EU-Außenminister verschärfen Sanktionen gegenüber Russland

Beim gestrigen Treffen der EU-Außenminister in Brüssel hat die Europäische Union einen offenen Konflikt über ihren aggressiven Kurs gegenüber Russland vermieden. Die Minister einigten sich auf einen Kompromiss und verschärften die Sanktionen gegen Russland. Auch die neue griechische Regierung unter Alexis Tsipras, die im Vorfeld des Sondergipfels die Sanktionspolitik in Frage gestellt hatte, stimmte den neuen Maßnahmen gegen Russland zu.

Der Beschluss sieht vor, bereits bestehende Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen 132 Personen sowie 28 Organisationen bis mindestens September aufrecht zu erhalten. Daneben soll gegen weitere Personen, angebliche ukrainische Separatisten und ihre Unterstützer, mit ähnlichen Maßnahmen vorgegangen werden. Eine weitere Verschärfung der Wirtschaftssanktionen wurde vorerst nicht beschlossen. Die Minister drohten sie jedoch für den Fall an, dass sich die Lage in den umkämpften Gebieten in der Ostukraine weiter verschärft.

Die endgültige Entscheidung wird erst bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs am 12. Februar erwartet „Wenn es eine Offensive Richtung Mariupol oder anderer Regionen gibt, wird man mit deutlichen und schärferen Maßnahmen reagieren müssen“, drohte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Im Vorfeld des Treffens hatten die Staats- und Regierungschefs der EU Russland mit einer Verschärfung der Strafmaßnahmen gedroht. Anfang der Woche forderten sie die Außenminister in einer Erklärung auf, „angesichts der sich verschlechternden Lage“ in der Ukraine „die Situation zu bewerten, und angemessene Handlungen in Betracht zu ziehen, insbesondere weitere restriktive Maßnahmen“.

Im gleichen Schreiben verurteilten EU-Spitzenpolitiker „die Tötung von Zivilisten durch den wahllosen Beschuss in der ukrainischen Stadt Mariupol“ am vergangenen Wochenende und die angebliche „fortdauernde und wachsende Unterstützung“ Russlands für die Separatisten im Osten der Ukraine.

Die amerikanische Regierung stieß ins gleiche Horn. „Solange Russland mit seiner unverhohlenen Missachtung seiner Verpflichtungen weitermacht [...], werden die Kosten für Russland weiter steigen“, erklärte der US-amerikanische Vizepräsident Joe Biden am Mittwoch in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko.

Während die westlichen Mächte Russland für dessen angebliche Einmischung in der Ukraine kritisieren, weiten sie gleichzeitig die wirtschaftliche und militärische Unterstützung des pro-westlichen Regimes in Kiew aus, das einen brutalen Krieg gegen die Bevölkerung in der Ostukraine führt.

Nach einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte US-Präsident Barack Obama am Dienstag ein weiteres Hilfspaket für die Ukraine in Aussicht. Im Frühjahr will die amerikanische Armee Ausbilder in die Westukraine schicken, um die mit faschistischen Elementen durchsetzte ukrainische Nationalgarde auszubilden. Bereits Ende des letzten Jahres hatte Obama den sogenannten Ukraine Freedom Support Act unterzeichnet, der den USA ermöglicht, schwere Waffen an die ukrainische Regierung zu liefern und zusätzliche Sanktionen gegen Russland zu verhängen.

Trotz der gemeinsamen Offensive zeichnen sich über die Frage einer weiteren Verschärfung des Wirtschaftskriegs gegen Russland zunehmende Konflikte innerhalb und zwischen den europäischen Regierungen ab.

Vor dem Treffen am Donnerstag sprach sich der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) gegen eine Verschärfung der Sanktionen aus. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist es zu früh, glaube ich, schon wieder nach weiteren Sanktionen zu rufen“, erklärte der SPD-Vorsitzende in der ZDF-Sendung „Was nun?“. Selbst in den schwierigsten Zeiten dürfe „man das europäische Russland nicht aufgeben und einfach sagen, dann haben wir jetzt eben 30 Jahre einen neuen Kalten Krieg.“

Die deutsche Regierung hat zusammen mit den USA die führende Rolle bei der Installation des pro-westlichen Poroschenko-Regimes in der Ukraine gespielt, fürchtet aber einen vollständigen Zusammenbruch der politischen und wirtschaftliche Beziehungen mit Russland.

Trotzdem drohte Gabriel der Regierung in Moskau. Falls Putin versuche, eine Verbindung vom Separatistengebiet zur Halbinsel Krim herzustellen, sei das „eine derartige Eskalation durch die Separatisten, unterstützt von Russland, dass wir dann nicht einfach zugucken können“. Gleichzeitig warnte Gabriel die neue griechische Regierung vor einer einseitigen Orientierung auf Moskau und einer Abkehr von der bisherigen Linie der EU. Diese setze auf Dialog, aber auch Sanktionen gegen Russland. „Das Dümmste, was wir machen könnten, ist, uns aufzuspalten“, warnte er.

Die griechische Regierung mit ihrem parteilosen Außenminister Nikos Kotzias (ehemals Mitglied der KP) hatte die Erklärung der EU-Regierungschefs zunächst scharf kritisiert. Sie sei nicht mit Griechenland abgestimmt gewesen und entspreche nicht den griechischen Interessen. Verschärfte Sanktionen gegen Russland lehne sie auf Grund enger wirtschaftlicher Beziehungen und kultureller Gemeinsamkeiten mit Russland ab.

Die wachsenden Spannungen über den Kurs gegen Moskau sind Ausdruck der scharfen politischen und wirtschaftlichen Krise in Europa. Die katastrophalen sozialen Auswirkungen der Austeritätspolitik vor allem in Südeuropa und die zunehmend militaristische Außenpolitik der EU heizen die Spannungen innerhalb des Bündnisses und zwischen den europäischen Staaten immer weiter an.

Die schärfer werdende Rhetorik deutet dabei weniger auf fundamentale Meinungsverschiedenheiten zwischen der EU und der neuen griechischen Regierung hin, als dass sie dazu dient, einen gemeinsamen Kurs zu finden. Während die EU Tsipras zwingt, die offizielle Austeritätspolitik sowie den Konfrontationskurs gegen Russland mitzutragen, schlägt dieser gewisse Veränderungen im Rahmen der offiziellen Politik vor, um die Krise unter Kontrolle zu bekommen und, wie er immer wieder betont, die EU zu „retten“.

Parallel zum Außenminister-Treffen reiste der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, zu Gesprächen mit Tsipras nach Athen. Der Sozialdemokrat warnte die neue griechische Regierung vor politischen Alleingängen. Sie sei nicht gewählt worden, um Sanktionen gegen Russland zu boykottieren, erklärte er bereits vor seiner Reise im deutschen Fernsehen. Arrogant fügte er hinzu: „Ich habe keinen Bock, ideologische Debatten zu führen mit einer Regierung, die gerade einmal zwei Tage im Amt ist. Was wir brauchen, sind pragmatische Lösungen, das werde ich ihm vorschlagen.“

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) warnte die griechische Regierung davor, vom bestehenden Kurs abzuweichen. „Griechenland muss sich weiter an die Spielregeln halten“, sagte EZB-Direktor Benoit Coeure in einem Interview am Donnerstag mit der italienischen Zeitung Corriere della Sera. „Alle Entscheidungen dürfen nur ein Ziel haben, nämlich die Reformen in Griechenland fortzusetzen“, erklärte er weiter. Auch mit der neuen Regierung werde sich nichts an der Tatsache ändern, dass Griechenland weitere Reformen braucht.

Coeure sagte zwar, dass Europa den Politikwechsel in Athen akzeptiere. In der Frage einer möglichen Verringerung der Schuldenlast für Griechenland könne die EZB aber keinen Beitrag leisten. Die Laufzeit der griechischen Staatsanleihen, die von der Notenbank gekauft worden waren, könne nicht verlängert werden. „Das wäre ähnlich einem Kredit für Griechenland und das verbieten die Verträge“, betonte er.

Die harte Linie der hochrangigen EU-Vertreter spricht nicht nur Bände über den im Kern diktatorischen Charakter der EU, sondern auch über den Klassencharakter von Syriza. Obwohl die Bevölkerung die Spar- und Kriegspolitik mehrheitlich ablehnt, wird der Kurs auch nach den Wahlen in Griechenland in enger Zusammenarbeit mit Tsipras und seinem rechten Bündnispartner, den Unabhängigen Griechen, fortgesetzt.

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