Perspektive

Griechenland und die Diktatur des Finanzkapitals

Es ist schon oft bemerkt worden, dass der Nutzen von Krisen darin besteht, die wesentlichen Charakteristika politischer Phänomene zu enthüllen. Die griechische Schuldenkrise und die Versuche der von Syriza geführten Regierung, die Rückzahlungsbedingungen mit der Europäischen Union zu verhandeln, sind ein schlagender Beweis dafür.

Die Ereignisse seit dem Wahlsieg Syrizas am 25. Januar haben erneut die grundlegende Aussage des Marxismus bestätigt. Die bürgerliche Demokratie mit ihren Parlamenten, Wahlen, und Verfassungen, der kapitalistische Staat und die ihm dienende Regierung repräsentieren die Diktatur des Kapitals.

Ebenso entlarven sie die Position kleinbürgerlicher Organisationen wie Syriza, die von pseudolinken Organisationen in aller Welt unterstützt werden, dass es möglich sei, dieser Diktatur mittels radikaler Phrasen und taktischer Manöver im Rahmen bürgerlicher Politik entgegenzutreten.

Am vergangenen Sonntag erklärte Luc Coene, der Vorsitzende der belgischen Zentralbank und Mitglied des Rats der Europäischen Zentralbank in einem Interview mit der belgischen Tageszeitung De Tijd, dass das Finanzkapital keinen Widerstand gegen seine Forderungen dulden wird.

Der Wille der griechischen Wähler, die millionenfach gegen die seit fünf Jahren andauernde Massenarbeitslosgkeit, Armut und Verelendung durch die Troika gestimmt haben, hat für sie keine Bedeutung. Die Austeritätspolitik, welche die Wirtschaft ruiniert und Leben und Hoffnungen zerstört hat, geht unvermindert weiter. Das Bruttoinlandsprodukt liegt heute um 26 Prozent niedriger als vor 2008.

In der Pose eines gestrengen Schulmeisters, nur mit viel machtvolleren Werkzeugen als dem eines Rohrstocks ausgestattet, sagte Coene, dass die griechische Bevölkerung auf „falsche Versprechungen“ hereingefallen sei und „schnell feststellen“ werde, dass es „keinen anderen Weg“ gebe.

Er erklärte: „Reformen sind der einzige Weg. Sagen Sie mir, wo das Geld herkommen soll, wenn die Griechen aufhören würden, die Schulden bei anderen europäischen Ländern zurückzuzahlen.“

Hier werden alle Lügen wiederholt, die von Anfang an das „Rettungsprogramm“ begleitet haben. Es ist fester Bestandteil der Propaganda, die griechische Bevölkerung als faule Schmarotzer hinzustellen, die die Großzügigkeit europäischer Regierungen und Finanzinstitutionen ausnutzen und ihre Schulden nicht zurückzahlen wollen.

Tatsache ist aber, dass das so genannte Bailout Programm nie beabsichtigte, der griechischen Bevölkerung zu helfen. Vielmehr wurden damit die europäischen Banken und Hedge Fonds gerettet. Von den 226,7 Milliarden Euro an Krediten der Länder der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds dienten nur elf Prozent der Finanzierung des griechischen Haushalts.

Mit dem übrigen Geld wurden entweder Zinszahlungen an die Banken finanziert oder die Abschreibung ihrer faulen Kredite verhindert. Der größte Teil des Geldes wurde praktisch unter Umgehung Griechenlands direkt an die europäischen Banken überwiesen.

Dieser sorgfältig ausgeheckte Plan sollte sicherstellen, dass eine Zahlungsunfähigkeit der griechischen Regierung keine nachteiligen Folgen für das europäische Bankensystem habe. Das hat zur Folge, dass die Troika ihre Schlinge um den Hals der griechischen Bevölkerung noch enger ziehen kann. Coene drückte das so aus: „Wenn sie den Euro verlassen, dann wird es für sie zehnmal schlimmer.“

Die andere Lüge des Bailout-Programms lautete, dass „kein Geld“ da sei und dass die griechische Bevölkerung deshalb bezahlen müsse. Auch dies ist entlarvt worden.

Coenes Interview wurde kurz vor dem Start der sogenannten „quantitativen Lockerung“ der EZB am Montag veröffentlicht. In den kommenden achtzehn Monaten wird die EZB durch den Kauf von Staatsanleihen mehr als eine Billion Euro in das europäische Finanzsystem pumpen.

Es ist jede Menge Geld vorhanden. Aber es wird nicht dazu benutzt, um Wirtschaftswachstum, neue Industrie- oder Infrastrukturprojekte, oder eine Senkung der Arbeitslosigkeit zu finanzieren, die in der Eurozone insgesamt bei über elf Prozent liegt.

Die hunderte Milliarden Euro, die die EZB druckt, fließen in die Finanzmärkte und ermöglichen es den Banken, ihre vergifteten Papiere abzustoßen und die Aktienwerte und damit den Reichtum der Finanzoligrchie weiter zu vergrößern.

Die gleichen Institutionen belehren derweil die griechische Bevölkerung über ihre Verpflichtung, jeden geschuldeten Euro zurückzuzahlen

Der Aufkauf von Staatsanleihen und das Drucken von Geld durch die EZB läuft auf das größte Schneeballsystem in der Wirtschaftsgeschichte hinaus. In ganz Europa werfen Staatsanleihen historisch niedrige und selbst negative Erträge ab. Das bedeutet, dass jeder Käufer, der eine Staatsanleihe bis zu ihrer Fälligkeit hält, insgesamt einen Verlust erwirtschaftet.

Natürlich ist das nicht das Ziel der Anleihebesitzer. Sie kaufen Anleihen, treiben ihre Preise hoch und drücken ihre Verzinsung, in der Erwartung, dass die Intervention der EZB den Preis der Bonds, die sie erworben haben, noch höher treibt und dass sie an ihrem Verkauf verdienen können.

Wie alle Schneeballsysteme schafft auch die EZB-Operation die Bedingungen für eine weitere Finanzkrise. Und weil dieses Mal die Zentralbank direkt involviert ist, hätte sie das Potential, noch schwerwiegendere Schäden anzurichten, als die vorherige, die zu den Zerstörungen führte, unter denen die griechische und die Weltwirtschaft noch heute leiden. Kurz gesagt: die kriminellen Finanzmanager, die den Finanzkrach von 2008 zu verantworten haben, und für den keiner von ihnen zur Verantwortung gezogen wurde, bereiten das Ganze noch einmal vor.

Nicht weniger drastisch als die Enthüllung des diktatorischen Charakters des Finanzkapitals ist die Entlarvung des Klassencharakters der kleinbürgerlichen Organisationen wie Syriza. In den letzten Wochen gab es den Versuch, Syrizas vollständige Kapitulation vor der EU nur einen Monat nach ihrem Wahlsieg, als Taktik oder cleveres Manöver zu werten, um Zeit zu gewinnen und das Pulver trocken zu halten. Es ist nichts dergleichen

Die kriecherische Kapitulation Syrizas entstammt ihrem Klassencharakter. Sie hat ihre Wurzeln nicht in der Arbeiterklasse, sondern in Teilen der griechischen Bourgeoisie und wohlhabenderen Schichten der Mittelklassen, was sie mit radikal klingenden Phrasen zu verdecken versuchte.

Politisch naive und unerfahrene Menschen haben sich davon vielleicht täuschen lassen. Wenn das so ist, dann sollten sie aus der Erfahrung lernen, ihren Fehler korrigieren und den Kampf aufnehmen, die pseudolinken Gruppen zu entlarven, die weiterhin die gefährliche Fiktion nähren, Syriza sei ein Schritt vorwärts für die Arbeiterklasse.

Die Manager der Diktatur des Finanzkapitals ließen sich jedoch nicht täuschen. Sie wussten von Anfang an, mit wem sie es zu tun hatten und handelten entsprechend. Sie waren sich in ihrer Einschätzung des bürgerlichen Charakters von Syriza derart sicher, dass sie es nicht einmal für notwendig hielten, ein Zugeständnis als Feigenblatt anzubieten. Sie verlangten und erhielten die totale Kapitulation

Die Arbeiterklasse in Griechenland und international muss Lehren aus dieser bitteren Erfahrung ziehen. Die Diktatur des Finanzkapitals kann nicht mit einem Programm „linker“ Phrasen und Halbheiten besiegt werden. Sie muss durch den Kampf um die Arbeitermacht auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programm gestürzt werden, angefangen mit der Enteignung der Banken und des Finanzkapitals.

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