Video aus Cleveland zeigt:

Polizist tötet Zwölfjährigen in weniger als zwei Sekunden

Die Polizei von Cleveland gab am Mittwoch ein Video von der Erschießung von Tamir Rice frei, einem zwölfjährigen Jungen, der am vergangenen Wochenende von einem Polizisten erschossen worden war. Wie das Video zweifelsfrei zeigt, erschoss der Polizist Tamir Rice innerhalb von zwei Sekunden nach seiner Ankunft in dem Park, in dem der Junge saß.

Der Polizeimord ist der jüngste in einer ganzen Reihe solcher Taten landesweit. Er ereignete sich nur zwei Tage vor der Entscheidung, Darren Wilson, den Polizisten aus Ferguson (Missouri), der den achtzehnjährigen Michael Brown am 9. August erschossen hatte, nicht anzuklagen.

Das von der Polizei in Cleveland am Mittwoch freigegebene Video widerspricht früheren Angaben der Polizei, die Polizisten hätten Rice dreimal aufgefordert, die Spielzeugpistole, die er in der Hand hielt, fallen zu lassen und die Hände zu heben. Angesichts der minimalen Zeitspanne zwischen der Ankunft der Beamten und den Todesschüssen hatten sie dazu weder genug Zeit, noch konnte der Junge die Anweisungen in der kurzen Zeit befolgen.

Die Polizei gab auch eine Audioaufnahme eines 112 Notrufs frei, der den Schüssen vorausging. Ein Anwohner meldete in dem Anruf, dass jemand, „vermutlich ein Minderjähriger“, eine Schusswaffe im Anschlag habe, die „vermutlich nicht echt“ sei.

“Das Video zeigt eines ganz klar: Die Polizisten haben schnell gehandelt“, erklärten die Eltern von Rice, Samaria Rice und Leonard Warner, in der Erklärung, mit der sie die Veröffentlichung des Videos beantragten.

“Die Nachricht von Tamirs Tod hat unsere Familie am Boden zerstört. Tamir war ein aufgeweckter Junge, der noch sein ganzes Leben vor sich hatte. (…) Alle liebten ihn. Diese Woche beginnen die Ferien. Für viele Familien hält diese Jahreszeit Liebe, Zusammensein und Freude bereit. Uns bringt sie nur Trauer über Tamirs Verlust.

Wir finden, dass die Tat des Streifenbeamten, der das Leben unseres Jungen ausgelöscht hat, öffentlich gemacht werden muss“, sagten sie. Sie forderten zu friedlichen Demonstrationen gegen die Erschießung des Jungen auf.

Wie das FBI diesen Monat berichtete, sind vergangenes Jahr 461 Menschen durch “gerechtfertigte Tötungen“ der Polizei gestorben. Das ist die höchste Zahl seit mindestens zwanzig Jahren. Im Jahr 2011 tötete die Polizei in den Vereinigten Staaten 404 Menschen; im Vergleich dazu in Deutschland sechs und in Großbritannien zwei Menschen.

Es gibt kaum Zweifel, dass man den Mörder von Tamir Rice ähnlich wie Wilson mit Samthandschuhen anfassen wird. Michael Browns Ermordung wurde in Wirklichkeit bewusst benutzt, einen Präzedenzfall für den Schutz von Killer-Cops vor Strafverfolgung zu schaffen, mit der Folge, dass die Polizei künftig noch gewalttätiger und aggressiver vorgehen wird.

In den Tagen nach der Entscheidung der stark manipulierten Grand Jury wurde Wilson von den Medien quasi als hohe Prominenz behandelt. Sie haben Wilsons von Eigeninteresse diktierte, höchst unwahrscheinliche Version des Tathergangs von Browns Erschießung im Wesentlichen geschluckt. Die Vorlage dazu lieferte George Stephanopoulos in seinem Interview mit Wilson auf ABC News.

In den Tagen vor der Entscheidung der Grand Jury sprach Wilson bei fast allen führenden TV-Moderatoren vor, um ein Exklusiv-Interview vorzubereiten. Er sprach auch Matt Lauer von NBC, Scott Pelley von CBS und Anderson Cooper und Don Lemon von CNN an.

Schließlich erhielt Stephanopoulos den Zuschlag. Der Moderator war früher Pressesprecher des Weißen Hauses unter Clinton gewesen. Stephanopoulos’ setzte in seinem Gespräch mit Wilson die Behandlung des Polizisten durch die Grand Jury und den Bezirksstaatsanwalt von St. Louis, Robert McCulloch, fort. Das heißt, Wilson wurde nicht wie ein Mann behandelt, der eines schweren Verbrechens beschuldigt wird und daher ausreichend Anlass hat, zu lügen und die Wahrheit zu verdrehen, sondern alle Aussagen Wilsons wurden für bare Münze genommen.

Wilsons Geschichte ist irgendwo zwischen höchst unwahrscheinlich und unmöglich angesiedelt. In seiner Aussage vor der Grand Jury gab Wilson an, der unbewaffnete Brown habe es irgendwie geschafft, ihn Kopf voran mit voller Gewalt anzugreifen, nachdem er schon von mindestens drei 40mm-Geschossen getroffen worden war. Der Polizist beschrieb den Jugendlichen in einer Sprache, die aus einem Comic stammen könnte. Er sagte, Brown habe „wie ein Dämon“ auf ihn gewirkt, und beschrieb seinen Konflikt mit dem scheinbar übermenschlichen Teenager, als habe sich ein Fünfjähriger [Wilson] an das Hosenbein von Hulk Hogan [Brown] geklammert.

Stephanopoulos stellte nicht ein Element dieser Geschichte in Frage. Er fragte den Killer-Cop lediglich, ob er im Nachhinein irgendetwas anders machen würde. Die Antwort Wilsons war „Nein“.

Am Donnerstag analysierte die New York Times Wilsons ABC-Interview in einem Artikel auf der ersten Seite. Sie zitierte zwei ehemalige Polizisten und einen „Experten“ der Homeland Security an der Universität von Long Island. Jeder von ihnen steuerte Ideen bei, wie Wilson sich im Kampf mit Brown hätte verhalten können. Zum Beispiel hätte er Verstärkung rufen können. Aber der Artikel zog die Möglichkeit nicht in Betracht, dass Wilsons Geschichte hätte falsch sein können. Somit wurde seine Version der Ereignisse noch einmal gestärkt.

Der Ablauf der Grand Jury selbst war ein Witz. Der Staatsanwalt erhob nicht einmal spezifische Vorwürfe gegen Wilson, um ihn anzuklagen, und schwieg sich über die Gesetze aus, die Wilson verletzt haben könnte. Als Verteidiger Wilsons waren Staatsanwälte da, die versuchten, die Masse der Indizien, die eindeutig einen Prozess gerechtfertigt hätten, kleinzureden. Wilson selbst konnte sich stundenlang auslassen, ohne von kritischen Fragen behelligt zu werden.

Das Vorgehen der Grand Jury, das mit Wilsons Entlastung endete, steht in einer Linie mit der anschließenden Behandlung des Falls durch die Medien. An keinem Punkt wurde die absurde Geschichte durch offene, kritische Nachfragen in Frage gestellt.

Die Implikationen dessen sind klar. Wenn ein Polizist erklärt, er habe Grund gehabt, tödliche Gewalt anzuwenden, dann hatte er auch das Recht dazu, und das wird nicht in Frage gestellt. Die Gerichte sprechen ihn frei und die Medien feiern ihn. Im Ergebnis wird es mehr Polizeimorde geben, wie der Mord an Tamir Rice.

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