Der Tod des saudischen Königs könnte die Krise der USA im Nahen Osten verschärfen

Washington und seine Verbündeten, und ebenso die westlichen Medien, reagierten mit überschwänglichen Würdigungen und offener Trauer auf den Tod des 90-jährigen saudi-arabischen Königs Abdullah bin Abdul Aziz, Oberhaupt einer der letzten absolutistischen Monarchien der Welt.

Abdullah, der faktische Herrscher Saudi-Arabiens seit sein Vorgänger und Halbbruder Fahd im Jahr 1995 durch einen Schlaganfall regierungsunfähig wurde - und offizieller König nach Fahds Tod 2005 - hat in den letzten zwanzig Jahren die Stellung der theokratischen Diktatur als wichtigste Stütze der regionalen Konterrevolution und der amerikanischen Ölinteressen gewahrt.

Sein Tod wird zu weiterer Unsicherheit und möglicherweise zu Krisen im Nahen Osten führen, der bereits von politischen Eruptionen erschüttert wird, die direkt mit der Rolle der amerikanisch-saudischen Achse in der Region verbunden sind, vom Aufstieg des Islamischen Staates im Irak und in Syrien bis hin zum Zusammenbruch des Regimes im Jemen, das beide Länder unterstützt hatten.

Führende Persönlichkeiten aus aller Welt sind in die saudische Hauptstadt Riad zu den dreitägigen offiziellen Trauerfeiern geeilt, die das monarchische Regime ausgerufen hat. Unter ihnen befinden sich US-Vizepräsident Joe Biden, der französische Präsident Francois Hollande, der britische Prinz Charles, der türkische Präsident Recep Tayyep Erdogan und viele andere. Sie alle sind darauf bedacht, ihre Interessen in dem Königreich - das auf den zweitgrößten nachgewiesenen Erdölreserven der Welt liegt und der größte Rohölproduzent der Welt ist - gewahrt zu wissen.

Die Würdigungen, die die westlichen Regierungen und die Mainstreammedien dem König zollen, kann man nur als widerlich bezeichnen.

Barack Obama lobte Abdullah als einen Führer, der "den Mut hatte, nach seinen Überzeugungen zu handeln." Der US-Präsident fügte hinzu: "Eine dieser Überzeugungen war sein standhafter und leidenschaftlicher Glaube an die Bedeutung der amerikanisch-saudischen Beziehung als Quelle für Stabilität und Sicherheit im Nahen Osten und der Welt."

Der Mut, mit dem Abdullah seine Überzeugungen vertrat - was für einen absoluten Monarchen immer von größter Bedeutung ist - drückte sich darin aus, dass sein Regime letztes Jahr 87 Menschen enthaupten ließ; manchmal wurden die kopflosen Leichen danach öffentlich gekreuzigt. Zu den Verbrechen, die mit dem Tod durch Enthauptung geahndet wurden, gehörten "Zauberei“, Ehebruch, Besitz von Drogen oder Widerstand gegen die herrschende Monarchie.

Die Washington Post beschrieb Abdullah als einen "meisterhaften Politiker," der "sich einen Ruf als Reformer erworben hat, ohne die Machtstruktur seines Landes zu ändern" und fügte ohne Begründung hinzu, er sei bei seinen Untertanen beliebt gewesen. Die New York Times beschrieb ihn als einen Herrscher, der "sich einen Ruf als vorsichtiger Reformer erarbeitet hat" und "in gewisser Weise eine mäßigende Kraft war."

Diese "Mäßigung" zeigte er zweifellos, als er letzte Woche aus medizinischen Gründen die zweite Runde von 50 Peitschenhieben von insgesamt 1.000 aufschieben ließ, zu denen der saudische Blogger Raif Badawi verurteilt wurde. Badawi erhielt außerdem eine zehnjährige Haftstrafe für die Verbrechen "Verbreitung freiheitlichen Denkens" und "Beleidigung des Islam."

Die intime amerikanisch-saudische Beziehung, die Obama am Donnerstag als "Quelle für Stabilität und Sicherheit im Nahen Osten und der Welt" lobte, ist ein unleugbares Armutszeugnis für die Scheinheiligkeit der Versuche des US-Imperialismus, ihre räuberische Politik im Nahen Osten und anderswo in der Welt als Kampf für "Demokratie" und "Menschenrechte" zu rechtfertigen.

Im Zentrum dieser Beziehung stand der militärische Schutz der USA für Saudi-Arabien, das im Gegenzug seine Vormachtstellung auf den internationalen Ölmärkten an die Interessen der USA bindet. Dies wurde 1973 durch ein Abkommen gefestigt, das der damalige US-Präsident Richard Nixon aushandelte, in dem er versprach, die saudische Monarchie zu schützen und mit Waffen zu versorgen, wenn das Königreich im Gegenzug alle Ölverkäufe in US-Dollar tätigt, was zur Rückführung von "Petrodollars" in die amerikanischen Finanzmärkte und Waffenkäufen führte.

Saudi-Arabien hat den viertgrößten Verteidigungshaushalt der Welt, bei einer Bevölkerung von 28 Millionen. Davon ist ein ganzes Drittel Gastarbeiter, die fast alle Arbeiten erledigen.

Der US-Imperialismus hat außerdem lange Zeit die Verbreitung der religiösen Ideologie des Wahhabismus durch Saudi-Arabien als Gegengewicht zu säkularen nationalistischen und sozialistischen Bewegungen in der Region genutzt. König Abdullah hatte Hosni Mubarak uneingeschränkt gegen die ägyptische Revolution von 2011 verteidigt, danach unterstützte er den Putsch des ägyptischen Generals Abdel Fattah al-Sisi im Jahr 2013. 2011 schickte er Soldaten und Panzer über die Dammstraße nach Bahrain, um Massenproteste in dem Golfkönigreich niederzuschlagen.

Bezeichnenderweise befand sich unter denjenigen, die Abdullah am Donnerstag lobten, der israelische Präsident Reuven Rivlin, der behauptete, Abdullah habe "viel zur Stabilität im Nahen Osten beigetragen."

Die saudische Erbfolge macht die Erstarrung der herrschenden Monarchie nur noch deutlicher. Der neue König, Salman bin Abdulaziz, ist 79 und Berichten zufolge ist es um seine Gesundheit schlecht bestellt, daher ist es möglich, dass andere die tatsächlichen Machthaber sein werden. Sein Nachfolger, der neue Kronprinz Mugrin bin Abdul Aziz, gilt mit 69 Jahren als "relativ jung" für einen saudischen Herrscher.

Der Nachfolger und diejenigen, die hinter ihm stehen, sind mit zahlreichen Krisen für das Regime konfrontiert. Im Nachbarstaat Jemen ist das unpopuläre Regime, das von Riad und Washington unterstützt wurde, angesichts einer Revolte der Huthis zusammengebrochen - einer Ethnie, die Saudi-Arabien mehrfach angegriffen hat und als Verbündeten seines regionalen Rivalen Iran betrachtet.

In Syrien hat die Unterstützung der Rebellen durch die Monarchie mit Geld und Waffen, ebenfalls im Bunde mit den USA, den Islamischen Staat (Isis) entstehen lassen, der einen Großteil des Landes und des Irak erobert und mit seinen Truppen die Grenzen zu Saudi-Arabien erreicht hat. Die Folgen zeigten sich Anfang Januar in Form eines Isis-Selbstmordanschlages, dem General Oudah al-Belawi, der Oberbefehlshaber aller saudischen Truppen im Norden des Landes, und zwei Grenzwächter zum Opfer fielen. Genährt von saudischem Geld und wahhabitischer Ideologie wendet sich Isis nun gegen seine ehemaligen Gönner.

Darüber hinaus sinken die Ölpreise, wofür die Saudis durch ihre Weigerung, die Produktion zu senken, mitverantwortlich sind. Dieser Schritt war Teil eines Abkommens, das sie mit Washington ausgehandelt haben, um Russland und den Iran zu schwächen. Dadurch sind jedoch die Einnahmen aus dem Ölexport um die Hälfte zurückgegangen, was bedrohliche Auswirkungen für Saudi-Arabien selbst hat, da es in der Vergangenheit die Überschüsse aus dem Ölexport benutzt hat, um die Bevölkerung mit staatlichen Ausgaben für Wohnungen, Bildung, Lohnerhöhungen und anderen Sozialleistungen ruhigzustellen. Nächstes Jahr wird das Land vermutlich ein Defizit von 39 Milliarden Dollar verzeichnen, das sind 5,2 Prozent des BIP. Es ist das größte in der Geschichte des Königreiches. In einem Land, in dem 40 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben, können Kürzungen von Gehältern, Leistungen und öffentlichen Ausgaben, die dadurch notwendig werden, zu sozialen Unruhen führen.

Es gibt außerdem Anzeichen für Belastungen in den Beziehungen zu Washington, die sich verschärft haben, seit Obama im Jahr 2013 von seiner Drohung abgerückt ist, Syrien zu bombardieren und stattdessen eine begrenzte Annäherung an den Iran vollzogen hat. Abdullah, der am Donnerstag in zahlreichen Lobreden als "Befürworter des Friedens“, wie es US-Außenminister John Kerry formulierte, bezeichnet wurde, forderte die US-Regierung auf, durch eine Militärintervention gegen den Iran "der Schlange den Kopf abzuschlagen".

Am Ende wird das saudische Regime zweifellos mit inneren Spannungen konfrontiert sein, wenn unter den tausenden von Prinzen und Prinzessinnen und ihrem Gefolge der Kampf um die Erbfolge und die Aufteilung der Beute entbrennt. Abdullahs Aufstieg zur Macht beruhte zwar auf seiner Rolle als Befehlshaber der Nationalgarde, ein Posten, den sein Sohn geerbt hat, aber die rivalisierende Sudairi-Fraktion der Herrscherfamilie, der der neue König angehört, wird zweifellos versuchen, die Position mit ihren eigenen Anhängen zu füllen. Der Ausgang dieses Fraktionskampfes wird nicht nur die Innenpolitik beeinflussen, sondern auch die Vergabe der großen Verträge mit den Ölkonzernen, Waffenhändlern und anderen transnationalen Konzernen.

Die Tatsache, dass der US-Imperialismus das saudische Regime als wichtige Stütze für seine Interessen im Nahen Osten betrachtet, macht nur umso deutlicher, welch reaktionäre Rolle er in der Region spielt, und wie instabil das Hegemonialsystem ist, das er dort durchzusetzen versucht.

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