Ratingagentur Standard & Poor‘s stuft Russland auf Ramschniveau herab

Die Ratingagentur Standard & Poor‘shat die Kreditwürdigkeit Russlands am Montag auf das Ramschniveau BB+ herabgestuft. Zuletzt hatte Russland im Jahr 2004 ein derart schlechtes Rating bekommen. Die Herabstufung ist Teil einer Kampagne, um massiven wirtschaftlichen Druck auf Russland auszuüben und das Putin-Regime zu Konzessionen zu zwingen oder seinen Zusammenbruch herbeizuführen. Aufgrund der westlichen Sanktionen und des Ölpreisverfalls unter 50 US-Dollar pro Barrel ist die russische Wirtschaft in den letzten Wochen immer tiefer in die Rezession gerutscht.

Die Ratingagentur S&P hat ihre Entscheidung mit dem extrem niedrigen Ölpreis und dem Sturz des Rubels begründet. Die russische Zentralbank hatte im Dezember in einem verzweifelten Versuch, den Rubel wieder zu stärken, den Zinssatz auf 17 Prozent angehoben. Zuvor hatte die Ratingagentur Fitch Russlands Kreditwürdigkeit mit BBB- ebenfalls sehr negativ bewertet. Experten gehen inzwischen von einem Rückgang des russischen Bruttoinlandsproduktes von 3 bis 5,5 Prozent in diesem Jahr aus.

Die Entscheidung von S&P hatte den Rubel weiter geschwächt: der Kurs des Dollars stieg kurz nach der Bekanntmachung von 66,5 auf 69,2 Rubel. Der Euro verteuerte sich von 74,9 auf 77,9 Rubel. Das verschlechterte Rating wird zu einem weiteren Rückgang ausländischer Investitionen in Russland führen. In den ersten zwei Wochen des Jahres war der Rubel bereits um 17,5 Prozent gegenüber dem Dollar gefallen. Der Hauptgrund war der Absturz des Ölpreises unter 50 US-Dollar pro Barrel. Öl ist das wichtigste Exportgut Russlands und kommt für einen Großteil der Staatseinnahmen auf.

Laut Finanzminister Anton Siluanow wird der niedrige Ölpreis zur Folge haben, dass rund 20 Prozent der für dieses Jahr geplanten Staatseinnahmen (bzw. rund 45 Mrd. US-Dollar) wegfallen werden, da das Staatsbudget auf der Grundlage eines Ölpreises von 100 US-Dollar pro Barrel berechnet worden war.

Die russische Regierung hat am Dienstag als Reaktion auf den Wirtschaftszusammenbruch einen „Notfallplan“ verabschiedet, der umfassende Kürzungen vor allem im Sozialbereich vorsieht. Wie die Kürzungen genau aussehen werden, ist noch nicht bekannt.

Führende russische Politiker, darunter auch Finanzminister Siluanow, haben inzwischen vor einer weit tieferen Krise als 2008/2009 gewarnt. Damals war die russische Industrieproduktion um 19 Prozent und das russische BIP um 7,5 Prozent eingebrochen.

Der Kapitalabfluss hat im letzten Jahr bereits ein Rekordniveau erreicht: mit 151 Mrd. US-Dollar wurde weit mehr Kapital abgezogen als während der Finanzkrise 2008/09. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies eine Erhöhung des Kapitalabflusses um das Zweieinhalbfache. Vieles davon wurde von Oligarchen abzogen, die angesichts der Sanktionen ihre Reichtümer im Ausland in Sicherheit bringen wollten.

German Gref, Chef der größten russischen Bank Sberbank, warnte vor kurzem vor einer „massiven Krise im Bankensektor“. Laut Berechnungen von Interfax werden in diesem Jahr und im kommenden Jahr jeweils 15 bis 16 Prozent der russischen Banken pleitegehen. Eine derartige Bankrottrate hatte es zuletzt während der 1990er Jahre gegeben, als die russische Wirtschaft nach der Restauration des Kapitalismus in einem Chaos versank und ein Finanzkollaps den nächsten jagte. Die Zentralbank dürfe und solle laut vielen Finanzexperten ihr Geld nicht darauf verwenden, kleine Banken zu retten.

Weniger als ein halbes Jahr nach Beginn des Wirtschaftskrieges der USA und der EU gegen Russland haben die Sanktionen und der Rubelsturz zu einer drastischen Verschlechterung des Lebensstandards breiter Schichten der Bevölkerung geführt.

Nach Angaben der Zeitung Gazeta.Ru sind zwischen dem 29. Dezember und dem 19. Januar die Preise der am häufigsten verbrauchten Lebensmittel rasant gestiegen: für Kohl um 25 Prozent, für Kartoffeln und Zucker um 10 Prozent, für Möhren um 13 Prozent und für Zwiebeln um 14 Prozent. Brot wurde um 2 Prozent teurer. Laut der staatlichen Statistikagentur werden die Preise für Milchprodukte im ersten Quartal um weitere 10 bis 15 Prozent steigen.

Wie extrem sich die sozialen Spannungen angesichts der Wirtschaftskrise verschärfen, zeigt ein Vorfall in der Industrieregion Swerdlowsk im Ural. Die Lebensmittelpreise sind hier gegenüber dem Januar 2014 um 25 Prozent gestiegen.

Der Duma-Abgeordnete Ilja Gaffner von der Regierungspartei „Einiges Russland“ erklärte im Januar feist grinsend im regionalen Fernsehen, die Preissteigerungen seien gar „nicht so schlimm“. „Wir sind alle Russen, haben Hunger und Kälte überlebt. Wenn es angeblich nicht genug Geld gibt, sollten die Leute an ihre Gesundheit denken und zum Beispiel etwas weniger essen.“

Weiter sagte er: „Das Neujahrsessen ist vorbei, die Leute haben ihre Bäuche gefüllt und jetzt ist es an der Zeit, an sportliche Aktivitäten zu denken.“ Eine Frau im Lebensmittelladen erklärte daraufhin: „Ich habe einen behinderten Sohn, er fragt immer nach Zucker. Ich kann es ihm nicht geben, weil es einfach kein Geld gibt.“

Im Internet haben Gaffners maßlos arrogante und unverschämte Äußerungen einen Sturm der Wut und Entrüstung ausgelöst. Auf Youtube sahen fast eine Millionen Menschen das Video mit seinen Aussagen. Auf seinen Ratschlag, weniger zu essen, wurde geantwortet, es sollte weniger gestohlen werden. Gaffner, der für die lokale Landwirtschaftspolitik zuständig ist und selbst mindestens drei Wohnungen besitzt, soll für den Bankrott mehrerer Unternehmen und Landwirtschaftsanlagen mitverantwortlich sein.

Gaffner spricht mit seiner Arroganz und Unverschämtheit für eine kriminelle Oligarchie, die fordert, dass die arbeitende Bevölkerung, die sie seit der Auflösung der Sowjetunion rücksichtlos geplündert hat, „Opfer bringt“.

Auch der russische Finanzminister Anton Siluanow, selbst einer der reichsten Männer im Kreml, hat erklärt, „die Russen“ würden angesichts der Krise eben „weniger Essen, weniger Elektrizität verwenden“.

Die Wirtschaftskrise und die enorme Verelendung der russischen Arbeiterklasse sind das Ergebnis einer Politik der westlichen imperialistischen Mächte, die darauf abzielt, den Kreml in der Ukraine-Krise in die Knie zu zwingen, massive soziale Angriffe auf die russische Arbeiterklasse voranzutreiben und, wenn nötig, den Zusammenbruch des Putin-Regimes herbeizuführen.

Sowohl die EU wie auch die USA haben eine weitere Verschärfung der Sanktionen ins Gespräch gebracht. US-Präsident Barack Obama drohte angesichts der Eskalation im ukrainischen Bürgerkrieg, Russland vom SWIFT-Abkommen abzuschneiden. Damit würde der gesamte russische Finanzmarkt vom Weltfinanzsystem isoliert. An das System SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) sind weltweit rund 10.500 Banken in über 200 Ländern angeschlossen.

Zuletzt wurde der Iran im Jahr 2012 vom SWIFT-System abgeschnitten, was dem ausländischen Handel mit dem Land im Wesentlichen ein Ende bereitete. Der Chef der zweitgrößten russischen Bank VTB, Andrej Kostin, erklärte, das Abschneiden Russlands vom SWIFT-System würde die Einstellung aller Beziehungen zwischen den USA und Russland bedeuten.

Auch die EU will am Donnerstag beim Ministergipfel darüber diskutieren, weitere Sanktionen zu verhängen und Russland vom SWIFT-System abzuschneiden. Das Abschneiden vom SWIFT-System, das von den USA kontrolliert wird, wurde seit Monaten in Experten- und Regierungskreisen als möglicher letzter Schritt diskutiert, um das Putin-Regime zu Fall zu bringen.

Allerdings ist die Bourgeoisie in der EU selbst und den USA über die Russlandpolitik gespalten. Frankreich und Italien sowie bedeutende Teile der deutschen Bourgeoisie warnen davor, die Sanktionen weiter zu eskalieren. Eine Überlegung ist dabei, dass Putin, der sich verzweifelt um einen Deal mit Washington und Berlin bemüht, für den Imperialismus noch nützlich sein könnte.

So erklärte der Politikwissenschaftler Professor Klaus Segbers von der Freien Universität Berlin, der die deutsche Regierung berät, Anfang Dezember vor einem studentischen Publikum: „Wir wissen präzise, wie wir dieses Regime in die Knie zwingen können.“ Man müsse nur das SWIFT aussetzen und so die ganze Bevölkerung von Krediten abschneiden, um einen Regimewechsel herbeizuführen. „Das Problem ist, dass wir nicht wissen, was danach kommt.“

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