderer Vertreter des gehobenen akademischen Milieus der Untergrabung grundlegender demokratischer Rechte, die letzlich auch die Rechte von Homosexuellen betreffen. Sie stehen nicht nur an der Spitze der Hetzkampagne gegen Russland, sondern fordern auch Diskriminierung und Gesinnungskontrolle im eigenen Land.

Die Aussperrung Gergievs von den Musikfestspielen im Saarland ist eine Warnung. Der deutsche Außenminister Steinmeier und der ehemalige polnische Premierminister Tusk sind nicht zufällig Schirmherren der Veranstaltung. Die Kriegshetze der Bundesregierung gegen Russland, bei der sie eng mit der polnischen Regierung zusammenarbeitet, wirkt sich zunehmend auch auf andere gesellschaftliche Bereiche aus. Ernsthafte Intellektuelle, Journalisten und Künstler müssen den Versuchen, Kultur und Kunst der Kriegspropaganda zu unterwerfen, entschieden entgegentreten.

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