Ägyptisches Gericht kippt die letzte Verurteilung Mubaraks

Am Dienstag kippte das oberste Gericht Ägyptens die letzte Verurteilung des ehemaligen Diktators Hosni Mubarak und ebnete damit den Weg für seine Freilassung vier Jahre nach den revolutionären Massenkämpfen der ägyptischen Arbeiterklasse, die ihn zu Fall brachten.

Mubarak war im Mai letzten Jahres wegen Veruntreuung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Seine beiden Söhne Alaa und Gamal hatten in dem gleichen Verfahren je vier Jahre erhalten. Nun hat das Gericht ihre Berufung angenommen und das Verfahren muss wieder aufgerollt werden. Nach dem Urteil stellte Mubaraks Anwalt Farid El-Deeb den Antrag, die Untersuchungshaft der drei Männer anzurechnen und Mubarak aus der Haft zu entlassen.

Momentan bleibt Mubarak noch in dem Militärkrankenhaus in Maadi, einer besseren Gegend von Kairo, wo er sich wegen seines angeblich schlechten Gesundheitszustands befindet. Es deutet aber immer mehr auf seine baldige Entlassung hin.

Ägyptische Medien berichteten, dass die Entlassung Mubaraks für den 17. Januar erwartet worden sei, selbst wenn die Verurteilung aufrechterhalten worden wäre, weil er seine Zeit inzwischen abgesessen habe. Einer Justizquelle zufolge bedeutet der jüngste Spruch, dass Mubarak in jedem Fall frei gelassen wird, da kein Fall mehr gegen ihn anhängig sei.

Im November hatte ein Gericht den Vorwurf des Staatsmordes gegen Mubarak fallen gelassen, d.h. der Tötung von 846 Menschen und der Verwundung von 6.000 Demonstranten bei den achtzehntägigen revolutionären Kämpfen Anfang 2011, die seine dreißigjährige Herrschaft beendeten.

Die Rehabilitierung Mubaraks kurz vor dem vierten Jahrestag der ägyptischen Revolution ist eine Provokation des Regimes von General Abdel Fattah al-Sisi. Das ägyptische Militär signalisiert mit Unterstützung der imperialistischen Mächte, dass es die Konterrevolution weiter vorantreiben und jeden Widerstand der Arbeiterklasse zerschlagen wird.

Seit dem Militärputsch vom 3. Juli 2013 versucht das al-Sisi-Regime das alte System mit massivem Blutvergießen wiederherzustellen. Das Militär und die Sicherheitsdienste haben mindestens 3.000 Menschen getötet, die meisten von ihnen Anhänger der Muslimbruderschaft, die den Putsch gegen den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi ablehnten. Letztes Jahr verurteilten ägyptische Gerichte insgesamt 1.397 politische Gefangene zum Tod. Weiter hat das Regime ein Gesetz verabschiedet, das unautorisierte Demonstrationen und Streiks verbietet, und eine neue Verfassung erlassen, die praktisch eine dauerhafte Militärherrschaft vorsieht.

Offiziellen Zahlen zufolge hat das al-Sisi-Regime allein in 2014 fast zehntausend Menschen eingesperrt. Menschenrechtsgruppen gehen jedoch davon aus, dass unter al-Sisi über 40.000 Menschen festgesetzt wurden, viele ohne Anklage. Folterungen durch die Sicherheitsdienste in Geheimgefängnissen, sind alltäglich.

Mubaraks Freilassung und die Freisprechung von seinen Verbrechen beleuchten die reaktionäre Rolle des gesamten kleinbürgerlichen Milieus in Ägypten. Seine liberalen und pseudolinken Parteien sprachen sich anfänglich gegen Mubarak aus, stellten sich dann aber als Bestandteil von Organisationen wie der Nationalen Rettungsfront und Tamarod hinter al-Sisis Putsch, um der wachsenden politischen Bewegung der Arbeiterklasse gegen den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi zuvor zu kommen und sie zu unterdrücken.

Jetzt verhalten sich diese gleichen Parteien der Rehabilitierung Mubaraks gegenüber entweder gleichgültig, oder versuchen, sich noch direkter in das Regime zu integrieren, obwohl einige ihrer eigenen Mitglieder von ihm verfolgt werden.

Khaled Dawud, Sprecher der liberalen Verfassungspartei, von deren Mitgliedern aktuell zehn wegen Verstoßes gegen das Anti-Demonstrationsgesetz im Gefängnis sitzen, kommentierte: “Nach der Freilassung von Polizisten, die Demonstranten getötet haben und von Beratern Mubaraks und nach seinem Freispruch wegen der Tötung von Demonstranten, ist das keine wirklich überraschende Nachricht mehr.“ Zynisch fügte er hinzu; „Ich glaube Mubarak ist nicht mehr wirklich das Thema. Über ihn hat das ägyptische Volk vor vier Jahren sein Urteil gesprochen.“

Gleichzeitig nahm die von Mohammed ElBaradei 2012 gegründete „liberale“ Partei an einem gemeinsamen Treffen mit dem de facto Diktator al-Sisi teil. An den Parteiengesprächen am Montag und Dienstag nahmen auch Führer der liberalen Sozialdemokratischen Partei Ägyptens, die Wafd Partei, die salafistische al-Nur Partei, die Partei Freier Ägypter des Wirtschaftsmagnaten Naguib Sawiris, die Partei der Nationalen Bewegung Ahmed Schafiks, dem letzten Ministerpräsidenten unter Mubarak und die Tagammu Partei teil, ein Sammelbecken alter Nasseristen und Stalinisten.

Medienberichten zufolge erklärte al-Sisi, er favorisiere eine nationale Parteienliste für die bevorstehenden Parlamentswahlen und versprach, sie zu unterstützen, wenn sich die politischen Kräfte zusammenschlössen. Der Vorsitzende von Tagammu, Sayyed Abdel Aal, berichtete, dass al Sisi gewarnt haben, das Volk könne erneut revoltieren, wenn das nächste Parlament seinen Aufgaben nicht gerecht werde.

Hinter der Gewalt des Regimes und seiner Forderung mach “Einheit” versteckt sich die Furcht der herrschenden Elite vor einer erneuten sozialen Explosion. Nach dem Sturz Mubaraks wurden die Widersprüche nicht gelöst, die zu den Massenaufständen von 2011 führten. Im Gegenteil, Armut und Arbeitslosigkeit haben eher noch zugenommen und die Wirtschaftskrise hat die Lebensbedingungen für Millionen Arbeiter noch unerträglicher gemacht. Zu Beginn der Woche gab die Ministerin für Stadtentwicklung, Leila Iskander, zu, dass die Hälfte der Ägypter in informellen Slums leben.

Erneut bauen sich heftige Klassenspannungen unter der Oberfläche der Militärherrschaft auf. Einem Bericht des Mahrousa Forum for Researches and Public Policy Studies erlebte Ägypten im letzten Jahr 2.274 Arbeitsproteste. Im ersten Quartal 2014 gab es mit 1.420 die meisten, aber im letzten Quartal mit 318 die zweitmeisten.

Über das ganze Jahr hin gab es in der Hauptstadt Kairo die meisten Proteste (429), gefolgt von Alexandria (185) und Scharkia (150). Industriearbeiter waren die Aktivsten mit einem Viertel aller Proteste (558), gefolgt vom Öffentlichen Dienst mit 426 (19 Prozent) und dem Gesundheitssektor mit 323, dem Bildungssektor mit 137 und dem Textilsektor mit 117.

Der Bericht führte unterschiedliche Protestformen auf, darunter Streiks, Mahnwachen, Demonstrationen, Sit-ins, Hungerstreiks, Straßenblockaden, die Festsetzung von leitendem Personal, das Sammeln von Unterschriften und sogar Selbstmorde. Die häufigsten Ursachen waren sozialer und wirtschaftlicher Natur. Genannt werden die Forderung nach einem Mindestlohn, höheren Löhnen, besseren Arbeitsbedingungen, der Kampf gegen Entlassungen und Forderungen nach der Freilassung von inhaftierten Kollegen.

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