Die Linkspartei stellt sich hinter Schäuble und das europäische Spardiktat

Am vergangenen Freitag stimmte die Linkspartei mit überwältigender Mehrheit für die Verlängerung des sogenannten Hilfsprogramms für Griechenland bis Ende Juni. Bei der Abstimmung im Bundestag votierten 41 Mitglieder der Fraktion Die Linke mit „Ja“, zehn enthielten sich und nur drei stimmten dagegen. Insgesamt stimmten 542 Parlamentarier aller Bundestagsparteien zu, 32 stimmten mit „Nein“ und 13 enthielten sich.

Nur selten wurde der Klassencharakter der Linkspartei als eine im Kern rechte bürgerliche Partei so offen sichtbar. Mit ihrer Zustimmung zur „Griechenland-Hilfe“ stellt sich die Linke hinter die Bundesregierung, die Europäische Union und die Banken und damit die brutale Sparpolitik in Griechenland und ganz Europa. Sie preist öffentlich eine Politik, die sie bisher vorgab abzulehnen.

Vor zwei Jahren definierte Gregor Gysi, der Fraktionsvorsitzende der Linken, die „Griechenland-Hilfen“ in seiner Rede im Bundestag noch wie folgt: „Das Rettungspaket ist also auch diesmal nicht für die Griechinnen und Griechen geschnürt, sondern ausschließlich für die Banken, Vermögensanleger und Hedgefonds. Sie bekommen das Geld, und kein anderer.“

Den Sozialkahlschlag, der mit dem Paket verbunden war, bezeichnete er als „derart unsozial, dass es in mir mehr als Erstaunen auslöst“. Dann warnte er vor einigen Konsequenzen: „Der Mindestlohn in Griechenland muss von 751 auf 586 Euro gekürzt werden... Die Löhne müssen um 22 Prozent gekürzt werden. 15.000 Menschen müssen in diesem Jahr und 150.000 Menschen müssen bis 2014 aus dem öffentlichen Dienst entlassen werden. Die Renten sollen in den nächsten drei Jahren um 14 Milliarden gekürzt werden...“

Noch im Dezember des letzten Jahres hatte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, im Bundestag beteuert: „Wir wollen uns in diese Strategie nicht einbinden lassen. Das ist nicht unsere Politik... Dieser Kurs ist auch deshalb falsch, weil er ein Nährboden für Ressentiments ist und Ausländerfeindlichkeit der Griechen befördert. Wir lehnen ihn ab, weil er im Kern ein Weihnachtsgeld für die Spekulanten ist. Dass wir dabei mitmachen, werden sie niemals erleben.“

Soviel zum „niemals“ der Linkspartei! Obwohl sich an „diesem Kurs“ absolut nichts geändert hat, außer dass er nun von Syriza, der griechischen Schwesterpartei der Linken in Zusammenarbeit mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen umgesetzt wird, verkündete Gysi am Freitag unter dem Gejohle der Regierungsparteien im Bundestag: „Wir stimmen dem Antrag Griechenlands auf Verlängerung des Hilfsprogramms um vier Monate mit großer Mehrheit zu.“

Zur Rechtfertigung griff Gysi dabei auf Propagandalügen zurück, die mittlerweile zur Genüge aus dem Munde des griechischen Ministerpräsidenten Tsipras und seines Finanzministers Varoufakis bekannt sind. „Die Linksregierung in Griechenland bricht nun mit der gescheiterten Kürzungspolitik. Das verändert Griechenland. Das verändert Europa, das verändert auch uns,“ behauptete Gysi. Syrizas Programm sei „das Ende der Troika-Diktatur“ und „eine klare Kampfansage an die gescheiterte neoliberale Politik“.

In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall. Nach der Kapitulation der Tsipras-Regierung vor Schäuble und den Institutionen der Troika am Freitag vor einer Woche schickte Varoufakis am vergangenen Montag eine Sparliste nach Brüssel, die weit über das hinausgeht, was die früheren konservativen und sozialdemokratischen Regierungen Griechenlands je durchsetzen konnten.

Gysi und der Linkspartei ist der rechte Charakter des Programms, für das sie stimmten, dabei genauso bewusst wir ihrer griechischen Schwesterpartei, die es ausarbeitete. Das unterstrich ein entlarvendes Dokument, das die der Linkspartei nahestehende Junge Welt am Samstag veröffentlichte. In einem Brief „informieren“ zwei Führungsmitglieder von Syriza, Dimitris Belantis und Stathis Kouvelakis, die Bundestagsabgeordneten der Linkspartei zunächst über das rechte Programm ihrer Partei, um sie dann aufzufordern, gegen eine Verlängerung des Hilfsprogramms zu stimmen.

Wir zitieren den Brief recht ausführlich, da er den Zynismus und die Arbeiterfeindlichkeit des gesamten kleinbürgerlichen Milieus entlarvt, auf das sich pseudolinke Parteien wie Syriza und Die Linke stützen.

Der Brief beginnt mit den Worten: „Wir wollen Euch und die Partei Die Linke über den Inhalt des provisorischen Vertrags zwischen der griechischen Regierung und der Führung der Euro-Zone vom 20. Februar 2015 informieren – zumindest darüber, wie wir ihn gelesen haben. Gleichzeitig wollen wir Euch eine kurze Einschätzung des Inhaltes der Reformliste geben, die unser Finanzminister Gianis Varoufakis an die Euro-Gruppe geschickt hat. Beide Texte entsprechen nicht den wichtigsten Punkten unseres Wahlprogramms. Schlimmer noch: Die wichtigsten Punkte unseres Programms werden dadurch praktisch außer Geltung gesetzt.“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Dann geht der Brief auf „einige wenige Beispiele“ ein: „Der Anstieg des Mindestlohnes auf 750 Euro wird nicht kurzfristig von unserem Parlament ‚einseitig‘ durchgesetzt werden können. Er kann höchstens eine langfristige Perspektive werden, die unter dem Vorbehalt steht, dass er die Wettbewerbsfähigkeit des Landes in der internationalen Konkurrenz (‚competitivness‘) nicht schwächt. Die schon vollendeten Privatisierungen bleiben in Kraft. Dort, wo das Verfahren noch läuft, soll der Prozess unter ‚Beachtung der Legalität‘ abgeschlossen werden. Eine prinzipiell ablehnende Haltung zu den Privatisierungen kann man in dem Text an keiner Stelle finden.“

Und weiter: „Die wesentliche Kernforderung des Wahlprogramms von Syriza – nämlich Steuererleichterungen für Lohnabhängige und keine Steuer auf Einkommen unter 12.000 Euro wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Fast kein Gesetzesentwurf kann ohne Einverständnis der Troika, die jetzt zu ‚den Institutionen‘ umgetauft wurde, und ohne finanzielle Ausgleichsmaßnahmen eingebracht werden. Auch die Maßnahmen für die Lösung der humanitären Krise dürfen keine negativen finanzpolitischen Konsequenzen haben.“

Es wird noch besser: „Wir möchten betonen, dass die Verlängerung des Finanzierungsvertrags von 2012 für vier Monate politisch und juristisch ohne die Einhaltung der Memoranden mit all ihren juristischen Konsequenzen unmöglich ist. Den Finanzierungsvertrag von den Memoranden zu trennen ist einfach unmöglich. Dies bedeutet, dass die Memoranden und ihre Anwendungsgesetze im wesentlichen ihre Geltung behalten.“

Und dann kommt der Höhepunkt: „Für uns steht fest, dass die Ratifizierung dieses Vertrages durch europäische Parlamente unter Zustimmung der Parteien der Linken den griechischen Lohnabhängigen und dem griechischem Volk nicht nützlich sein kann. (...) Unserer Meinung nach ermöglicht man der griechischen Linken und im besonderen Syriza die Chance, sein Programm zu verwirklichen, wenn man gegen diesen Vertrag stimmt. Ein ‚Ja‘ hingegen öffnet den Weg in eine Welt der falschen Illusionen.“

Falls irgendjemand noch „falsche Illusionen“ in die angeblich „linke“ Politik Syrizas oder der Linkspartei hat, sollte er sich diese Zeilen noch einmal auf der Zunge zergehen lassen: Nachdem die beiden Führungsmitglieder von Syriza erklärt haben, dass das rechte Programm ihrer Partei „den griechischen Lohnabhängigen und dem griechischen Volk nicht nützlich sein kann“, fordern sie die Linkspartei ernsthaft auf, dagegen zu stimmen, damit sie es besser „verwirklichen“ können!

Die Tatsache, dass die Linkspartei mit großer Mehrheit für das sogenannte Hilfsprogramm gestimmt hat, muss der Arbeiterklasse eine Warnung sein. Vor dem Hintergrund der sich rapide verschärfenden Krise des Kapitalismus in ganz Europa ist die Linkspartei bereit, Regierungsverantwortung auf Bundesebene zu übernehmen, um die Sparpolitik in Deutschland und ganz Europa fortzusetzen.

Die herrschenden Eliten haben das Signal verstanden. In einem Kommentar in ihrer Wochenendausgabe schrieb die Süddeutsche Zeitung: „Gysis Leute haben einen Schwenk vollzogen und – erstmals und mit klarer Mehrheit – einem EU-Hilfspaket zugestimmt. Sie tun also, was immer von ihnen verlangt wird: Statt sich am Dogma zu wärmen, dass Europa nur für Bankenmacht steht, haben sie sich rausgewagt in den Frost der Realpolitik, den Genossen von Syriza zuliebe. Zu dieser Selbstüberwindung sollte man der Linkspartei gratulieren.“

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