Wahl in Griechenland: Syriza-Führer Tsipras schägt “neue patriotische Allianz“ vor

Auf seiner zentralen Abschlusskundgebung vor der Wahl am Sonntag sprach Syriza-Führer Alexis Tsipras in Athen vor ca. zehntausend Menschen. Er rief auf der Kundgebung zu einer „neuen patriotischen Allianz“ auf. Er versprach, dass bei einem Wahlsieg seiner Partei, die bestehende politische und gesellschaftliche Ordnung keinen Schaden nehmen werde.

Alexis Tsipras

Tsipras war der Hauptredner auf dem zentralen Athener Omonia Platz. Vor der Kundgebung schallte Popmusik in einer Lautstärke aus den Lautsprechern, die Tote zum Leben erwecken konnte. Auf der Bühne war einzig ein Rednerpult mit einem Mikrofon für Tsipras’ Rede aufgestellt. Große Leinwände links und rechts der Bühne ermöglichten es Besuchern auf den hinteren Rängen Tsipras bei seiner Rede zu sehen. Filmkameras bewegten sich über die Menge und filmten sie. Das ganze war ein professionell gestalteter teurer Event. Für die zahlreichen nationalen und internationalen Medienvertreter war eine weitere große Bühne aufgestellt.

In den ersten Zuhörerreihen war alles voll von Syriza-Fahnen. Eine Nationalflagge hatte ebenso einen prominenten Platz.

Tsipras Rede dauerte 45-Minuten. Sie strotzte von Lügen, Ausweichmanövern und nationalistischen Appellen. Tsipras begann mit einem Aufruf an“ alle griechischen Männer und Frauen für eine neue nationale Harmonie, eine neue soziale und patriotische Allianz…um die neue Befreiung zu verwirklichen.“

Er appellierte an Anhänger aller Parteien, am Sonntag Syriza zu wählen und forderte alle politischen Lager auf, zusammenzuarbeiten. „Am Sonntag schlagen wir nicht nur eine neue Seite auf, wir beginnen eine neue Ära. Wir gehen alle gemeinsam voran, gleichgültig, wie wir gestern gestimmt haben“, rief er.

Tsipras spricht auf der Kundgebung

Tsipras versprach, eine Syriza-Regierung werde Korruption, Parteilichkeit und Vorteilsgewährung beenden und dabei schlug er wieder die nationalistische Trommel: “Am Montag ist die Party vorbei, dann gilt für jeden das Gesetz, ohne Ansehen der Person…. Am Montag ist die nationale Erniedrigung vorbei.“

Später in seiner Rede machte Tsipras klar, dass seine Definition der Legalität nicht nur die Beibehaltung des Staatsapparats bedeutet, sondern seine Stärkung. Der Syriza-Führer weiß genau, dass diese Kräfte noch gebraucht werden, um die Opposition der Arbeiterklasse gegen seine Politik zu unterdrücken.

Er wandte sich mit einem besonderen Appell an die Kräfte des Staates: Wir werden den Bürgern in Uniform ermöglichen, ihren Job in Harmonie mit den Bürgern und in Würde zu tun. Wir werden den Polizisten ermöglichen, die Bürger vor Kriminalität zu schützen und an ihrer Seite zu stehen, wenn sie es brauchen. Ebenso den Soldaten, die, von ihren Familien getrennt, der Heimat dienen….“

Um sich als Gegner der Sparpolitik darzustellen, erklärte Tsipras heuchlerisch: “Wir machen absolut klar, dass wir keine Leute in leitenden Positionen haben werden, die die Meinung von Frau Merkel vertreten. Wir werden nicht gemeinsam mit Vertretern des Memorandums regieren.“

Tatsache ist aber, das Leute führende Positionen in Syriza bekleiden, die noch vor ein paar Jahren führende Mitglieder in der regierenden sozialdemokratischen Pasok waren und Kürzungspolitik durchgesetzt haben.

Nur einen Tag vor der Kundgebung auf dem Omonia Platz sprach Odysseas Voudouris auf einem Parteitreffen im Athener Stadtbezirk Maroussi. Auf dem Treffen rief Voudouris ausdrücklich Anhänger der Neuen Demokratie auf, Syriza zu wählen. Als ehemaliger Pasok-Abgeordneter stimmte Voudouris 2010 mit der Regierung von Giorgos Papandreou für Austeritätsmaßnahmen. Als Voudouris im Dezember 2011 mit seinem Team seinen Wahlkreis Kalamata bei Messina besuchte, wurde er von Demonstranten mit dem Ruf begrüßt: „Kollaborateure raus aus unserer Stadt.“

Die Kundgebung am Donnerstag endete schließlich mit Applaus der Menge und dem Song „First we Take Manhattan“ von Leonhard Cohen.

In dem Moment kletterte der Führer der pseudolinken Podemos Bewegung, Pablo Iglesias zu Tsipras auf die Bühne. Sie erklärten sich gegenseitig ihre Solidarität und umarmten sich. Dann ergriff Iglesias das Mikrofon und wiederholte die Zeile des Songs „Zuerst erobern wir Manhattan“, und fuhr dann fort…“und dann erobern wir Berlin.“

Tsipras mit Pablo Iglesias von Podemos

Für sein einheimisches Publikum schlug Tsipras nationalistische Töne an, aber er bediente in seiner Rede auch ein anderes Publikum: Die internationale Finanz- und Wirtschaftselite. An einem Punkt brüstete er sich damit, dass seine Vorschläge für einen Schuldenschnitt Griechenlands den Beifall „der europäischen Presse, von Ökonomen und international anerkannten Experten gewonnen haben“.

Damit meinte Tsipras die entschiedene Befürwortung von Syriza in der Finanz- und Wirtschaftspresse in den vergangenen Wochen.

Seit Wochen unterstützen führende Kolumnisten Syrizas Vorschläge für einen teilweisen Schuldenschnitt, für die quantitative Lockerung (QE) der Europäischen Zentralbank und besonders für die Befreiung Griechenlands aus dem Würgegriff einer Handvoll Oligarchen und ihrer Familien über die griechische Wirtschaft, um internationalen Investoren einen ungehinderten Zugriff auf ihre Märkte und Reichtümer zu ermöglichen.

Am Donnerstag veröffentlichten achtzehn führende internationale Ökonomen und Professoren mit Joseph Stiglitz von der University of Columbia an der Spitze, einen Brief in der Financial Times, in dem sie den Plan Syrizas für einen Schuldenschnitt unterstützten. Diese Kräfte befürworten eine bedächtigere Austeritätspolitik, die von einem massiven Anschub der Finanzmärkte durch die EZB begleitet sein sollte.

Beide Vorschläge werden von der deutschen Regierung abgelehnt, die auf der Austeritätspolitik beharrt und sich weigert, irgendwelche Verluste im Fall eines Schuldenschnitts Griechenlands mitzutragen. Das erklärt die giftigen Bemerkungen von Tsipras und Iglesias in Richtung Merkel und Berliner Regierung.

Zwei Tage vor der Kundgebung in Athen schrieb Tsipras einen Kommentar in der Financial Times, in dem er der Finanzelite versicherte, dass eine Syriza-Regierung „politische Stabilität und wirtschaftliche Sicherheit“ garantieren werde. Ein Sieg Syrizas werde „die Eurozone stärken und das europäische Projekt attraktiver für die Bürger in ganz Europa machen“, erklärte er.

In dem Artikel betonte Tsipras, das seine Syriza-Regierung Griechenlands Verpflichtungen als Mitglied der Eurozone respektieren, seinen Haushalt ausgleichen und sich den Bedingungen der EZB unterordnen werde. Er drängte die EZB „ein starkes Programm quantitativer Lockerung“ zu starten.

Am Tag von Tsipras’ Kundgebung gab der FT-Kommentator Wolfgang Münchau seine Unterstützung zu Protokoll. In einem Video erklärte er: „Eine Umstrukturierung der Schulden ist notwendig. Da hat Syriza recht.“

Am Donnerstag gab die EZB, wie Tsipras wohl erwartet hatte, ein massives QE Programm bekannt, allerdings mit der ausdrücklichen Einschränkung, dass Griechenland sechs Monate lang kein Geld aus dem Programm erhalten werde. EZB-Chef Mario Draghi erklärte, dass nach den Bestimmungen des QE-Programms Länder, die unter einen Rettungsschirm geschlüpft sind, „strikteren Bedingungen unterliegen, d.h. stärkere Kürzungen und schärfere Reformen des Arbeitsmarktes leisten müssten.

Dessen ungeachtet begrüßte Syriza den neuen Plan enthusiastisch. In einer Erklärung von Syriza am Freitag, einen Tag nach der Kundgebung in Athen, hieß es: „Das ist eine wichtige Entscheidung, die die nächste Regierung zum Vorteil des Landes nutzen wird.

Die Kundgebung am Donnerstag auf dem Omonia Platz und weitere Erklärungen der Partei danach, machen klar, dass Austeritätspolitik in Griechenland nicht aufhören wird, sondern dass eine Syriza-Regierung sie fortsetzen wird. Um das tun zu können, braucht Tsipras eine Koalition aus einem breiten politischen Spektrum. Seine Appelle an die Polizei und das Militär machen klar, dass er bereit ist, die volle Macht des Staates gegen die unruhige Bevölkerung einzusetzen, um diese Maßnahmen durchzusetzen.

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