Polen: Schließung von Kohlebergwerken bedroht 5.000 Arbeitsplätze

Die polnische Regierung hat weitreichende Pläne zur Umstrukturierung des Kohlebergbaus vorgestellt. Wie das Wirtschaftsministerium vergangene Woche bekanntgab, soll ein Teil des größten Kohleförderers Europas, Kompania Weglowa (KW), abgewickelt bzw. ausgeschlachtet werden. Tausende Arbeiter protestierten gegen die Entscheidung.

Konkret sollen vier bis fünf Bergwerke geschlossen werden. Ebenso viele sollen in die staatliche Sanierungsgesellschaft SRK eingegliedert und dadurch wieder profitabel gemacht werden. Dies geschieht in erster Linie durch die Kürzung von Löhnen und Vergünstigungen sowie durch gesteigerte Arbeitshetze. Mindestens 5.000 Arbeiter verlieren dabei ihren Arbeitsplatz.

In Polen gibt es aktuell rund 30 Steinkohlebergwerke. Vierzehn davon sind im Besitz der KW. Nach Regierungsangaben fuhren die Bergwerke 2014 insgesamt einen Verlust von 821 Millionen Zloty (230 Millionen US-Dollar) ein. Grund für die Verluste sind fallende Energiepreise und die teilweise stark veralteten Minen.

KW machte mit jeder Tonne Kohle, die produziert wurde, im Durchschnitt einen Verlust von 10 Euro. Mittlerweile hat KW Verbindlichkeiten in Höhe von 1 Milliarde Euro angesammelt. Das Unternehmen beschäftigt 50.000 Arbeiter, fast die Hälfte aller im Kohlebergbau Beschäftigten. Vor der Wende 1989 waren es noch viermal so viele.

Zur „Rettung“ der angeschlagenen Gesellschaft stellt die Regierung rund 530 Millionen Euro zur Verfügung. Im Gegenzug werden die Gruben „saniert“. Das Unternehmen zu retten habe Priorität, so Wojciech Kowalczyk, der die Arbeitsgruppe der Regierung in dieser Frage leitet. „Heute sind die Alternativen klar: eine Umstrukturierung oder der Bankrott. Wir können ein negatives Szenario nicht zulassen, das ungeordnete Insolvenz und Zerschlagung bedeuten würde.“

Laut Rettungsplan werden die Gruben von KW aufgeteilt. Die vier Minen, die als wirtschaftlich hoffnungslos betrachtet werden, werden geschlossen. Neun weitere werden „saniert“ und sollen deutlich profitabler weiter betrieben werden. Eine Grube soll verkauft werden. Auch die Möglichkeit weiterer Grubenschließungen wurde von der Regierung nicht ausgeschlossen.

Die Umstrukturierung der Kohlebergwerke ist ein weiterer Schritt, um die Energieversorgung in Polen grundlegend zu verändern. Das mitteleuropäische Land hat die zweitgrößten Kohlevorkommen in Europa, ist aber stark von russischem Gas abhängig. Der Minister für Staatsvermögen Wlodzimierz Karpinski betonte in einem Interview mit der Gazeta Prawna, dass Polen den Energiesektor „konsolidieren“ müsse.

Polen hat mittlerweile seine Kapazitäten zum Gasimport aus dem Westen verdoppelt, um seine Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren, erklärte jüngst das polnische Energieunternehmen Gaz-System. Derzeit bezieht Polen jährlich rund 16 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland.

Wie die baltischen Staaten versucht auch Polen, seine Abhängigkeit von russischer Energie zu senken. Die rechte Regierung von Premier Ewa Kopacz und ihrer Bürgerplattform tritt für eine harte Gangart gegenüber Russland ein. Wie ihr Vorgänger Donald Tusk hatte sie den Sturz des ehemaligen ukrainischen Premiers Victor Janukowitsch begrüßt, der mithilfe faschistischer Kräfte durch eine Initiative der USA und Deutschlands aus dem Amt gejagt wurde.

Tusk schlägt den Aufbau einer Europäischen Energieunion nach dem Vorbild der Bankenunion vor. Ziel müsse es sein, dass die EU-Staaten in der Energiepolitik und bei der Versorgung mit Öl und Gas enger zusammenarbeiten, erklärte er in der New York Times. Dazu gehöre eine EU-Zentrale, die Gas für alle 28 Mitgliedsländer einkaufe und ein Solidaritätsmechanismus, über den EU-Staaten bei Gasengpässen unterstützt werden. Die EU müsse zudem stärker auf Gas aus den USA und Australien zurückgreifen.

Diese Pläne gehen mit den scharfen Angriffen auf die Beschäftigten einher. Unter den Bergleuten wächst daher der Widerstand. Rund 1200 Kumpel protestierten Anfang der Woche an zwölf Standorten gegen die Schließung. Sie fordern den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und lehnen den Übergang in eine Transfergesellschaft oder Abfindungen ab. Außerdem wehren sie sich gegen Versetzungen und die Abschaffung von Vorruhestandsregelungen.

In den von den Schließungen betroffenen Gemeinden, aber auch in Katowice, der Hauptstadt des oberschlesischen Industriegebiets, demonstrierten Bergarbeiter. Einige hundert Bergleute weigern sich seit Tagen, aus den Schächten auszufahren.

Die Arbeiter drohten bereits mit einer Ausweitung der Proteste und Streiks, nachdem Verhandlungen zwischen der Regierung und den Gewerkschaften ergebnislos abgebrochen worden waren. Sie drohten mit der Besetzung von Gruben und mit Hungerstreik. Der Chef der Gewerkschaftsverbandes Solidarnosc, Piotr Duda, drohte, der Streik könne auf den Eisenbahn- und den gesamten Energiesektor ausgedehnt werden.

Waclaw Czerkawski von der Gewerkschaft ZZG erklärte, die Gewerkschaften seien zu weiteren Gesprächen bereit, wenn nicht mehr von Schließung geredet werde. „Wir waren über die Schließungen schockiert, weil die Regierung solche Maßnahmen eigentlich ausgeschlossen hatte“, sagte Czerkawski.

Dabei steht außer Frage, dass die Gewerkschaften alles daran setzen werden, die Streiks zu unterdrücken. Die beiden größten Gewerkschaften des Landes, Solidarnosc und ZZG (als Teil des Gewerkschaftsbundes OPZZ) sind gerade im Bergbau für zahlreiche Niederlagen der Arbeiter in Polen verantwortlich. Als es 2008 die letzte große Entlassungswelle im Bergbau gab, haben sie aufs Engste mit der Regierung zusammengearbeitet.

Solidarität erhalten die Bergleute allerdings aus der Bevölkerung. Einer Umfrage für TVN24 zufolge unterstützen 68,5 Prozent der Polen die Kämpfe der Kumpel. Nur 15 Prozent sind für die Umstrukturierungspläne der Regierung. Die Angriffe auf die Bergarbeiter können zu einer zentralen politischen Frage werden, da in Polen in diesem Jahr Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden.

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