Varoufakis biedert sich an deutsche Regierung an

Der Auftritt des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis in der Talk-Sendung von Günther Jauch war ein erbärmliches Schauspiel, das den politischen Bankrott Syrizas versinnbildlichte. Während die deutsche Bourgeoisie an Griechenland ein Exempel für die eigene Dominanz in Europa und rücksichtslose Angriffe auf die Arbeiterklasse statuiert, erhofft Syriza, durch Unterwürfigkeit und Stiefelleckerei ein wenig Spielraum zu erhalten.

Neben Varoufakis hatte Jauch am Sonntagabend die taz-Korrespondentin Ulrike Herrmann, den bayrischen Wirtschaftsminister und CSU-Rechtsaußen Markus Söder sowie den Bild-Kolumnisten Ernst Elitz eingeladen.

Allein die Einladung eines Vertreters der Bild-Zeitung spricht Bände über die Ausrichtung der Sendung. Das Boulevardblatt hatte in den vergangenen Wochen eine üble, chauvinistische Kampagne gegen die griechische Bevölkerung losgetreten, die wegen ihrer politischen Ausrichtung sogar vom Deutschen Journalisten Verband (DJV) gerügt wurde.

Elitz war einer der Urheber dieser Kampagne. Nur wenige Tage vor der Talksendung hatte er dazu aufgerufen, die griechischen Vertreter aus den Verhandlungen über die Kreditvereinbarungen „hochkant rauszuschmeißen“. „Raus mit euch und eurem Grixi-Graxi!“, schrieb er in einer Kolumne. Dieser Schmierfink wurde nun in die wichtigste Talksendung des gebührenfinanzierten öffentlich rechtlichen Fernsehens eingeladen und gab den Ton der Sendung an.

Sowohl Moderator Jauch als auch Söder ergingen sich in Behauptungen über „die Deutschen“, die nicht mehr bereit seien, für „die Griechen“ zu zahlen, die zwar „hilfsbereit, aber nicht naiv“ seien etc. Immer wieder bemühte sich Jauch, Varoufakis zu unterstellen, er habe die deutsche Regierung beleidigt.

Jauch arbeitete sogar mit einer üblen Fälschung. Er zeigte ein zwei Jahre altes Video, in dem Varoufakis auf einer Konferenz in Zagreb erklärt, Griechenland hätte 2010 Insolvenz anmelden und den Deutschen den Finger zeigen sollen. Das Video war so zusammengeschnitten worden, dass sich der Zusammenhang zu 2010 nicht ergab. Stattdessen behauptete Jauch, das Video beziehe sich auf Kredite des deutschen Staates an Griechenland, die erst nach dem Beinahe-Bankrott von 2010 vergeben worden waren.

Varoufakis reagierte auf den gehässigen Chauvinismus und die Fälschungen des Ersten Deutschen Fernsehens, indem er sich devot an die deutsche Regierung anbiederte, tiefgreifende Sparmaßnahmen versprach und seinen deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble (CDU) umschmeichelte. Die Sendung bezeichnete er als „fruchtbaren Dialog“.

Immer wieder versicherte er, dass seine Regierung ihr Bestes tun werde, „um sicherzustellen, dass alle Gläubiger ihr Geld zurück bekommen“. „Unsere Absicht ist es, alles zu unternehmen, um jeden einzelnen Euro zurückzuzahlen“, sagte er. Er bekannte sich auch zur bedingungslosen Verteidigung der Europäischen Union: „Wir haben die moralische Verpflichtung, dass das Projekt Eurozone am Leben bleibt.“ Schließlich beteuerte er, er habe schon 2013 im Handelsblatt geschrieben, Europa brauche „ein hegemoniales Deutschland“.

Die Vorgängerregierungen in Griechenland kritisierte Varoufakis, weil sie versprochene Reformen zu schleppend umgesetzt hätten. „Um immer mehr Anleihen zu bekommen von den europäischen Partnern, haben sie immer wieder Reformen versprochen, die sie nie umzusetzen beabsichtigt haben.“

Die Syriza-Regierung werde nichts unternehmen, was erneut zu einem Primärdefizit führe, versicherte Varoufakis. Während die alte Regierung 50.000 neue Einstellungen vornehmen wollte, habe seine Regierung diese Zahl reduziert, „weil wir wollen, dass die Finanzen gesund sind“. Zunächst seien nur 2.000 illegal entlassene Staatsbeschäftigte wieder eingestellt worden.

Als Günther Jauch seinem Gast unterstellte, er habe Schäuble beleidigt, setzte Varoufakis zu einer wahren Lobeshymne auf den deutschen Finanzminister an. Schäuble ist einer der wesentlichen Architekten des Spardiktats in Griechenland und gehört deshalb in Deutschland und in Europa zu den meistgehassten Politikern.

Varoufakis betont jedoch, er habe Schäuble niemals beleidigt. „Um Gottes Willen“, sagt er. „Das Gegenteil ist richtig. Nennen Sie mir eine Gelegenheit, wo ich etwas anderes gesagt habe als Komplimente zu Herrn Dr. Schäuble. Das sage ich jedem ins Gesicht: es war ein Privileg für mich, Herrn Dr. Schäuble kennenlernen zu dürfen, ihn zu treffen, einen intellektuell angelegten Europäer. [...] Ich habe Bücher veröffentlicht, Artikel geschrieben, Vorträge gehalten in ganz Europa, in denen ich immer wieder gewarnt habe vor griechischer Propaganda gegen Deutschland.“

Markus Söder beantwortete diese Schmeichelei mit der Forderung, das deutsche Diktat anstandslos zu befolgen. „Ich finde es toll, wenn sie jetzt sagen, sie wollen Wolfgang Schäuble folgen“, sagte er. „Sie sollten es nicht nur heute machen, sondern vielleicht generell.“ Varoufakis ließ diese Frechheit völlig unkommentiert.

Selbst als die Runde auf den Zwangskredit zu sprechen kam, den die deutschen Besatzer 1942 von der griechischen Zentralbank eingetrieben hatten, machte Varoufakis einen Rückzieher. Syriza hatte angekündigt, die Rückzahlung dieses Kredites, der sich heute auf acht bis elf Milliarden Euro beläuft, von der deutschen Regierung einzufordern. Die Bundesrepublik hatte sich bisher stets geweigert, diesen Kredit anzuerkennen.

„Ich hätte es sehr sehr gerne, wenn dieses Thema jetzt vom Tisch käme und wenn wir das ein für alle mal beilegen könnten“, sagte Varoufakis. Es gehe nicht um eine finanzielle, sondern um eine moralische Frage, fuhr er fort und schlug vor, die Schuld mit der Zahlung eines einzigen Euros zu begleichen.

Die grenzenlose Speichelleckerei Varoufakis‘ ist Ausdruck der bankrotten Perspektive der regierenden Koalition der Radikalen Linken (Syriza). Die Partei des neuen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, die im Januar die Wahlen gewann, hatte gehofft, durch einige taktische Manöver und das Ausspielen von Differenzen in der Eurozone einen gewissen Spielraum zu erhalten, um ihre Klientel befriedigen zu können. Diese findet sich in Teilen der griechischen Bourgeoisie und wohlhabenden Mittelschichten.

Varoufakis verkörpert wie kein anderer die Klassenhaltung der neuen Regierung. Am Freitag veröffentlichte die Zeitschrift Paris Match mehrere Fotos des Finanzministers und seiner Frau in ihrem Penthouse in einem der teuersten Stadtviertel Athens unterhalb der Akropolis. Varoufakis hatte sie als Homestory im Dolce-Vita-Stil anfertigen lassen.

Die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, die Europäische Union und deren Schuldenregime hat Syriza nie in Frage gestellt. Das letzte, was diese Partei wollte und will, ist eine Mobilisierung der Arbeiterklasse, die den Kapitalismus und die EU erschüttern könnte. Das gilt sowohl für Griechenland wie für Europa als Ganzes. Zu keinem Zeitpunkt wandte sie sich an die Arbeiter Deutschlands und anderer europäischer Länder und rief sie zum Kampf gegen die eigene Regierung auf.

Stattdessen schwankt die Syriza-Regierung zwischen großspurigen Ankündigungen und serviler Anbiederung. Die Klassenlogik ihrer Politik führt sie zur immer weiteren Unterwerfung unter die Brüsseler-Bürokratie und die deutsche Regierung. Je schärfer Merkel und Schäuble auftreten, desto mehr werden sie von Tsipras und seinen Ministern umschmeichelt. Längst hat die griechische Regierung eingewilligt, mit den Institutionen aus Brüssel neue Kürzungen auszuarbeiten. Syriza ist zum wichtigsten Werkzeug geworden, das Spardiktat gegen die Bevölkerung durchzusetzen.

Schäuble geht die Unterwerfung Syrizas aber noch nicht weit genug. Er beantwortete Varoufakis‘ Anbiederung mit immer neuen Angriffen auf das griechische Kabinett. „Sie haben alles Vertrauen zerstört. Das ist ein schwerer Rückschlag“, sagte Schäuble am Montag bei einer Diskussionsveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Er warf der Regierung vor, Absprachen zu brechen und Konzepte vorzulegen, die „so nicht funktionieren“.

Unterstützung erhielt Schäuble vom deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der Tsipras aufrief, an weiteren Vorschlägen zur Erfüllung der europäischen Verpflichtungen zu arbeiten.

Loading