Islamischer Staat zerstört antike Stätten bei Mossul

Der Islamische Staat (IS) hat unter Einsatz von schwerem Gerät die Reste der antiken assyrischen Hauptstadt Nimrod zerstört, die 28 Kilometer südlich von Mossul lag, der zweitgrößten Stadt des Irak. Den Berichten zufolge haben IS-Milizionäre seit letztem Donnerstag Statuen und Steintafeln in LKWs aus der Stadt gefahren und die Stätte zerstört. Die fundamentalistische Gruppierung hält vorislamische Artefakte für Götzenbilder, die zerstört werden müssen.

Nimrod wurde vor über dreitausend Jahren gebaut und war seit 883 v. Chr. die Hauptstadt des Neuassyrischen Reichs. Das Neuassyrische Reich herrschte von 900 v. Chr. bis 600 n. Chr. über Mesopotamien, wie der Irak in der Antike genannt wurde. Die Sprache seiner Herrscher war entfernt mit dem Arabischen und Hebräischen verwandt.

An der Stätte am Tigris befanden sich monumentale Statuen, Fresken, Privatwohnungen und eine Zikkurat, eine Stufenpyramide wie sie für die mesopotamische Hochkultur charakteristische war. In Nimrod befanden sich einige der großartigsten Elfenbeinschnitzereien der Welt, von denen die meisten jedoch bereits entfernt wurden und in Museen im Irak oder Großbritannien ausgestellt sind.

Eine Woche zuvor veröffentlichte der Islamische Staat ein Video, das zeigt, wie Männer im Museum von Ninive, etwa 32 Kilometer von Nimrod entfernt, Statuen mit Vorschlaghämmern zerschlagen. Ninive war nach 705 n. Chr. Hauptstadt des Neuassyrischen Reichs.

In den letzten Wochen setzte der IS außerdem die Zentralbibliothek von Mossul an mehreren Stellen in Brand. Schätzungen darüber, wie viele Bücher und Manuskripte zerstört wurden, reichen von 8000 bis zu 10.000. In der zentral gelegenen Al-Nujaifi-Straße wurden Bücherläden niedergebrannt, außerdem wurden antike christliche Klöster verwüstet.

Am Wochenende berichtete Associated Press, dass Einwohner in der Nähe von Hatra gesehen hätten, wie IS-Kämpfer Artefakte aus der zweitausend Jahre alten Stadt entfernten. Hatra, das etwa 100 Kilometer südwesltich von Mossul liegt, wurde während der Zeit des Seleukidenreichs im zweiten oder dritten Jahrhundert v. Chr. Gebaut. In den darauf folgenden Jahrhunderten wurde sie von den Parthern, den Römern und dem Königreich Araba regiert, einem der ersten vorislamischen arabischen Reiche.

Abgesehen von den hohen Verlusten an Menschenleben ist die Zerstörung der Vergangenheit eines der schrecklichsten Produkte des Konflikts, der mit dem amerikanischen Einmarsch im Irak 2003 begann. Ein ganzes Volk wird seiner historischen Wurzeln beraubt, und das geschichtswissenschaftliche Studium der Vergangenheit Mesopotamiens hat einen schweren Schlag erlitten.

Das Verbrechen begann am 10. April 2003, als die amerikanischen Besatzungstruppen in Bagdad trotz Warnungen von Archäologen die Plünderung des Nationalmuseums zuließen. Dabei gingen zehntausende historische Artefakte von großem künstlerischem und wissenschaftlichem Wert verloren. Nur die Hälfte der Artefakte wurde wiedergefunden. Das amerikanische Militär beschoss das Museum und verstieß damit gegen Verordnungen zum Schutz des kulturellen Erbes.

Im ersten Monat der Besetzung wurden Dutzende weiterer Museen und Büchereien angezündet oder geplündert, darunter das Museum von Mossul, wo die zweitausend Jahre alte Statue des Partherkönigs Saqnatroq II. gestohlen wurde.

Von 2003 bis 2004 besetzten amerikanische Soldaten die archäologischen Stätten des antiken Babylon. Sie hoben Wassergräben in Ausgrabungsgebieten aus, füllten Sandsäcke mit Ziegeln, auf denen Aufzeichnungen in Keilschrift eingeritzt waren und legten sogar einen Hubschrauberlandeplatz an. Die Vibrationen der amerikanischen Flugzeuge brachten dabei ganze Tempel zum Einsturz.

Der Archäologe Zainab Bahrani von der Columbia University erklärte im Jahr 2007: „Die Schäden an Babylon sind umfangreich und irreparabel. Die Besetzung hat zu einer schrecklichen Zerstörung der Geschichte geführt, die weit über die Plünderung und Zerstörung von Museen und Büchereien nach der Einnahme von Bagdad hinausgeht. Seit 2003 wurden mindestens sieben historische Stätten [wie Babylon] von den USA verwüstet. Im Herzen von Samarra, wurde im Jahr 2006 der Al-Askari-Schrein bombardiert, der von Naser al-Din Schah erbaut wurde.“

Die Zerstörung und Plünderung archäologischer Stätten ging seither ununterbrochen weiter. Die archäologischen Stätten und Ruinenhügel, die vormals bewohnte Gebiete bedeckten, wurden mit Baggern ausgegraben, und Privatpersonen haben vom Verkauf der Ausbeute auf dem Antiquitätenmarkt profitiert.

Die New York Times wies im Jahr 2010 auf die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und Antiquitätendieben in Teilen des Südirak hin, die von schiitischen Milizen kontrolliert wurden. Eines der großen Kulturverbrechen, das die amerikanische Besatzung im Irak begangen hat, war die Bombardierung der al-Mutanabbi-Straße, der historischen Buchhändlerstraße in Bagdad, am 5. März 2007.

Auch Nimrod und Ninive wurden während der amerikanischen Besetzung mehrfach geplündert. Der fortgeschrittene Verfall von Nimrod hatte Archäologen bereits vor der Zerstörung durch den IS große Sorgen bereitet.

Die amerikanischen und europäischen Medien äußern ihre „Erschütterung“ und „Empörung“ über die Zerstörung von Kulturgütern durch den IS. Irina Bokowa, die Direktorin der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), erklärte: „Wir können nicht schweigen. Die vorsätzliche Zerstörung von kulturellem Erbe ist ein Kriegsverbrechen.“

Die irakische Regierung hat den Vandalismus des IS schamlos benutzt, um eine Verschärfung der Intervention der USA und der Anti-IS-Koalition im Irak zu fordern.

Doch die Mainstreammedien, UNESCO und die erbärmlichen Lakaien der USA in der irakischen Regierung verschweigen den tieferen Grund und den Charakter dieser Barbarei und vermeiden es, den Hauptverantwortlichen für die Zerstörungen der Vergangenheit zu nennen: den amerikanischen Imperialismus.

Die Zerstörung des irakischen und auch des syrischen kulturellen Erbes ist das Ergebnis von zwölf Jahren fast andauernder imperialistischer Militärinterventionen in der Region.

Die Invasion und Besetzung des Irak durch die USA und die die ethnischen und religiösen Konflikte die der US-Imperialismus geschürt hat, haben fast eine Million Iraker das Leben gekostet. Dutzende Millionen wurden zu Binnenvertriebenen und leben in Armut. Die Versorgungsinfrastruktur und das irakische Gesundheitssystem wurden zerstört und noch nicht wieder aufgebaut. Die World Socialist Web Site bezeichnete diesen Prozess treffend als „Soziozid“, das ist die „vorsätzliche und systematische Zerstörung einer ganzen Gesellschaft.“

Das gleiche gilt für die gegenwärtigen Zerstörungen verantwortlich, die rechte politische Bewegungen wie der IS verursachen. Vor der amerikanischen Invasion gab es im Irak keine Al Qaida-Präsenz, und auch keine Plünderung der archäologischen und kulturellen Institutionen des Landes.

Die Hauptverantwortlichen für die Zerstörung von Nimrod, Ninive und Hatra sind Bush, Cheney, Wolfowitz, Rumsfeld, Rice und Powell. Diese Liste ließe sich noch durch den Namen Barack Obamas ergänzen, der die Besetzung des Irak noch fast drei Jahre weiter führte und jetzt einen neuen Krieg im Irak und in Syrien begonnen hat, der zur weiteren Zerstörung des historischen und kulturellen Erbes der Region und mehr zivilen Todesopfern und Flüchtlingen führen wird.

Der Vandalismus des IS ist auch ganz unmittelbar ein Ergebnis des Vorgehens der USA. Die CIA und die mit den USA verbündeten Golfmonarchien, die Türkei und Jordanien, haben die Islamisten, die in Syrien gegen Präsident Baschar al-Assad kämpfen finanziert und bewaffnet, um einen Regimewechsel in Syrien herbeizuführen. Dabei wurden auch in Syrien zahlreiche Kulturgüter zerstört.

Bereits im letzten Jahr kamen die Vereinten Nationen zum Ergebnis, dass 24 archäologische Stätten völlig zerstört, 189 schwer oder mittelschwer beschädigt, und weitere 77 möglicherweise beschädigt wurden. Alle sechs Welterbestätten in Syrien wurden beschädigt.

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