Perspektive

Imperialistischer Krieg, der "Krieg gegen den Terror" und das Ende der Demokratie

Wer von den Morden an den Mitarbeitern von Charlie Hebdo und der Ermordung von Geiseln danach schockiert ist, darf sich nicht von der pauschalisierenden Berichterstattung und den heuchlerischen Verurteilungen von "sinnlosem Bösen" die Fähigkeit zum kritischen Denken rauben lassen.

Seit dem Terroranschlag vom 7. Januar hat die französische Regierung unter Präsident Francois Hollande die Verwirrung und Desorientierung, die die Morde verursacht haben, ausgenutzt, um 10.000 Soldaten und Tausende von Polizisten zu mobilisieren. Premierminister Manuel Valls erklärte, Frankreich befinde sich im Krieg "gegen Terrorismus, Dschihadismus und den radikalen Islam." Die Schlagzeile der Le Monde vom 8. Januar lautete: "Frankreichs 11. September."

Das Abstimmungsergebnis in der französischen Nationalversammlung – 488:1 – zugunsten einer Ausweitung der französischen Luftangriffe gegen ISIS-Kräfte im Irak zeigt, dass die Terroranschläge in Paris zur Ausweitung neokolonialer Kriege im Ausland und für verstärkte Unterdrückung im Inland ausgenutzt werden.

Auf der anderen Seite des Ärmelkanals, in Großbritannien, kündigte die Regierung von Premierminister David Cameron eine weitere Ausdehnung der staatlichen Überwachung und zusätzliche Maßnahmen zur Einschränkung der freien Meinungsäußerung und des Datenschutzes an, darunter ein Verbot der Verwendung von Verschlüsselungssoftware im Internet. Im Rest Europas erheben die Regierungen ähnliche Forderungen, unter anderem nach der Wiedereinführung der innereuropäischen Grenzkontrollen.

Die Behauptung, derart einschneidende Maßnahmen seien die Reaktion auf die Ermordung von siebzehn Menschen vor einer Woche, ist unglaubwürdig. Sie wurden schon lange vor dem 7. Januar vorbereitet. Sie setzen eine ganze Reihe antidemokratischer Entscheidungen fort, die bisher schon im Namen des "Krieges gegen den Terror" getroffen wurden.

Der Sinn dieses "Krieges" ist es, innen- wie außenpolitisch die Neuaufteilung der Welt zwischen den imperialistischen Großmächten politisch zu rechtfertigen. Nach mehr als dreizehn Jahren ist klar, dass der "Krieg gegen den Terror" der Vorwand und der politische Rahmen für neuerliche koloniale Herrschaft und die Unterordnung der Völker der Welt unter die Diktate des Finanzkapitals ist.

In Afghanistan, dem Irak, Libyen, Syrien und weiteren Ländern wurden Militärinterventionen durchgeführt, um Marionettenregime an die Macht zu bringen und die Kontrolle über Öl, Gas und andere geostrategische Ressourcen zu sichern - der Preis waren Millionen Tote und unsägliches Leid. Bei diesen blutigen und von einseitigen Kräfteverhältnissen geprägten Konflikten haben die USA, Frankreich und andere imperialistische Mächte wehrlose Zivilisten bombardiert, gefoltert, gemordet und Kriegsverbrechen begangen. Ganze Länder wurden verwüstet.

Niemand kann ernsthaft glauben, dass solche Entwicklungen nicht tiefgehende Auswirkungen auf die innenpolitischen Verhältnisse haben. In einer globalisierten Weltwirtschaft, in der Bevölkerungen aus vielen Ethnien und Nationalitäten bestehen, kennt die Entrüstung über die Verbrechen des Imperialismus keine Grenzen. Das trifft besonders auf die Minderheiten- und Zuwanderergruppen zu, die am meisten unter den Angriffen auf die Lebensbedingungen der Arbeiter zu leiden haben. Millionen von ihnen sind arbeitslos und leben in verzweifelter Armut.

Zu dieser giftigen Mischung trägt bei, dass die alten sozialdemokratischen und stalinistischen Parteien zu offenen Werkzeugen des Großkapitals geworden sind, die Gewerkschaften als Helfer der Unternehmensleitungen agieren, und die diversen pseudolinken Gruppen allesamt den Sozialismus zurückweisen und imperialistische Kriege unterstützen.

Diese Kräfte haben alles in ihrer Macht Stehende getan, die Arbeiterklasse am Kampf gegen die herrschende Elite zu hindern und sie von einer fortschrittlichen sozialistischen Alternative fernzuhalten. So haben sie die Voraussetzungen geschaffen, unter denen besonders desorientierte und verzweifelte Elemente im Terrorismus einen Weg sehen können, gegen ihre soziale, politische und kulturelle Unterdrückung zu protestieren.

Die Staatsapparate in Frankreich, den USA, Großbritannien und anderen Ländern haben selbst Terroranschläge ermöglicht, um den Ausbau ihres Unterdrückungsarsenals zu rechtfertigen und ihre Ansprüche auf die Ressourcen der Welt stärker zur Geltung zu bringen.

Um diese Offensive zu legitimieren, wird Angst vor dem Islam geschürt. Charlie Hebdo hat durch seine Unterstützung für diese Kampagne seit langem eine zutiefst reaktionäre Rolle gespielt und sich als antimuslimisches Hetzblatt ausgewiesen, dessen Spezialität giftige und dumme Karikaturen waren, in denen Moslems und der Prophet Mohammed herabgewürdigt wurden. Die Zeitung hat eine Reihe von rassistischen Karikaturen veröffentlicht.

Die übelste Ausgabe erschien am 3. November 2011, nach dem unter Führung der USA bewerkstelligten Regimewechsel in Libyen, an dem sich Frankreich beteiligt hatte, mit dem Titel "Charia Hebdo," wobei Mohammed als "Gastredakteur" genannt wurde.

Die Veröffentlichung der Gedenkausgabe am Mittwoch, in der wieder eine Mohammed herabwürdigende Karikatur erschien, ist eine politische Provokation des französischen Staates, der dem Magazin fast eine Million Euro für eine Auflage von drei Millionen Exemplaren und die weltweite Verbreitung in sechzehn Sprachen gespendet hat. Google, die Guardian Media Group, Le Monde, Canal Plus, Mail International und andere Medienkonzerne haben weitere Millionen Euro gespendet. Charlie Hebdo ist nur ein Rädchen in einem viel größeren ideologischen Getriebe, das bewusst rassistische und nationalistische Stimmungen schürt. So soll der Nährboden für rechtsextreme Bewegungen geschaffen werden – für den Front National in Frankreich, Pegida in Deutschland, die UK Independence Party in Großbritannien -, die als Stoßtruppen gegen die Arbeiterklasse eingesetzt werden können.

Die wichtigste Schlussfolgerung aus der immer offeneren und immer häufigeren Anwendung von militärischen und polizeilichen Methoden und dem unablässigen Angriff auf demokratische Rechte muss die Erkenntnis sein, dass imperialistische Eroberungskriege im Ausland und die damit einhergehende Offensive gegen die Arbeiterklasse im eigenen Land mit Demokratie unvereinbar sind. In Frankreich sehen wir nur eine weiter vorangeschrittene Hinwendung zu polizeistaatlichen Herrschaftsformen.

Es wäre ein grundlegender politischer Fehler zu glauben, dass der riesige Unterdrückungsapparat, der hier aufgebaut wird, nur gegen einen Teil der Bevölkerung eingesetzt werden wird. Die Arbeiterklasse wird überall durch den Abbau von Arbeitsplätzen, die drastische Senkung von Löhnen, verschärfte Ausbeutung und die Zerstörung wichtiger Sozialleistungen in die Armut gedrängt. Die herrschende Klasse weiß nur zu gut, dass dies zu einem Ausbruch von Klassenkämpfen führen wird, und bereitet sich entsprechend vor.

Das nächste Stadium des Klassenkampfes wird von heftiger staatlicher Unterdrückung begleitet sein. Die Arbeiter müssen ihre Kämpfe mit dem Wissen organisieren, dass sie in einen revolutionären Konflikt gezogen werden - einen Kampf um die Macht.

Der Weltimperialismus hat fast ein Vierteljahrhundert lang versucht, die Auflösung der Sowjetunion und die Wiedereinführung des Kapitalismus in Russland und China auszunutzen, um, in den Worten von Präsident George Bush Sr. im Jahr 1991, eine "neue Weltordnung" zu schaffen. Bush sprach von dieser Weltordnung in Worten, die universellen Fortschritt verhießen. Über den Golfkrieg 1991 sagte er, er sei der Beginn einer Welt, in der "unterschiedliche Nationen für eine gemeinsame Sache zusammenstehen," um die universellen Bestrebungen der Menschheit zu verwirklichen - Frieden und Sicherheit, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit."

Die wirkliche Bedeutung davon sehen wir heute. Der Imperialismus hat die Menschheit zurückgeworfen und die ganze Welt in einen realen Albtraum gestürzt.

Die Antwort darauf liegt im politischen Kampf für den Sozialismus unter der Führung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Von größter Bedeutung im Kampf gegen den Kapitalismus ist der Widerstand gegen imperialistischen Militarismus und Krieg. Das IKVI ist entschlossen, diese Offensive anzuführen und zum internationalen Zentrum des revolutionären Widerstandes gegen das Wiederaufleben von imperialistischer Gewalt und Militarismus zu werden.

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