Europäische Staatschefs lehnen Syrizas Wunsch nach Änderungen des Schuldenregimes ab

Nachdem die neugewählte griechische Syriza-Regierung ihr Wahlversprechen gebrochen hatte, die griechischen Schulden abzuschreiben, drängten europäische Amtsträger den griechischen Premierminister Alexis Tsipras, weitere unpopuläre Sparmaßnahmen durchzusetzen, um Griechenlands Gläubiger bezahlen zu können.

Als Tsipras am Mittwoch zu Gesprächen und einer gemeinsamen Pressekonferenz im Elysee-Präsidentenpalast in Paris eintraf, beharrte Präsident Francois Hollande darauf, dass Griechenland sich den Forderungen der Europäischen Union unterwirft. "Der Dialog zwischen Griechenland und seinen europäischen Partnern muss weitergehen, um eine Einigung zu erzielen," erklärte er und fügte hinzu, Athen müsse "die europäischen Regeln respektieren, die für alle gelten, auch für Frankreich, und ebenso die Verpflichtungen, die es im Zusammenhang mit seinen Krediten eingegangen sei und die für alle Regierungen wichtig sind."

Das war ein Signal, dass Paris, dem Griechenland im Rahmen des europäischen Rettungsmechanismus 42 Milliarden Euro schuldet, eine Abschreibung der griechischen Schulden in Höhe von 320 Milliarden Euro ablehnt.

Französische Regierungsvertreter machten vor dem Treffen in Paris deutlich, dass Frankreich die grundlegende Stoßrichtung, die die EU unter Führung von Berlin in Griechenland durchgesetzt hat, vollauf unterstützt. Der französische Finanzminister Michel Sapin erklärte am Montag: "Es hat keinen Sinn, die Staaten der Eurozone gegeneinander auszuspielen, vor allem nicht Frankreich gegen Deutschland. Eine Lösung, die Griechenland hilft und gleichzeitig sicherstellt, dass es seine Verpflichtungen einhält, ist nur durch eine Einigung zwischen Frankreich und Deutschland möglich."

Tsipras selbst lobte die Regierung Hollandes von der Sozialistischen Partei (PS), der wegen seiner Sparmaßnahmen zum unpopulärsten Präsidenten Frankreichs seit dem Zweiten Weltkrieg geworden ist. Tsipras erklärte bei der gemeinsamen Pressekonferenz: "Wir sind keine Gefahr für Europa." Er forderte Frankreich auf, eine "Hauptrolle bei einem Politikwechsel in Europa" zu spielen.

Seit dem Wahlsieg Syrizas am 25. Januar versucht sie, sich mit den europäischen Banken über eine Änderung der Rückzahlungsbedingungen für die Schulden des Landes zu einigen. Die Partei, die für einen Teil der griechischen Bourgeoisie spricht und deren Basis in Schichten des bessergestellten Kleinbürgertums liegt, hat mehrfach betont, dass sie den gesamten Rahmen der EU akzeptiert und entschlossen ist, Griechenlands Schulden in irgendeiner Form zurückzuzahlen.

Vor allem lehnt Syriza ab, sich auf den massiven Widerstand der Arbeiter in Griechenland, Frankreich und ganz Europa gegen den Sparkurs der EU zu stützen. Sie richtet sich an die europäischen Banken und ihre politischen Vertreter.

Diese Appelle fallen jedoch auf taube Ohren. Die EU hat für den Widerstand der griechischen Bevölkerung gegenüber ihrem Sparkurs, der die Grundlage von Syrizas Wahlsieg war, nur Verachtung übrig. Ein Memorandum der deutschen Regierung, das am Mittwoch vor einem Treffen der "Euro-Gruppe“, d.h. der EU-Finanzminister, an Reuters weitergeleitet wurde, machte deutlich, dass Berlin nicht einmal die kleinsten Verbesserungen des Lebensstandards der Arbeiter dulden wird. Stattdessen wurde Syriza aufgefordert, schnell neue Kürzungen bei Arbeitsplätzen und Sozialausgaben zu machen, die Griechenland schon in den letzten sechs Jahren ausgeblutet haben.

In dem Memorandum hieß es: "Die Euro-Gruppe fordert von Griechenland eine klare und ausreichende Verpflichtung, die wichtigen Reformmaßnahmen umzusetzen, die notwendig sind, um das Programm auf Kurs zu halten. Das Ziel ist die Verfestigung der vereinbarten Reformagenda (keine Rücknahme der Maßnahmen), die wichtige Gebiete betreffen, wie die Steuerverwaltung, Besteuerung, Verwaltung der öffentlichen Finanzen, Privatisierung, öffentliche Verwaltung, Gesundheitswesen, Renten, Sozialwesen, Bildung und der Kampf gegen Korruption."

Laut dem Memorandum wird Berlin fordern, dass Griechenland für einen Haushaltsüberschuss von 4,5 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) sorgen soll. Das würde bedeuten, dass aus Griechenlands zerstörter Wirtschaft jährlich zehn Milliarden Euro herausgezogen würden, um die Gläubiger des Landes zu bezahlen.

Am Montag stoppte die Europäische Zentralbank außerdem die Verwendung von griechischen Staatsanleihen als Sicherheit für von griechischen Banken beantragte Kredite und erklärte, es sei "momentan nicht möglich, von einem erfolgreichen Abschluss der Bewertung des Programms auszugehen."

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis schlug vor, mit kurzfristigen Schatzanleihen zehn Milliarden Euro aufzubringen, um für die nächsten drei Monate "die Finanzierung zu überbrücken, während ein neues langfristiges Schuldenabkommen ausgehandelt wird. Wenn keine finanziellen Maßnahmen ergriffen werden, könnte die Regierung in Geldnot geraten.

"Die EZB macht der griechischen Regierung eindeutig klar, dass sie mit ihren internationalen Gläubigern reden und eine Einigung erzielen muss. Andernfalls werden sehr schlimme Dinge passieren“, sagte Jacob Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics.

Varoufakis fuhr am Mittwoch nach Frankfurt zu einem Treffen mit EZB-Chef Mario Draghi. Er unterwarf sich Draghi und dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, einem der Hauptarchitekten der Maßnahmen gegen Griechenland.

Varoufakis sagte in der EZB: "Wir haben eine vorzügliche Kommunikationslinie aufgebaut, die mir viel Mut für die Zukunft gibt. Ich fahre jetzt weiter nach Berlin, wo ich mich mit Schäuble treffen werde, dem Finanzminister und der intellektuellen Kraft hinter dem Projekt der europäischen Währungsunion. Ich freue mich schon darauf."

Varoufakis versicherte, Berlin könne sich darauf verlassen, dass Syriza weiter gehen werde als die früheren rechten oder sozialdemokratischen Regierungen in Griechenland. Er erklärte: "Ich werde in Berlin so charmant sein wie ich nur kann. Ich werde Schäuble sagen, dass wir zwar ein linkes Gesindel sein mögen, aber dass er sich darauf verlassen kann, dass unsere Syriza-Bewegung mit Griechenlands Kartellen und Oligarchien aufräumen und die tiefgehenden Reformen des griechischen Staates durchsetzen wird, die die vorherigen Regierungen verweigert haben."

Mit "tiefgehenden Reformen" sind Maßnahmen gemeint, deren Ziel die weitere Öffnung der griechischen Wirtschaft für das europäische und internationale Kapital ist.

Varoufakis nannte Griechenland in einem Interview mit der Zeit einen "bankrotten Staat" und erklärte, Syriza werde die großen internationalen Finanzinstitutionen darum bitten, ihr bei der Planung ihrer Politik zu helfen. "Wir haben José Ángel Gurría angesprochen, den Generalsekretär der Industrieländerorganisation OECD [Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung]. Er soll uns helfen, ein Reformprogramm zu erstellen“, erklärte er.

Syriza lehnt den einzig möglichen Weg ab, die Eurokrise zu lösen: die Zurückweisung der griechischen Schulden und die Enteignung der Banken durch die europäische Arbeiterklasse. Stattdessen schürt sie angesichts zunehmender Ausbeutung und steigender Wut in der Arbeiterklasse, die sich am Ergebnis der Wahl in Griechenland gezeigt hat, Illusionen in reaktionäre Regierungen in ganz Europa.

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