Großbritanniens Pseudolinke entlarvt sich

Die schottische pseudolinke Gruppierung Solidarity Scotland ruft zur Wahl der Scottish National Party bei den kommenden britischen Parlamentswahlen am 7. Mai auf. Zuvor schon hatte ihr Vorsitzender Tommy Sheridan monatelang für eine Wahl der SNP geworben.

Eine große Mehrheit von etwa 65 Delegierten der Solidarity-Konferenz stimmte für diesen Kurs. Eine Erklärung des Solidarity-Vorstandes bezeichnete die Wahl der SNP als Abgabe einer "fortschrittlichen Stimme gegen die roten, gelben und blauen Tories," die "Schottland im letzten September die Unabhängigkeit verweigert haben."

Die Entscheidung ist nicht nur für Sheridan und seine Anhänger bei Solidarity ein Armutszeugnis, sondern für das ganze pseudolinke Milieu in Großbritannien. Sie ist das logische Endprodukt ihrer ständig stärkeren Anpassung an schottischen Nationalismus. Ein gutes Beispiel hierfür lieferte ihre "Hope Over Fear"-Kampagne (Hoffnung statt Ängstlichkeit) für die Unabhängigkeit Schottlands beim Referendum im letzten September, die von Sheridan angeführt wurde.

Sheridan und Solidarity unterstützen offen eine Partei, die den Angriff auf die Arbeiterklasse verschärfen und weltweit die Interessen des britischen Imperialismus durchsetzen will. Die SNP ist in Schottland seit 2007 in der Regierung und seit 2011 stärkste Kraft. In dieser Zeit hat sie zuverlässig alle Maßnahmen umgesetzt, die die konservative Regierung in Westminster von ihr gefordert hat. Sie unterstützt das Nato-Militärbündnis und die Europäische Union, und ihre ganze Perspektive beruht darauf, die Körperschaftssteuer zu senken, um Schottland in ein Billiglohnland für Banken und Konzerne zu verwandeln, die Zugang zum europäischen Markt suchen.

Die Labour Party hat in Schottland so viel Rückhalt verloren, dass die SNP Umfragen zufolge 40 Sitze im britischen Unterhaus in Westminster gewinnen könnte. Bisher hat sie nur sechs Sitze. In den Diskussionen über die mögliche Zusammensetzung der nächsten britischen Regierung wird am häufigsten über eine Art Tolerierungsabkommen zwischen der SNP und Labour spekuliert, bei dem die SNP von Fall zu Fall entscheiden würde, Labour-Initiativen zu unterstützen. Die SNP unterscheidet sich von den großen Parteien in Westminster nur durch ihren Versuch, mehr Zugeständnisse für die schottische Elite auszuhandeln.

Als Reaktion auf die Entscheidung von Solidarity versuchten Mitglieder der Socialist Party Scotland (SPS), sich von dieser Organisation zu distanzieren, der sie und die schottischen Anhänger der Socialist Workers Party seit 2006 angehört haben.

In einer Stellungnahme, in der die SPS ihren Austritt aus Solidarity erklärt, heißt es: "Die Entscheidung von Tommy Sheridan und Solidarity ist eine deutliche Abkehr von einer prinzipienfesten sozialistischen Position und eine politische Rechtswende. …Tommy und eine Mehrheit der Solidarity-Mitglieder verfolgen momentan einen Kurs, mit dem wir nicht länger in Verbindung gebracht werden wollen."

In Wirklichkeit wird man die SPS immer mit den Positionen Sheridans verbinden. Er war das Aushängeschild ihrer eigenen verkommenen politischen Manöver mit dem schottischen Nationalismus seit den 1990er Jahren.

Wenn die SPS behauptet, die Hinwendung von Solidarity zur SNP hätte erst nach dem Kampf für das Referendum begonnen, so lügt sie. Sheridan war in jüngeren Jahren eine führende Persönlichkeit der Militant Tendency in Schottland und führte ihre Kampagne gegen die Kopfsteuer an. Nachdem Labour immer weiter nach rechts gerückt war, begann er, mit der Strategie der Gruppe zu brechen, die Labour Party zu unterwandern. Das beschrieb er als die "schottische Wende."

Scottish Militant Labour entwickelte sich zur stärksten Kraft in der Scottish Socialist Party (SSP). Diese hatte sich 1998 durch Zusammenschluss mit anderen pseudolinken Gruppen und Stalinisten gegründet, um Sitze im kurz zuvor entstandenen schottischen Parlament zu ergattern. Seit seinem Bruch mit der Labour Party verfolgte Sheridan systematisch eine politische Karriere auf der Grundlage des dezentralisierten schottischen Parlaments und des schottischem Nationalismus. Dass die britische Mutterorganisation der Gruppe, das Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI), die Unabhängigkeit Schottlands unterstützte, hielt Sheridan jedoch nicht davon ab, sich von ihr unabhängig zu erklären. Andererseits blieb auch das CWI weiterhin mit Sheridan inoffiziell verbündet.

Die SSP gab nicht einmal mehr vor, für den Sozialismus in Großbritannien, geschweige denn international zu kämpfen und propagierte stattdessen die Unabhängigkeit Schottlands als Grundlage für Sozialreformen im Rahmen des Kapitalismus. Auf dieser Grundlage inszenierte sich die Partei als linke Alternative zu Labour und der SNP. Bei der Wahl in Schottland 2003 gewann die SSP sechs Sitze im schottischen Parlament. Sheridan konnte sich als Parteichef in den Medien einen Ruf als Populisten aufbauen, der links klingende nationalistische Töne spuckt.

Die SSP zerbrach jedoch von 2004 bis 2006 an einem prinzipienlosen Fraktionskampf mit Sheridans einstigen engen Verbündeten unter Führung von Alan McCoombes. McCoombes hatte mit der Polizei und Rupert Murdochs mittlerweile eingestellter Zeitung News of the World zusammengearbeitet und mit seiner Zeugenaussage geholfen, Sheridan wegen Meineids vom Dezember 2010 bis Januar 2012 hinter Gitter zu bringen.

Die SPS und die SWP beteiligten sich an Sheridans Gründung von Solidarity Scotland. Die restliche SSP wetteiferte danach mit Solidarity in der Lobhudelei für die SNP und die angeblich fortschrittliche Unabhängigkeit Schottlands.

Schon im April 2007 sagte die WSWS voraus, dass Sheridans damalige Empfehlung zur Stimmabgabe für die regionale SNP-Liste bei der schottischen Parlamentswahl seine politische Entwicklung ins Lager dieser nationalistischen Partei ankündigt. Auch erklärten wir damals: "Obwohl SWP und SPS den größten Teil der Mitgliedschaft von Solidarity stellen, haben sie beide nicht gegen Sheridans nationalistische Tiraden protestiert." Während der Nachwahl in Glasgow East 2008 erklärte schließlich Sheridan unverblümt: "Ganz ehrlich gesagt hoffe ich, dass die SNP gewinnt und nicht Labour."

Sheridan kommentierte den Sieg der SNP in Glasgow East mit den Worten: "Lassen Sie uns klarstellen, dass es ein Sieg für eine Partei links der Mitte ist, die Glasgows radikale Tradition fortführt ..."

In einem Interview 2011 aus seiner Gefängniszelle gab Sheridan anlässlich der schottischen Parlamentswahl zu Protokoll: "Eine Mehrheit für die SNP wäre das beste Ergebnis. Ein entschlossenes Vorgehen unter Führung einer SNP-Regierung könnte die Konservativen und Liberaldemokraten zurückdrängen und Schottland vereinigen."

Während der Kampagne für das schottische Referendum 2014 leitete Sheridan die pronationalistische Intervention der SPS und der SWP, parallel zu ähnlichen Kampagnen der Radical Independence Convention und der SSP. Seine “Hope Over Fear”-Wahlauftritte ("Hoffnung statt Ängstlichkeit") trieften von plumper nationalistischer Demagogie, die Bühnen schmückten schottische Flaggen. Die Kampagne erhielt großen Zulauf von Arbeitern, die von Sheridan und seinen Anhängern vor den Karren der SNP und des schottischen Nationalismus gespannt wurden.

Damals stellten die SPS und die SWP „Tommy" kritiklos als die authentische Stimme des Sozialismus dar. Jetzt gibt die SPS Sheridans Rolle während "Hope Over Fear"-Kampagne zu: "Tommy hat im Großen und Ganzen nicht vor der SNP gewarnt ... Er hat auch nicht erklärt, warum es notwendig ist, eine neue Partei der Arbeiterklasse für den Kampf gegen die prokapitalistischen Vorstellungen der SNP-Führung aufzubauen."

Weiter heißt es: "Tommy wurde allgemein als Kämpfer der Arbeiterklasse angesehen, als jemand, der zahlreiche Kämpfe geführt hat und sich von der SNP-Führung unterschied. Durch seine führende Rolle in der Kampagne konnte er wieder die Unterstützung der Massen gewinnen."

Die SPS und die SWP sind direkt dafür verantwortlich, dass Sheridan "die Unterstützung der Massen" genießt, und sie sind ebenso dafür verantwortlich, dass er diese Unterstützung zugunsten der SNP einsetzt.

Erst nach der Abstimmung über das Referendum brachen die öffentlichen Streitigkeiten mit Sheridan aus. Die SPS und der Rest der Ex-Linken hofften, ein neues, von der SNP organisatorisch unabhängiges Wahlbündnis aufbauen zu können, das dem schottischen Nationalismus einen linken Deckmantel verschaffen könnte. Auf diese Weise könnten sie Arbeiter, die eine Alternative zur Labour Party suchen, an die prokapitalistische Perspektive des schottischen Separatismus binden und zugleich den Führern diverser pseudolinker Gruppen Einfluss und lukrative Posten in Holyrood, Glasgow und anderen Kommunen sowie im akademischen und künstlerischen Milieu sichern.

Ihr unmittelbares Ziel bestand jedoch in einem Wahlpakt mit der SNP als Teil des „Ja“-Lagers, das der Unabhängigkeit Schottlands zustimmt.

Sheridans Plan ging jedoch nicht auf. Alex Salmond und die SNP-Führung brauchten seine Dienste und diejenigen der Pseudolinken nicht mehr. Im Wahlkampf hatten die Pseudolinken die SNP unterstützt und als oppositionelle Kraft dargestellt. Dadurch hatte sie bis zu 100.000 neue Mitglieder gewonnen. Die SNP war entschlossen, ihre Macht zu nutzen, um von Westminster Zugeständnisse für die schottische Bourgeoisie zu erzwingen, vorzugsweise durch ein faktisches Bündnis mit Labour. Zu enge Beziehungen zu den Pseudolinken galten jetzt als hinderlich.

Auch Sheridan wusste, woher der Wind wehte. Er schrieb kurz nach dem Referendum: "Alle, die mit Ja gestimmt haben, sollten bei der Wahl im Mai die SNP wählen, um das Lager der Befürworter der Unabhängigkeit so stark wie möglich zu machen ..." Selbst darauf reagierten die SPS und die SWP nur mit einer höflichen Rüge für Sheridans "Fehler".

Am 23. September schrieb die SWP: "Tommy Sheridan hat eine erstaunliche Rolle in der Kampagne gespielt. Bei Veranstaltungen sprach er vor über 25.000 Menschen und begeisterte viele weitere. Anstatt die SNP zu decken, sollte er eine führende Rolle beim Aufbau der Linken spielen... Solidarity hat für den 25. Oktober zu einer Konferenz eingeladen, die von Tommy Sheridan mitorganisiert und von der SWP unterstützt wird. Sie wird eine gute Gelegenheit für Debatten sein."

Die "Debatte" zog sich bis letzten Monat hin, als Sheridan nicht nur seine Absicht deutlich machte, zur Wahl der SNP aufzurufen, sondern auch, dass er sich damit notfalls gegen Kandidaten der SPS und der SWP stellen würde, die als Teil der Trade Unionist and Socialist Coalition (TUSC) antreten - einer Wahlliste, die von Teilen der Gewerkschaftsbürokratie unterstützt wird.

Auf der Solidarity-Konferenz erklärte Sheridan: "Ich habe mein ganzes Leben lang eine Massenpartei der Arbeiterklasse gefordert. Die SNP ist zu einer Massenpartei der Arbeiterklasse geworden. Ihre Führung stammt zwar aus der Mittelschicht, einige von ihnen sind mit Sicherheit keine Sozialisten, sondern überzeugte Anhänger der freien Marktwirtschaft. Aber Tatsache ist, dass diese Partei in Schottland fast 100.000 Wähler hat, und dass sich die Arbeiterklasse an ihr orientiert."

Das lässt keinen anderen Schluss zu, als dass Sheridan hofft, selbst einen Weg in die "Massenpartei der Arbeiterklasse" zu finden, zu der er die SNP erklärt hat. Aber selbst an diesem Punkt sind die Pseudolinken bemüht, ihre Beziehungen zu Sheridan und den offen nationalistischen Elementen zu wahren, für die er spricht. Die SPS nennt Sheridan in der Erklärung, in der sie ihre Spaltung von Solidarity bekannt gibt, weiterhin "Tommy" und bezeichnet ihn als "den herausragendsten Sozialisten in Schottland." Die SWP hat bisher Schweigen gewahrt und keine Anstalten gemacht, mit Sheridan zu brechen. Dieser sagte dem Herald: "Wir hatten eine kameradschaftliche Debatte, wir bleiben Genossen."

Die ganze Erfahrung bestätigt die Richtigkeit der Haltung der Socialist Equality Party, die den schottischen Nationalismus prinzipiell ablehnt, während ihn die Pseudolinken propagieren.

In der Stellungnahme der SEP "Stimmt mit 'Nein'! Kämpft für ein sozialistisches Großbritannien!" heißt es dazu: „Die scheinlinken Gruppen agieren als Fußtruppen für die Befürworter der Unabhängigkeit, indem sie Lügen über ihre Motive, Ziele und Folgen verbreiten. Ihre besondere Rolle ist es, die beachtliche Opposition unter schottischen Arbeitern gegen den Separatismus zu ersticken."

Die SEP-Erklärung endet mit den Worten: "Als Gegnerin jeder Form von Nationalismus ruft die SEP Arbeiter und Jugendliche auf, die großen Traditionen der Klassensolidarität in der britischen Arbeiterklasse zu erneuern, indem sie sich auf höherer Ebene in eine vereinte Bewegung zur Abschaffung des Kapitalismus in Großbritannien, Europa und international einreihen."

Die Kandidaten der SEP, Katie Rhodes in Glasgow Central und David O'Sullivan in Holborn & St. Pancras, vertreten als einzige eine sozialistische Perspektive bei der Wahl am 7. Mai.

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