Interview mit Tatjana Smilga-Polujan

Iwar Tenissowitsch Smilga (1892-1937), der Vater von Tatjana Smilga-Polujan, war einer der führenden Bolschewiki während der Oktoberrevolution 1917. Er war den Bolschewiki im Alter von 14 Jahren beigetreten und gehörte bereits 1917 zu den engsten Vertrauten Lenins. Im Alter von nur 24 Jahren wurde er 1917 ins Zentralkomitee der Partei gewählt.

Iwar T. Smilga

Während des Bürgerkriegs gehörte Smilga neben so herausragenden Militärführern wie Trotzki, Tuchatschewski und Primakow der Führung der Roten Armee an. Später wurde er zum Vize-Präsidenten des Obersten Rats für Volkswirtschaft und des Gosplan ernannt. Von 1923 bis zu seiner Kapitulation vor Stalin 1930 war Smilga einer der wichtigsten Figuren in der Linken Opposition.

Smilga wurde 1935 verhaftet und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Im Januar 1937 wurde er unmittelbar vor dem Beginn des Zweiten Moskauer Prozesses zurück nach Moskau gebracht. Trotz schwerer Folter verweigerte er ein Geständnis und Falschaussagen gegen andere. Dadurch ersparte er sich die öffentliche Erniedrigung in einem Schauprozess. Am 10. Januar 1937 wurde er erschossen. Erst 1987, ein halbes Jahrhundert später, wurde Smilga rehabilitiert.

Tatjana Smilga-Polujan

Seine Tochter Tatjana wurde 1919 geboren und starb im September 2014. Sie stammt aus einer bemerkenswerten Familie, deren revolutionäre Tradition mehrere Generationen umspannt. Neben ihren Eltern hatten auch alle ihre Onkel und Tanten an der Revolution und dem darauffolgenden Bürgerkrieg teilgenommen. Von dieser Generation von Revolutionären haben nur ein Onkel und eine Tante von Tatjana die Säuberungen überlebt. Trotz ihres hohen Alters bewahrte Tatjana Smilga-Polujan bis zum Ende ein unbestechliches Gedächtnis. Das folgende Interview basiert auf Gesprächen, die die WSWS in den Jahren 2012-2014 mit ihr geführt hat.

Können Sie bitte von Ihren Kindheitserinnerungen an Mitglieder der Linken Opposition erzählen?

Es fällt mir sehr schwer, über all das zu reden. Ich habe schon viel darüber gesprochen. Vor allem während der Perestroika habe ich unzählige Interviews für das Fernsehen und für Zeitungen aus der ganzen Welt gegeben. Und es hat nichts geändert. Über die Geschichte wird heute genauso gelogen wie zuvor. Nicht nur junge Menschen, auch Leute im Alter von fünfzig, sechzig Jahren, haben nicht die geringste Ahnung von der Geschichte; sie haben oft nicht einmal von der Linken Opposition gehört.

Es gibt ein Buch von Abramowitsch, darin wird mein Vater sehr gut und mit großer Wärme beschrieben. [1] Ich könnte ihn nicht besser beschreiben. Abramowitsch war oft bei uns zu Hause und kannte meine gesamte Familie. Es ist das beste Buch über die Linke Opposition, das ich kenne. Schade, dass es nicht übersetzt wurde, das wäre wichtig.

Aber ich kann mich noch sehr gut an alles erinnern.

Nikolai Muralow

Unser Haus war für jedermann offen gewesen und wir hatten viele Gäste. Trotzki und seine Frau besuchten uns häufig, auch Preobraschenski [2], Karl Radek [3], Kamenew, Sinowjew [4], Laschewitsch [5], mit dem mein Vater seit dem Bürgerkrieg befreundet war, Muralow [6] und viele andere.

Du willst sicher mehr über Trotzki hören. Ich habe immer betont – und werde es auch jetzt betonen -, dass er Kindern gegenüber sehr aufmerksam war. Er und seine Frau kamen regelmäßig zu mir und meiner Schwester Natascha ins Zimmer und brachten uns Bücher und andere interessante Dinge mit.

Leo Trotzki

Einmal ist meine Schwester Natascha, die als Kind sehr jungenhaft war, zu unserem Vater ins Arbeitszimmer gegangen, wo Trotzki auf dem Sofa saß und mit unserem Vater diskutierte. Sie sagte zu ihm in einem sehr befehlsmäßigen Ton: „Steh auf, du!“ – sie sagte „du“, nicht „Sie“. Er lachte und fragte „Warum soll ich denn aufstehen?“ Sie wiederholte: „Man sagt Dir, dass du aufstehen sollst!“ Da ist Trotzki lachend aufgestanden und sie sagte zärtlich: „Ich will Dir zeigen, wie ich Purzelbäume mache“ -- und sie schlug ein paar Purzelbäume auf dem Sofa.

Er und Karl Radek spielten immer mit uns. Mit Radek haben wir auf dem Korridor oft Fangen gespielt. Er liebte Kinder auch sehr. Kamenew und Sinowjew hingegen haben uns überhaupt keine Beachtung geschenkt. Sie sind zwar auch zu uns gekommen, aber nur um unsere Eltern, nicht uns Kinder zu sehen. Das hat uns natürlich nicht gefallen, und wir haben sie nicht gemocht. Ich erinnere mich auch noch gut an Muralow. Er beachtete uns auch nicht, aber dafür beachtete ich ihn. Er war ein Riese, und ich malte ihn oft und stellte mir dabei vor, er sei ein reicher Baron aus den Bergen.

Ich verstehe nicht viel von der Linken Opposition. Ich habe kein klares Verständnis ihrer Politik, obwohl mir bewusst ist, dass sie herausragende Denker waren. Was ich aber betonen möchte ist, dass es sehr umgängliche Menschen waren; sie waren sehr zärtlich gegenüber Kindern.

Ich habe sehr schöne Erinnerungen an meine Kindheit. Wir hatten eine sehr gute Familie. Die Beziehung zwischen meinen Eltern war sehr harmonisch, das konnte ich spüren. Mein Vater verbrachte viel Zeit mit uns – natürlich weniger als meine Mutter, aber so viel er eben konnte.

Meine Eltern waren mit vielen Wissenschaftlern und Künstlern befreundet. Ein Freund meines Vaters war Leonid Konstantinowitsch Ramsin [7]. Er wurde während des ersten Ingenieursprozesses verhaftet, dann aber wieder freigelassen. Er war einer der „alten Professoren“. Als mein Vater Chef des Gosplans war, sprach er wegen Ramsin mit Lenin und sie [die Sowjetregierung] richteten ihm dann [1921] das Thermische Wärmeinstitut der Sowjetunion ein.

Ein besonders guter Freund meiner Eltern war der Schauspieler Nikolaj Chmeljow [8]. Er hörte auf, uns zu besuchen, als die Säuberungen begannen. Er ging persönlich zu meiner Mutter, um sich dafür zu entschuldigen. Meine Mutter sagte ihm: „Wir verstehen das vollkommen.“

Ein anderer guter Freund war der Arzt Alexei Andrejewitsch Samkow [9]. Er erfand das erste Hormonpräparat (Grawidan) und war mit der berühmten Bildhauerin [Wera] Muchina verheiratet [10]. Er besuchte uns fast jeden Tag und half meinem Vater 1929 bei der Operation.

Mein Vater war auch sehr eng mit Bersin-Reingold befreundet, der dieses Foto auf unserer Datscha geschossen hat [11]. Die beiden kannten sich aus dem Bürgerkrieg. Er wurde dann natürlich später auch erschossen.

Können Sie bitte mehr von ihrem Vater, Iwar Smilga, erzählen?

Iwar Smilga, Michail Tuchatschewski und Grigori Ordschonikidse während des Bürgerkriegs

Während der Oktoberrevolution und dem Bürgerkrieg spielte Smilga natürlich eine wichtige Rolle. Er war ein führender Bolschewik während der Revolution und anschließend Militärbefehlshaber an der Südfront.

Er wurde im Jahr 1927 aus der Partei ausgeschlossen, weil er ein Mitglied der Linken Opposition war. Das war sehr schwer für ihn – aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen zu werden, der er als Junge von 14 Jahren beigetreten war.

Im Juni 1927 wurde er ins Exil geschickt. Der Jaroslawski-Bahnhof in Moskau war mit Menschen überfüllt, als er vom NKWD in einen Zug nach Minusinsk in Sibirien gesetzt wurde. Trotzki war auch dort. Meine Schwester Natascha, die damals fünf Jahre alt war, klammerte sich an seine Knie und er strich ihr übers Haar.

Iwar Smilga im Exil 1928

Im Sommer 1928 besuchten wir – meine Mutter, meine Schwester und ich – meinen Vater in Minusinsk. Wir brauchten neun Tage, um dorthin zu kommen, und wir konnten nicht lange bleiben. Wegen der schlechten Bedingungen dort wurden meine Schwester und ich bald krank. Also brachte uns meine Mutter zurück nach Moskau. Doch kaum waren wir angekommen, bekam sie die Nachricht, dass mein Vater schwer an Blinddarmentzündung erkrankt war. Er durfte nach Moskau zurückkehren und wurde 1929 im Kreml operiert. Kurz nachdem er wieder gesund geworden war, schrieben er, Radek und Preobraschenski einen Brief, in dem sie ihren Bruch mit der Opposition erklärten.

Wissen Sie, warum er kapituliert hat?

Nein, das weiß ich nicht.

Wissen Sie, welche Beziehungen er zu Karl Radek hatte?

Ich weiß nicht, welche politische Beziehung Radek und mein Vater hatten. Ich könnte Dir nicht sagen, warum er gemeinsam mit Radek und Preobraschenskij kapituliert hat. Aber ich erinnere mich, dass Radek in den späten 1920ern nach Tomsk in die Verbannung geschickt wurde. Das war eine sehr angenehme Stadt. Dagegen wurde mein Vater in den Fernen Osten geschickt. Vor dem Auseinanderbrechen der Opposition gab es ein Treffen in Tomsk mit allen Oppositionellen. Wir hatten ein Foto davon, aber bei einer Hausdurchsuchung hat der NKVD es mitgenommen. Ich habe es nicht mehr geschafft, meine Eltern zu fragen, worum es bei dem Treffen ging.

Radek hat 1933 einen Artikel für die Iswestija geschrieben, in dem er Stalin in den Himmel lobte. Danach hat sich ihr Verhältnis natürlich verändert. Meine Mutter hat sehr schlecht über ihn gesprochen. Nach der Verhaftung meines Vaters hatte sie sich an ihn gewandt und um Hilfe gebeten, aber er hat sie sehr kühl empfangen. In den 1920ern, als sie beide [Radek und Smilga] noch in der Opposition waren, ist er oft bei uns zu Hause gewesen. Radek ist später nicht erschossen worden, aber er kam offenbar in irgendeinem Lager um.

Abramowitsch schreibt in seinem Buch, dass Smilga 1932 seine oppositionelle Tätigkeit wieder aufnahm.

Tatjana (rechts) und ihre Schwester Natascha (links) mit ihrer Mutter im Jahr 1935. Sie sandten dieses Foto an Iwar Smilga, der sich zu dieser Zeit im politischen Gefängnis („Politisolator“) befand.

Das kann ich nicht bestätigen. Es ist möglich. Jedenfalls glaube ich, dass er und viele andere damals dachten, dass die Opposition letztlich doch Recht gehabt hatte. Aber es kam niemand mehr zu uns nach Hause, und es gab es keinerlei Gespräche über diese Frage. Vielleicht traf er sich mit Genossen und diskutierte mit ihnen, ich weiß nicht. Aber unser Haus war am Ende leer, und er saß nur noch alleine lesend in seinem Arbeitszimmer.

Im Jahr 1933 wurde er nach Taschkent geschickt, um für den Zentralasiatischen Gosplan zu arbeiten, 1934 kehrte er zurück. Nach seiner Rückkehr wurde er nirgends mehr zur Arbeit zugelassen, außer beim Academia Verlag. Er hatte ernsthafte Differenzen mit der Partei über wirtschaftspolitische Fragen.

Dieser Verlag war übrigens ausgezeichnet. Er veröffentlichte wunderschöne Ausgaben, von Dantes Göttlicher Komödie bis hin zu Romanen aus dem 19. Jahrhundert.

Mein Vater redigierte dort die Erinnerungen von Eckermann an Goethe und schrieb Vorworte zum Lob der Torheit von Erasmus von Rotterdam, den Erinnerungen von Saint-Simon, Pamphleten von [Jean-Paul] Marat, dem Briefwechsel zwischen Pjotr Kropotkin und seinem Bruder Aleksander, sowie [Charles Dickens‘] Die Pickwickier. Wenn er abends nach Hause kam, erzählte er uns immer, woran er gerade arbeitete; er hatte sich schon immer sehr für Literatur und Musik interessiert. Der Chefredakteur dieser Serie im Verlag war übrigens Lew Borissowitsch Kamenew, der natürlich auch erschossen wurde [12].

Am 1. Dezember 1934 wurde Kirow ermordet. Wir erfuhren davon einen Tag später, am Geburtstag meines Vaters. Wir waren alle geschockt. Es war schrecklich. Mein Vater hatte gerade erst Stalin gebeten, ihm eine Arbeit am Institut für Weltliteratur zu geben, aber Stalin hatte selbstverständlich abgelehnt. Genau einen Monat später haben sie meinen Vater abgeholt. Zwei Jahre verbrachte er im Verchneuralsk politisolator [einem politischen Gefängnis] im Ural. Dort saßen alle Alten Bolschewiki.

Nach der Verhaftung meines Vaters verlor meine Mutter ihre Stelle als wissenschaftliche Sekretärin bei der Kleinen Sowjetischen Enzyklopädie; sie wurde aus der Partei ausgeschlossen, und um überleben zu können, haben wir begonnen, alles [von Wert] in unserem Haus zu verkaufen, wie die Armbanduhr meines Vaters und andere Sachen.

Im Gefängnis lernte mein Vater Französisch, las Corneille und andere bedeutende französische Schriftsteller. In einem Brief versprach er mir, dass wir gemeinsam französische Literatur übersetzen würden, sobald er zurückkehrte. Ich hatte seit meiner Kindheit eine große Vorliebe für die französische Literatur, vor allem für Balzac. Aber er kam niemals zurück.

Nachdem er 1934 von allen politischen Ämtern entfernt worden war, wollte er sich aus der Politik zurückziehen und ganz der Literatur widmen. Er war ja noch jung. Er war erst 44, als er am 10. Januar 1937 erschossen wurde. Er wurde im Keller des Gebäudes des Militärkollegiums [des Obersten Gerichtshofes der UdSSR] in der Nikolskaja Straße [Nr. 23 in Moskau] erschossen. Dort ist bis heute kein Museum errichtet worden. Oligarchen wollen da nun ein Restaurant bauen. [13]

Weißt Du, wie wir erfuhren, dass er tot war? Wir hatten ihm immer Geld ins Gefängnis geschickt, aber eines Tages nahmen sie das Geld nicht mehr an.

So erfuhren wir auch vom Tod meiner Mutter, Nadeschda Wasiljewna Polujan. [14] Wir hatten ihr ein Paket mit Kleidung geschickt; das wurde zurückgeschickt mit der Auskunft, dass der Adressat woanders hin gebracht worden sei. Sie wurde am 4. November 1937 umgebracht. Sie wurde 1895 geboren, also ist sie im Alter von 42 Jahren gestorben.

Nikolai Emeljanov

Man hat sie in Karelien [eine ehemalige Republik in der UdSSR, heute zwischen Finnland und Russland geteilt] erschossen. Es war eine Massenhinrichtung; über 1000 Menschen wurden an diesem Tag ermordet. Meine Mutter wurde gemeinsam mit zwei ihrer Freundinnen erschossen. Eine war die Frau des Linken Oppositionellen Wujowitsch. [15] Die andere war Nina Sacharowna Delibasch, deren Mann ebenfalls in der Opposition war. Sie hatte mit uns im Haus der Regierung [Dom Pravitel’stva] gelebt. Ihr Mann war im Lager und ist dort auch umgebracht worden.

Man brachte sie alle in den Wald Sandarmoch [16], zog sie aus, damit sie nicht weglaufen konnten, und erschoss sie. Das erfuhren wir aber erst während der Perestroika im Jahr 1988.

Meine Mutter war seit 1915 in der bolschewistischen Partei. Ich weiß nicht, ob sie je eine Plattform der Linken Opposition unterschrieben hat, aber ohne Zweifel teilte sie die politischen Ansichten meines Vaters. Sie hatte übrigens Lenin 1917 in Finnland im Untergrund besucht. Dort lernte sie auch den Arbeiter Emeljanow [17] kennen, der Lenin damals in einem Heuschuppen versteckte. Er wurde ebenfalls während des Terrors verhaftet. Das erfuhr ich, als wir unseren Vater im Gefängnis besuchten. Neben uns stand eine Frau, in der unsere Mutter die Ehefrau von Emeljanow erkannte. Ich erinnere mich noch, wie überrascht ich darüber war, dass der Mann, der Lenin versteckt hatte, im Gefängnis saß. Er hatte eine sehr große Familie mit sieben Kindern. Sie wurden alle verhaftet. Zwei Söhne wurden erschossen. Alle, die Lenin in Schalasch besucht hatten, wurden während des Stalin-Kultes umgebracht.

Einer seiner Söhne, Aleksander, saß gemeinsam mit Smilga im Politisolator. [18] Er schickte mir später einen Brief: „Seien Sie stolz auf Ihren Vater, er unterstützte uns alle [im Gefängnis], und erzählen Sie ihrer Tochter, was für einen Großvater sie hatte.“

Sein Sohn Nikolaj wurde im Lager bei einem Fluchtversuch getötet.

Wie viele Mitglieder aus Ihrer Familie wurden während der Säuberungen umgebracht?

Ach, es waren so viele, ich kann sie wahrscheinlich gar nicht alle aufzählen. Vier meiner fünf Onkel wurden umgebracht; zwei wurden erschossen, zwei verhungerten im Lager.

Tatjana Smilgas Schulklasse 1937 (9. Klasse). Juri Kamenew steht in der Mitte der vorletzten Reihe, mit seiner Hand in der Tasche und Blick nach links. Es ist das letzte Bild von Juri Kamenev.

Die drei Brüder meiner Mutter, Jan [19], Dmitrij [20] und Nikolai Wasiljewitsch Polujan hatten alle im Bürgerkrieg gekämpft. Ihre Ehefrauen wurden ins Lager geschickt. Pawel Smilga, der Bruder meines Vaters, verhungerte im Lager. Er war verhaftet worden, weil wir im Sommer auf seiner Datscha gewesen waren. Seine Frau wurde ins Exil geschickt. Von der Generation meiner Eltern haben nur die Schwester meines Vaters, eine Bolschewikin seit 1903, und sein Bruder Arwid überlebt, der in Litauen geblieben war und sich nie mit Politik beschäftigte.

Der Sohn von Dmitrij Polujan, Oleg [21], wurde erschossen. Wladimir, der Sohn von Pawel, fiel im Alter von 17 Jahren im 2. Weltkrieg an der Front. Jan hatte zwei Töchter: Irina, eine Ärztin, die auch an der Front fiel, und Tanja. Tanja wurde ins Lager geschickt. Meine Schwester Natascha, die zwei Jahre jünger ist als ich, wurde erst 1949 verhaftet. Sie war bis 1953 im Exil und starb 1970.

Ich war übrigens in derselben Klasse wie Juri Kamenew, dem Sohn von Lew Kamenew. Er wurde mit 17 im Sommer 1937 erschossen, als er seine Mutter im Lager besuchte. Das war in Nischnij Nowgorod, glaube ich. Als die Schule im September wieder anfing, war er nicht mehr da. Niemand wusste, wo er war. Erst während der Perestroika erfuhren wir, was mit ihm geschehen war.

Von meiner Schule sind drei weitere Jungen während der Säuberungen erschossen worden. Der Sohn von Drobnis [22], der ebenfalls in der Linken Opposition gewesen war, wurde mit 19 erschossen. [23] Die beiden anderen Jungen waren 18 [24] und 19 [25]. In diesen Jahren saßen die Eltern von fast allen Kindern im Gefängnis, viele wurden später umgebracht. Wir selbst wurden vom NKWD überwacht.

Nach der Verhaftung unserer Eltern lebten Natascha und ich mit unserer Kinderfrau zusammen. Der Schauspieler Nikolaj Chmeljow, der mit meinen Eltern befreundet gewesen war, verschaffte ihr eine Stelle bei seinem Theater-Institut, sodass sie uns durchbringen konnte.

Vordere Reihe v.l.n.r.: Nina Lomowa, Tatjana Smilga-Polujan und Tamara Manuilskaja im Jahr 1938

1938 schloss ich die Schule ab. Ich versuchte zuerst, ans Staatliche Theaterinstitut zu kommen, wurde aber nicht zugelassen. Dann versuchte ich es am Kinoinstitut, ich wollte Drehbuchautorin werden, aber auch dort nahm man mich nicht an, obwohl ich alle Prüfungen erfolgreich bestanden hatte. Am Ende wurde ich trotz großer Schwierigkeiten von der Französischen Fakultät des Pädagogischen Instituts angenommen.

Aber schon drei Monate später, am 11. Juni 1939, wurde ich mit vier Mädchen aus meiner Schulklasse, sowie einem weiteren Mädchen, auf einen Sonderbefehl Stalins hin verhaftet. Berija [26] hatte Stalin in einem Brief geschrieben, dass wir „reden“ würden. Das war vollkommener Blödsinn. Wir haben über nichts geredet, wir wollten einfach in Ruhe gelassen werden, studieren und später unsere Eltern finden. Stalin antwortete auf den Brief mit dem Befehl, uns sofort zu verhaften und zu exilieren.

Tatjana Smilga-Polujan im Exil

Diese Mädchen waren: Nina Lomowa, die Tochter von A. Lomow [27], einem Mitglied der ersten Sowjetregierung unter Lenin (er wurde natürlich auch erschossen); Nina Ruchimowitsch, deren Vater kein Oppositioneller, aber Volkskommissar (Narkom) der Verteidigungsindustrie gewesen war [28]; Natascha Krestinskaja, die Tochter von Nikolai Krestinskij, ehemals Mitglied des Politbüros und später der Linken Opposition. [29] Er wurde 1938 nach dem Dritten Moskauer Prozess erschossen. Die anderen beiden Mädchen waren Tamara Medwedewa und Tatjana Bessonowa. Man nannte uns die „Kinder vom Arbat“. [30]

Weißt Du, warum Berija diesen Brief geschrieben hatte? Man hatte von uns verlangt, uns von unseren Eltern loszusagen, aber wir haben das verweigert. Man verlangte auch von uns, andere Genossen zu denunzieren, aber auch das haben wir nicht gemacht.

Ich habe die nächsten vier Jahre und vier Monate meines Lebens im Gefängnis und Lager verbracht, weitere zehn Jahre war ich im Exil. Im Jahr 1943 wurde ich wegen einer Krankheit an den Beinen aus dem Lager entlassen, aber danach [im Exil] war es noch schlimmer. Ich hatte permanent Hunger. 1953 wurde ich freigelassen, aber dann musste ich zweieinhalb Jahre warten, bevor ich nach meiner Rehabilitation nach Moskau zurückkehren konnte, d.h. insgesamt habe ich 17 Jahre meines Lebens verloren.

Zehn Jahre lang lebte ich im Mordowskij-Lager, wo ich zuerst rund ein Jahr lang in einem Sowchos [einem staatlichen Bauernhof] gearbeitet habe. Danach begann ich als Krankenschwester in einem Sanatorium für tuberkulosekranke Kinder zu arbeiten. In diesen Jahren schloss ich auch meine höhere Ausbildung in der nahegelegenen Stadt Rjasan ab, indem ich Abendkurse besuchte. Ich nehme an, dass sie meinen Nachnamen nicht kannten, so konnte ich ungestört studieren.

Nach meiner Rückkehr nach Moskau habe ich nur Arbeit als Lehrerin gefunden. Eigentlich hatte ich Journalistin oder Redakteurin werden wollen, aber immer wenn ich zu einem Vorstellungsgespräch kam und meinen Nachnamen nannte, hieß es: „Ah Smilga – der Trotzkist. Kommen Sie doch bitte morgen wieder“. Und am nächsten Tag war die Stelle schon vergeben.

Wir „Kinder vom Arbat“ wurden erst 1988 vollständig rehabilitiert. Als wir zuerst rehabilitiert wurden, hieß es in unserer Akte, unsere Schuld könne „nicht bewiesen werden“. Ich habe als einzige gegen diese Art von „Rehabilitation“ protestiert. Ich habe mich durchgesetzt, und am Ende sind wir rehabilitiert und als unschuldig anerkannt worden.

Ich erzähle das alles, um Dir einen Eindruck davon zu geben, was Stalin angerichtet hat. So etwas kann man nicht vergessen.

Fußnoten:

(1) Tatjana Smilga-Polujan meint die Memoiren von Isai Lwowitsch Abramowitsch (1900-1985), einem jungen Mitglied der Linken Opposition in den 1920er Jahren. Er war ein Student von Smilga und kapitulierte gemeinsam mit seinem Lehrer 1929. Abramowitsch überlebte die Säuberungen im Lager und schrieb später seine Erinnerungen, „Memoiren und Ansichten“ [Vspominanija i vsgljady]. Das Buch wurde 2004 posthum von seiner Tochter veröffentlicht und gehört zu den wichtigsten historischen Dokumenten zur Geschichte der Linken Opposition. [zurück]

(2) Jewgeni Alexejewitsch Preobraschenski (1886-1937), Bolschewik seit 1903, war ein hochrangiges Parteimitglied unter Lenin und später einer der führenden Wirtschaftstheoretiker der Linken Opposition. Er kapitulierte 1929 und wurde im Juli 1937 nach dem Zweiten Moskauer Prozess erschossen. Preobraschenski wurde 1988 rehabilitiert. [zurück]

(3) Karl Radek (1885-1939), spielte über mehrere Jahrzehnte eine wichtige Rolle in der kommunistischen Bewegung in Polen, Deutschland und Russland. Er war ein führendes Mitglied der Komintern in den 1920er Jahren und Mitglied der Linken Opposition. Scharfe Differenzen zwischen ihm und Trotzki kamen 1926 und 1927 über die Chinesische Revolution auf. Radek wandte sich gegen die Perspektive der Permanenten Revolution. Er kapitulierte 1929 und hatte in den folgenden Jahren verschiedene wichtige Posten in Stalins Apparat inne. Radek war einer der Hauptangeklagten beim Zweiten Moskauer Prozess 1937 und wurde 1939 im Gefängnis ermordet. Er wurde 1988 rehabilitiert. [zurück]

(4) Grigori Jewsejewitsch Sinowjew (1883-1936), ein Alter Bolschewik und ehemaliger Sekretär Lenins, Mitglied des bolschewistischen Zentralkomitees und später des Politbüros, Vorsitzender der Komintern 1919-1926. Gemeinsam mit Kamenew war Sinowjew 1917 gegen den Aufstand im Oktober. Im innerparteilichen Kampf der 1920er Jahre stellten er und Kamenew sich anfangs auf die Seite Stalins. Sie unterstützten die Theorie des „Sozialismus in einem Land“ von Stalin-Bucharin und die Kampagne gegen Trotzki und die Theorie der Permanenten Revolution. 1925 brachen er und Kamenew mit Stalin. Sinowjew begann die so genannte Sinowjew-Opposition anzuführen, die von bedeutenden Teilen des Petrograder Proletariats unterstützt wurde. Trotz bleibender politischer Differenzen vereinigten sich Trotzkis Linke Opposition und die Opposition unter Sinowjew 1926. Sinowjew und Kamenew kapitulierten kurz nach der Niederlage der Chinesischen Revolution. Sinowjew wurde 1988 rehabilitiert. [zurück]

(5) Michail Michailowitsch Laschewitsch (1884-1928), Mitglied der Russischen Sozialdemokratischen Partei seit 1901 und Bolschewik seit 1903. Er beteiligte sich an der Revolution von 1905, war einer der Führer des Oktober 1917 und später Bürgerkriegsheld. Er gehörte der Sinowjew-Opposition an, wurde 1927 aus der Partei ausgeschlossen und ein Jahr später wieder aufgenommen. Laschewitsch starb in Harbin, China, 1928. Seine Ehefrau und seine Mutter wurden während der Säuberungen umgebracht. [zurück]

(6) Nikolai Iwanowitsch Muralow (1877-1937), Bolschewik seit 1903, nahm an allen drei russischen Revolutionen teil. Er war ein legendärer Held der Revolution 1917 und des Bürgerkriegs und einer der populärsten Führer der bolschewistischen Partei. Er war Mitglied der Linken Opposition, wurde 1927 aus der Partei ausgeschlossen und 1928 exiliert. Seinen Bruch mit der Opposition gab er in zwei persönlichen Briefen an Stalin von 1935 und 1936 bekannt. Am 17. April 1936 wurde er verhaftet und schwer gefoltert. Nach der Verurteilung im Zweiten Moskauer Prozess im Januar 1937 wurde er Anfang Februar desselben Jahres erschossen. Trotzki schrieb über ihn in seiner Autobiographie: „Muralow ist ein herrlicher Riese, dessen Furchtlosigkeit durch eine großmütige Güte ausgeglichen wird“ (Leo Trotzki: Mein Leben, Berlin 1990, S. 283). Muralows Ehefrau, Anna Semjonowna und ihre gemeinsame Tochter verbrachten viele Jahre ihres Lebens im Exil. Sein Bruder, Alexander Iwanowitsch, ebenfalls ein führender Bolschewik, starb im Oktober 1937 im Gefängnis. Sein Sohn und seine Schwester kamen 1943 in den Lagern um. Muralow wurde 1986 rehabilitiert. [zurück]

(7) Leonid Konstantinowitsch Ramsin (1887-1948) war ein bedeutender russisch-sowjetischer Ingenieur. Er war Direktor des Wärmetechnischen Instituts der Sowjetunion von 1921 bis 1930. Im Jahr 1930 wurde er im „Prozess gegen die Industriepartei“ fälschlicherweise beschuldigt, sich an einer geheimen anti-sowjetischen Ingenieursorganisation beteiligt zu haben. Die ursprünglich verhängte Todesstrafe wurde in eine zehnjährige Haftstrafe umgewandelt. Er setzte seine Arbeit als Ingenieur für die Sowjetregierung fort und arbeitete in der ersten Scharaschka, einem geheimen Labor, das Teil des Gulag-Systems war. Er wurde 1936 vorzeitig freigelassen und bekleidete später angesehene Posten in akademischen Institutionen in Moskau bis zu seinem Tod 1948. [zurück]

(8) Nikolaj Pawlowitsch Chemljow (1901-1945) war einer der bekanntesten sowjetischen Schauspieler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Von 1937 bis 1944 war er Direktor des Tschechow-Kunsttheaters Moskau. [zurück]

(9) Alexei Andrejewitsch Samkow (1883-1942) war ein sowjetischer Arzt und Biologe. Er entwickelte das erste Hormonpräparat, Grawidan, das in der Sowjetunion der 1930er Jahre sehr populär war. Zu seinen Patienten zählten unter anderem die deutsche Revolutionärin Clara Zektin, der sowjetische Schriftsteller Maxim Gorki sowie die beiden führenden stalinistischen Parteifunktionäre Molotow und Kalinin. Nach den beginnenden Repressionen gegen seine Arbeit 1938 wurde er krank und starb 1942. [zurück]

(10) Wera Ignatjewna Muchina (1889-1953) war eine berühmte sowjetische Bildhauerin. Sie erhielt zahlreiche Stalin-Preise in den 1940er und frühen 1950er Jahren. Zu ihren Werken gehören mehrere bekannte sowjetische Denkmäler, die im Stil des „sozialistischen Realismus“ gehalten sind. [zurück]

(11) Reingold Josifowitsch Bersin (1888-1938) war ein lettischer Revolutionär. Er trat der Russischen Sozialdemokratischen Partei im Jahr 1905 bei und kämpfte nach der Russischen Revolution im Bürgerkrieg. Anschließend hatte von 1927 bis 1937 verschiedene führende Posten in der Militärindustrie der RSFSR inne. Er wurde 1937 verhaftet und 1938 erschossen. Seine Rehabilitation erfolgte im Jahr 1955. [zurück]

(12) Lew Borissowitsch Kamenew (1883-1936), seit 1901 in der Russischen Sozialdemokratischen Partei und seit 1903 Bolschewik. Er und Sinowjew gehörten zu jenen im Zentralkomitee der Bolschewiki, die gegen die Oktoberrevolution waren. Gemeinsam mit Stalin und Sinowjew bildete er die berüchtigte „Troika“ von 1923 bis 1925, die eine Schmutzkampagne gegen Trotzki und die Theorie der Permanenten Revolution initiierte. Ab 1925 gehörte er zur Sinowjew-Opposition, die sich bald mit der Linken Opposition zur „Vereinigten Linken Opposition“ vereinte. Er kapitulierte gemeinsam mit Sinowjew nach der Niederlage der Chinesischen Revolution 1927. Wie die meisten ehemaligen Oppositionellen bekam er anschließend nur noch unbedeutende Posten in der Partei zugewiesen. Er wurde nach dem Ersten Moskauer Prozess 1936 erschossen. Seine beiden Söhne wurden während der Säuberungen umgebracht. Kamenew war der Schwager von Leo Trotzki. Er wurde 1988 rehabilitiert. [zurück]

(13) Das Militärische Kollegium des Obersten Gerichtshofes der UdSSR spielte in der Durchführung des Großen Terrors 1936-1938 eine entscheidende Rolle. Zwischen dem 1. Oktober 1936 und September 1938 wurden von ihm nicht weniger als 38.955 Menschen zur Hinrichtung durch Erschießung verurteilt. In diesem Zeitraum residierte das Militärische Kollegium in der Nikolskaja uliza Nr. 23. In diesem Gebäude wurden auch die berüchtigten Moskauer Prozesse abgehalten und einige der bekanntesten Opfer des Terrors erschossen,darunter Lew Kamenew, Grigorij Sinowjew, Nikolaj Bucharin, Marschall Michail Tuchatschewskij, der sowjetische Schriftsteller Boris Pilnjak sowie der Theaterregisseur Wsewolod Meyerhold. Die russische Regierung weigerte sich in den 1990er Jahren, hier ein Museum einzurichten und verkaufte das Gebäude an die Bank of Moscow. Seit 2011 gehört das Gebäude dem Ölunternehmen Sibneftegaz. [zurück]

(14) Nadjeschda Wasiljewna Polujan (1895-1937), Bolschewikin seit 1915, wurde während der Säuberungen 1937 umgebracht und 1987 rehabilitiert. [zurück]

(15) Woyislav (Woja) Wujowitsch (1897-1936) war ein bekannter jugoslawischer Kommunist aus Serbien. Er trat der Serbischen Sozialdemokratischen Partei 1912 im Alter von 15 Jahren und den russischen Bolschewiki im Mai 1918 bei. Er organisierte illegale kommunistische Jugendorganisationen in Frankreich, Österreich, Italien und der Schweiz und war der Vorsitzender der Kommunistischen Jugendinternationale nach ihrem Zweiten Kongress 1921. Seit dem Fünften Kongress der Komintern im Jahr 1925 war er Mitglied des Exekutivkomitees (EKKI). 1926 trat er der Opposition Sinowjews bei. 1927 wurde er aus der Partei ausgeschlossen und nach Archangelsk und Saratow ins Exil geschickt. Er kapitulierte und wurde 1930 wieder in die Partei aufgenommen. Im Jahr 1933 wurde er verhaftet; 1936 wurde er erschossen. Seine Rehabilitation erfolgte im Jahr 1959. Seine beiden Brüder, Radomir und Grgur, sind ebenfalls im stalinistischen Terror ums Leben gekommen. [zurück]

(16) Der Wald Sandarmoch in Karelien war ein berüchtigter Schauplatz von Massenhinrichtungen während des Großen Terrors. Über 9.500 Menschen aus 58 verschiedenen Ländern wurden hier in den Jahren 1937-38 erschossen. Die Schauplätze der Massenerschießungen wurden erst 1997 entdeckt. Zwischen dem 27. Oktober und dem 4. November 1937, dem Tag an dem Nadjeschda Polujan erschossen wurde, wurden 1.111 Menschen, unter ihnen Künstler, Politiker und Wissenschaftler, umgebracht. [zurück]

(17) Nikolai Aleksandrowitsch Emeljanow (1871-1958), Bolschewik seit 1904. Er versteckte Lenin und Sinowjew, die nach dem gescheiterten Juliaufstand 1917 aus Petrograd fliehen mussten, in seinem Heuschuppen in Finnland. Emeljanow nahm teil an der Eroberung des Winterpalasts im Oktober 1917 und kämpfte im Bürgerkrieg. Während der 1920er Jahre hatte er wichtige Verwaltungsposten in der Sowjetwirtschaft inne. 1927 unterschrieb er die Plattform der Linken Opposition. Er wurde 1932 verhaftet und zu zehn Jahren Exil in Kasachstan verurteilt. Seine Frau wurde ebenfalls 1932 verhaftet. Ihre sieben Kinder wurden alle 1934 verhaftet; zwei ihrer drei Söhne wurden 1937 erschossen. Nikolai Emeljanow wurde 1956 nach dem Tod Stalins frei gelassen und rehabilitiert. [zurück]

(18) Aleksander Nikolajewitsch Emeljanow (1899-1982) trat der bolschewistischen Partei 1917 bei. Er half seinem Vater, Lenin und Sinowjew in ihrem Haus in Finnland zu verstecken, nahm am Oktoberaufstand in Petrograd teil und kämpfte später in der Roten Armee während des Bürgerkrieges. Er unterzeichnete die Plattform der Vereinigten Linken Opposition von 1927. Er wurde 1934 vom NKWD verhaftet und 1938 wieder frei gelassen. Während des Zweiten Weltkrieges kämpfte er in den Reihen der Roten Armee gegen die Nazis. Im Jahr 1949 wurde er abermals verhaftet; 1954 wurde er freigelassen. Im Jahr 1957 wurde er rehabilitiert und wieder in die Partei aufgenommen. Er starb 1982. [zurück]

(19) Jan Wasiljewitsch Polujan (1891-1937), Bolschewik seit 1912, spielte im Bürgerkrieg eine wichtige Rolle an der Südfront und wurde später Mitglied der Sowjetregierung. Er wurde 1937 erschossen und 1955 rehabilitiert. [zurück]

(20) Dmitrij Wasiljewitsch Polujan (1886-1937) war Wirtschaftsexperte und Mitglied des Komitees des NPKS (Narodnij kommissariat putei soobschtschenii), dem sowjetischen Transportministerium. Er wurde am 31. Juli 1937 verurteilt und erschossen. Er wurde 1957 rehabilitiert. [zurück]

(21) Oleg Dmitrijewitsch Polujan (1912-1938) war der Vize-Präsident des Volkskommissariats für Transport des Sowjetischen Transportministeriums. Er wurde im Januar 1938 verhaftet, und am 20. Februar 1939 verurteilt und erschossen. Er wurde 1986 rehabilitiert. [zurück]

(22) Jakow Naumowitsch Drobnis (1890-1937) war ein führender ukrainischer Bolschewik. Er unterzeichnete die Erklärung der 46, das Gründungsdokument der Linken Opposition, im Jahr 1923. Er wurde 1927 aus der Partei ausgeschlossen und 1930 wieder aufgenommen. 1936 wurde er verhaftet. Drobnis war einer der Hauptangeklagten im Zweiten Moskauer Prozess Anfang 1937. Kurz nach dem Prozess wurde er erschossen. Er wurde 1988 rehabilitiert. [zurück]

(23) Nikolai Jakowlewitsch Drobnis (1918-1937) war zu der Zeit Student am Luftfahrtinstitut in Moskau. Er wurde am 29. Januar 1937 verhaftet. Am 13. Juli 1937 wurde er verurteilt und erschossen. Die Anklage lautete auf die Führung einer trotzkistischen terroristischen Jugendorganisation. Er wurde 1956 rehabilitiert. [zurück]

(24) Oleg Michailowitsch Frinowskij (1922-1940) wurde mit 16 Jahren am 12. April 1939 verhaftet. Sein Vater war der Stellvertreter des ehemaligen NKWD-Chefs Nikolai Jeschow. Frinowskij wurde am 21. Januar 1940 verurteilt und am 23. Januar erschossen. Seine Mutter, Nina Stepanowsna Frinowskaja, wurde im selben Jahr erschossen. Oleg Frinowskij wurde 1966 rehabilitiert. [zurück]

(25) Wladimir Arkadjewitsch Wolkow (1919-1937), Student am Luftfahrtinstitut in Moskau. Er wurde am 13. Juli 1937 verurteilt und erschossen. Er wurde 1956 rehabilitiert. [zurück]

(26) Lawrenti Pawolowitsch Berija (1899-1953), Bolschewik seit 1917. Er stieg in der Tscheka schnell zu Führungspositionen auf und gehörte zum engsten Kreis um Stalin. Er war ein berüchtigter Henker der Moskauer Prozesse. Berija war der Chef des NKWD während des Zweiten Weltkriegs und Vize-Premier der UdSSR von 1946 bis zu seiner Verhaftung und Hinrichtung nach dem Tod Stalins 1953. [zurück]

(27) A. Lomow war das Pseudonym von Georgi Ippolitowitsch Oppokov (1888-1938), Bolschewik seit 1903. Lomow war ein Mitglied des Zentralkomitees während der Oktoberrevolution und kontrollierte später große Zweige der Sowjetwirtschaft. Er sympathisierte mit der Rechten Opposition. Lomow wurde am 28. August 1938 verhaftet, und am 4. September verurteilt und erschossen. Seine Frau wurde verhaftet und ins Exil geschickt. Sie starb kurz nach ihrer Rehabilitation 1958 an den Folgen der schweren Folter, der sie im Lager ausgesetzt gewesen war. Lomow wurde 1956 rehabilitiert. [zurück]

(28) Moisei Lwowitsch Ruchimowitsch (1889-1938), ein alter Bolschewik, der Stalin im innerparteilichen Kampf der 1920er Jahre unterstützte. Von 1924 bis zu seinem Tod war er Mitglied im Zentralkomitee. Er wurde 1937 verhaftet, am 28. Juli 1938 verurteilt und einen Tag später erschossen. Ruchimowitsch wurde 1956 rehabilitiert. [zurück]

(29) Nikolai Nikolajewitsch Krestinski (1883-1938), Bolschewik seit 1903 und Mitglied des Zentralkomitees von 1917 bis 1921. Er unterstützte lange Trotzki, bis er im April 1928 mit der Linken Opposition brach. Krestinski wurde nach dem Dritten Moskauer Prozess im März 1938 erschossen und 1956 rehabilitiert. [zurück]

(30) Der Arbat ist ein Stadtteil im Zentrum Moskaus, wo Tatjana Smilga zur Schule ging. Der sowjetische Schriftsteller Anatolij Rybakow nannte seinen berühmten Roman über den Terror „Die Kinder vom Arbat.“ [zurück]

Loading