Perspektive

Obamas Antiterror-Konferenz:

Ein Gipfel der Heuchelei, Fälschung und Selbsttäuschung

Präsident Barack Obama nahm am Mittwoch und Donnerstag an Sitzungen eines Gipfeltreffens zum Thema "Abwehr von gewalttätigem Extremismus" teil, der in Washington stattfand und von Vertretern aus 65 Ländern besucht wurde.

Obwohl der amerikanische Präsident mehrfach davon sprach, es sei notwendig, "offen und ehrlich" über die "Grundursachen" des Terrorismus zu reden, waren seine Äußerungen nicht mehr als eine Ansammlung kaum zusammenhängender Banalitäten – darunter Zitate aus einer Valentinstagskarte von einem Zwölfjährigen. Das oberflächliche Gerede sollte den offensichtlichen Zusammenhang zwischen dem Terrorismus und den amerikanischen Angriffskriegen verbergen, die im vergangenen Jahrzehnt endlose Katastrophen in diesen Ländern verursachte.

Die dreitägigen Gespräche führten zu keinen Beschlüssen, Absichtserklärungen oder politischen Veränderungen. Geistlose Rhetorik über religiöse Vereinnahmung wurde mit lächerlichen Vorschlägen ergänzt, woran man am besten erkennen könne, wenn ein junger Mensch in "radikalen Extremismus" abgleitet. Diese Vorschläge wirkten, als seien sie aus einer Broschüre der Drogenfahndungsbehörde abgekupfert, Warnhinweise auf Drogenkonsum bei ihrem Kind.

Soweit das Treffen überhaupt einen erkennbaren Sinn hatte, bestand er darin, Kriege im Ausland und Polizeistaatsmaßnahmen im Inland propagandistisch zu untermauern.

Obama versicherte, die USA werde im "Kampf gegen Terrororganisationen unnachgiebig bleiben" und legte Pläne zur Fortsetzung und Ausweitung der amerikanischen Militäroperationen in Afghanistan, dem Irak, Syrien, Jemen, Somalia, Nigeria und anderen Ländern vor.

Er erklärte, der Feldzug gegen "gewalttätigen Extremismus" werde nicht nur gegen Terroristen geführt, die "unschuldige Menschen töten," sondern auch "gegen die Ideologien, die Infrastruktur von Extremisten - die Propagandisten, Anwerber, die Finanzierer und Anstifter, die Menschen radikalisieren und rekrutieren oder zur Gewalt aufhetzen." Das ist eine so umfassende und schwammige Kategorie, dass fast jeder darunter fallen könnte, der die angeblich "gemäßigte" Politik des US-Imperialismus verurteilt.

Die Widersprüche, die der Propagandaveranstaltung zugrunde lagen, waren mehr als augenfällig. Obama erklärte in seiner Rede, der Kampf gegen Terrorismus erfordere "mehr Demokratie" und "Sicherheitskräfte und Polizisten, die Menschenrechte respektieren und Menschen mit Würde behandeln." Dennoch zählt Washington die tyrannische Monarchie in Saudi-Arabien und das vom Militär kontrollierte Regime in Ägypten, die für ihre Unterdrückung, Enthauptungen und Massenmorde berüchtigt sind, zu seinen engsten Verbündeten in diesem Kampf.

Obama unternahm den absurden Versuch, Terrorismus als das Ergebnis "verdorbener Ideologien" von Gruppen wie Al Qaida und Isis darzustellen, die sich angeblich mit fehlerhaften "Ideen," "Vorstellungen" und "Denkweisen" in breiten Teilen der muslimischen Welt überschneiden.

Er betonte, die "Auffassung, der Westen liege im Krieg mit dem Islam, ist eine infame Lüge." In der Tat, Washington geht gegen all seine Gegner mit der selben Aggressivität vor. Gegen Nichtmuslime von Osteuropa bis nach Ostasien bereitet die US-Regierung sogar noch größere Kriege vor.

Dieser "Auffassung" könnte die schlichte Tatsache zugrunde liegen, dass die Bevölkerung in Ländern mit einigen der größten Energiereserven der Welt und Pipelinerouten für ihre Förderung mehrheitlich Muslime sind und daher tragischerweise die Hauptleidtragenden von Washingtons Bestrebungen waren, mit militärischen Mitteln seine Hegemonie über diese Länder zu sichern.

Im Kampf gegen den Terrorismus müsse man berücksichtigen, sagt Obama, dass sich zu viele Menschen "an die Vorstellung klammern, die muslimische Welt habe historisches Unrecht erlitten – was teilweise stimmt --, ... dass sie davon ausgehen, viele der Übel im Nahen Osten kämen aus der Geschichte von Kolonialismus oder Verschwörungen ..."

Historisches Unrecht? Wen versucht Obama zu täuschen? Millionen Menschen in der arabischen Welt müssen nicht bis zu französischen und britischen Kolonialisten mit Tropenhelmen zurückdenken, wenn es um erlittenes Unrecht geht. In den letzten Jahrzehnten hat der US-Imperialismus ein muslimisches Land nach dem anderen verwüstet.

Er hat Afghanistan in ein endloses Blutbad mit Millionen Toten verwandelt, seit die USA in den 1980er Jahren den Krieg der Mudschaheddin finanziert haben. Im Irak führte der US-Imperialismus einen illegalen Angriffskrieg, der über eine Million Todesopfer forderte. In Libyen unterstützte er einen Krieg zum Sturz des Regimes, der eine ganze Gesellschaft zerstört und in bewaffnete Konflikte rivalisierender Milizen gestürzt hat. In Syrien hat er einen Bürgerkrieg geschürt, der fast 200.000 Menschen das Leben gekostet und Millionen zur Flucht gezwungen hat.

Im Irak, Libyen und Syrien hat Washington Interventionen durchgeführt, um säkulare arabische Regimes zu stürzen, wodurch islamistische Kräfte wie Al Qaida und Isis anwachsen konnten. In den beiden letzteren Ländern hat Washington diese Elemente sogar unterstützt, sie mit Waffen beliefert und als Stellvertretertruppen benutzt.

Wären die obersten Entscheidungsträger der Bush- und Obama-Regierungen bezahlte Agenten von Osama bin Laden gewesen, sie hätten nicht besser agieren können, um gerade die Kräfte zu fördern, gegen die sich der von den USA finanzierte Gipfel gegen "gewalttätigen Extremismus" angeblich richtete.

Die Heuchelei, der Betrug und die Selbsttäuschung, die sich bei dem Gipfeltreffen zeigten, konnten die Tatsache nicht verbergen, dass die Politik, die Washington seit mehr als zehn Jahren betreibt, zu einem Debakel geführt hat.

Nach der Auflösung der Sowjetunion versuchte der US-Imperialismus, mit immer ausgedehnteren Interventionen seine militärische Überlegenheit einzusetzen, um seinen wirtschaftlichen Niedergang auszugleichen. Das Ergebnis war Elend und Zerstörung.

Dazu gehört mittlerweile auch die Ukraine. Sie wurde in einen Bürgerkrieg gestürzt, der das Land entzweit, seine Wirtschaft dem Zerfall preisgegeben und seine Armee desintegriert hat und eine militärische Konfrontation zwischen den Atommächten USA und Russland auszulösen droht. Der von Washington unterstützte Putsch in Kiew unter Führung von Faschisten, vor einem Jahr noch als Meisterstreich dargestellt, hat nur eine weitere Katastrophe verursacht.

In einer funktionierenden Demokratie hätten solche internationale Katastrophen wie die, die die letzten beiden US-Regierungen verursacht haben, zu Konsequenzen geführt. Sie wären nicht nur das Thema von öffentlichen Debatten und Anhörungen vor dem Kongress, sondern auch Anlass für erzwungene Rücktritte und Strafverfahren.

In den USA jedoch passiert nichts dergleichen. Es gibt keinen Mechanismus für irgendeine Kritik an einer Regierung, die weiterhin die Öffentlichkeit und sich selbst belügt. Niemand übernimmt Verantwortung, und niemand wird zur Verantwortung gezogen.

Die Spitzenkandidaten für die Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr sind der Republikaner Jeb Bush, dessen Bruder für den verbrecherischen Krieg im Irak verantwortlich war, und die Demokratin Hillary Clinton, die als Außenministerin den brutalen Lynchmord an dem libyschen Staatschef Muammar Gaddafi durch eine islamistische Miliz verteidigte und unter Gelächter erklärte: "Wir kamen, wir sahen, er starb." Der krankhafte Zustand und die Erstarrung des amerikanischen politischen Systems könnten nicht deutlicher sein.

Die Verantwortung liegt nicht nur beim Weißen Haus, sondern auch beim Kongress, den beiden großen Parteien und den Medien, deren "Terrorismusexperten" ununterbrochen Lügen und Unsinn verbreiten, um den US-Militarismus zu rechtfertigen, sowie bei den Akademikern, die entweder direkt daran beteiligt sind oder dazu schweigen.

Dass alle Teile des amerikanischen Establishments tief in diese Verbrechen und Katastrophen verstrickt sind, ist ein Symptom für die tiefe wirtschaftliche, soziale und politische Krise des kapitalistischen Systems, das der Bereicherung einer winzigen Minderheit parasitärer Finanzmagnaten auf Kosten der großen Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung dient.

Da die amerikanische herrschende Klasse keine fortschrittliche Lösung für diese Krise hat, wird sie zu immer blutigeren militärischen Abenteuern getrieben. Auf diese Weise wächst die Gefahr des äußersten "gewalttätigen Extremismus", eines Dritten Weltkriegs.

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