BBC-Wahldebatte der Herausforderer:

Scottish National Party, Plaid Cymru und Grüne bieten Labour „progressives Bündnis“ an

Im Vorfeld der britischen Unterhauswahl am 7. Mai organisierte der Nachrichtensender BBC eine Debatte der Wahlkandidaten, an der die Vorsitzenden aller großen Parteien, mit Ausnahme des amtierenden Premierministers David Cameron (Conservative Party) und seines Stellvertreters Nick Clegg (Liberal Democrats) teilnahmen. Diese Debatte legte offen, mit welcher Energie die separatistische Scottish National Party (SNP) und die walisisch-nationalistische Partei Plaid Cymru (Party of Wales) ein Bündnis mit der Labour Party anstreben.

Nicola Sturgeon (SNP) und, mit weniger Nachdruck, Leanne Wood (Plaid Cymru) appellierten an den Oppositionsführer Ed Miliband (Labour), ein gemeinsames, mit dem lächerlichen Etikett „progressive Allianz“ belegtes Bündnis zu schließen, um die Konservativen von der Macht zu verdrängen. Die Grünen sollten ebenfalls Teil des Bündnisses sein. Grünen-Parteichefin Natalie Bennett äußerte nur verhaltene Kritik, in der Hoffnung, später bei dem politischen Kuhhandel dabei sein zu können.

Im Fokus der Debatte stand eine Auseinandersetzung zwischen Sturgeon und Miliband. Bis dahin war die Diskussion ziemlich unbedeutend. Sturgeon, Wood und Bennett konnten sich auf Kosten der Labour Party ein wenig profilieren, indem sie sich als Gegner der Sparpolitik präsentierten und die Wiederbelebung des britischen Atom-U-Boot-Programms Trident ablehnten. Zugleich gab ihnen die Anwesenheit von Nigel Farage, dem Vorsitzenden der rechten UK Independence Party (UKIP), die Gelegenheit, sich als weniger fremden- und ausländerfeindlich darzustellen.

Doch ihre Kommentare blieben durchweg schwach und gezwungen. Als Reaktion auf Sturgeons Versuch, sich als Gegnerin des Trident-Programms darzustellen, wies Miliband darauf hin, dass sich die SNP für das atomwaffenbasierte Nato-Bündnis ausgesprochen hat. Bennett fühlte sich verpflichtet, die Bereitschaft der Grünen zu betonen, die Militärausgaben auf zwei Prozent des britischen Bruttoinlandsprodukts zu halten und schloss sich Sturgeons Forderung an, diese Gelder zum Ausbau der konventionellen Streitkräfte einzusetzen.

Beim Thema Zuwanderung äußerte Sturgeon zwar Kritik an einer gezielten Reduzierung der Einwanderung. Doch das tat sie erst, nachdem sie ihr Anliegen vorgebracht hatte, dass Nationen in der Lage sein sollten, ihre Grenzen effektiv zu kontrollieren und selbst zu entscheiden, wer ins Land darf und wer nicht. Sie machte deutlich, dass ihre Haltung zur Zuwanderung hauptsächlich von wirtschaftlichen Kriterien bestimmt ist, nämlich einerseits dem Fachkräftemangel in Schottland und andererseits der Notwendigkeit, hochqualifizierte Studenten ins Land zu locken und möglichst nach dem Abschluss im Land zu halten.

Keine dieser Äußerungen fanden Zustimmung im Publikum, das allgemein einer linksorientierten Meinung Ausdruck verlieh, obwohl es von einer externen Umfrageorganisation für die BBC ausgewählt worden war, um einen Querschnitt der öffentlichen Meinung zu repräsentieren.

Farage geriet über die negative Reaktion auf seine zahlreichen Angriffe auf Einwanderer und den Applaus für alle Äußerungen zugunsten einem Ende der Sparpolitik so in Rage, dass er auf dem Podium erklärte: „Das ist ein bemerkenswertes Publikum, sogar für die linken Verhältnisse bei der BBC.“

Für diesen Wutausbruch wurde er lautstark ausgebuht.

Sturgeon entlarvte ihrerseits die eigenen Aussagen als Lügen. So warf sie beispielsweise Miliband vor, 30 Milliarden Pfund [41,9 Milliarden Euro] für Sparmaßnahmen zugesagt zu haben. Doch dann konzentrierte sie sich in der gesamten Debatte darauf, wiederholt zum Aufbau einer Anti-Tory-Koalition mit Labour aufzurufen, um „die Tories [Conservative Party] aus der Regierung zu drängen“.

„Die Umfragen werden zeigen, dass Ed nicht stark genug ist, um sich alleine gegen die Tories zu behaupten.“, erklärte Sturgeon. „Ich werde mit Labour, Leanne [Plaid Cymru] und Natalie [Grüne] zusammenarbeiten, damit wir die Tories gemeinsam loswerden.“

Ihr erklärtes Ziel einer solchen Allianz sei es, dass „Ed“ die „Tories durch etwas Anderes, Besseres, Fortschrittlicheres ersetzt. ... Ich meine, dass ich Labour helfen kann, mutiger zu sein, um die Veränderungen zu bewirken, die wir brauchen.“

„Kehren Sie dem nicht den Rücken zu, Ed, sonst zieht David Cameron wieder in die Downing Street ein“, beschwor sie ihn. „Wollen Sie lieber David Cameron wieder an der Macht sehen, als mit der SNP zusammenzuarbeiten? Das kann unmöglich Ihre Absicht sein.“

Sturgeons Appelle halfen Miliband dabei, seinen rechten Sparkurs zu vertuschen. In der gleichen Woche hatte Labour ihr Wahlprogramm veröffentlicht, das gleich zu Beginn eine Schuldenbremse („Budget Responsibility Lock“) fordert.

Labour verspricht eine uneingeschränkte Sparpolitik. Keines ihrer politischen Projekte werde „zusätzliche Kredite erfordern“.

„Eine Labour-Regierung wird das Defizit jedes Jahr weiter senken.“, heißt es in dem Programm. „Die erste Zeile in Labours erstem Haushaltsplan wird lauten: ‚Dieser Haushaltsplan senkt das Defizit jedes Jahr.’“

Zudem kündigt Labour im Wahlmanifest an, ein Gesetz zu erlassen, dass „alle großen Parteien verpflichtet, ihre Wahlversprechen vom Office for Budget Responsibility [Amt für Budgetverantwortung] unabhängig prüfen zu lassen.“ Wie will Sturgeons „progressives Bündnis“ dann die Sparpolitik beenden?

Sturgeon hat nur erreicht, dass sich Miliband als potentieller künftiger Premierminister in staatsmännischer Pose inszenieren konnte. „Ich habe mein ganzes Leben lang gegen die Konservativen gekämpft.“, erklärte er. „Zwischen uns bestehen tiefe Differenzen. Deshalb werde ich keine Koalition mit der SNP eingehen. Ich werde nicht die Einheit des Vereinigten Königreiches riskieren. Ich muss leider ablehnen.“

Wood, die Parteivorsitzende der walisischen Plaid Cymru und allem Anschein nach ebenso blind für die Realität wie ihre Kollegin Sturgeon, forderte Miliband in peinlicher Manier auf, einen „Nothaushalt“ bereitzuhalten, um die Sparpolitik zu beenden, wenn er Premierminister werden sollte.

Die Debatte endete mit einigen Plattitüden der Kandidaten, die als Abschlusskommentare dienen sollten.

Zum Ende der Veranstaltung gingen Sturgeon, Wood und Bennett zusammen auf Milibands Podium zu, um ihm öffentlich die Hand zu schütteln. Der Journalist Jonathan Jones schrieb in einem Kommentar für den Guardian wohlwollend von „einem Triumvirat linker Frauen“ und „Anti-Austeritäts-Parteien“, die das Rennen gemacht hätten. Das daneben abgebildete Foto spricht hingegen die Wahrheit: Sie laufen allesamt direkt in Milibands Arme.

Die Debatte war ein weiteres Beispiel für die gewaltige und ständig wachsende Kluft zwischen der arbeitenden Bevölkerung auf der einen und den zahllosen Parteien des Großkapitals und der Superreichen auf der anderen Seite.

Anfang des Monats trafen alle sieben Parteichefs zu der einzigen gemeinsamen Wahlkampfrunde im Fernsehsender Independent Television aufeinander. Cameron hatte darauf bestanden, dass es bei allen anderen Fernsehauftritten zu keinen persönlichen Treffen mehr kommen dürfe. Daraufhin plante die BBC eine Sondersendung eine Woche vor dem Wahltag am 7. Mai, in der Premierminister Cameron, Oppositionsführer Miliband und der stellvertretende Premierminister Clegg getrennt auftreten und vom Publikum befragt werden.

Diese Regelung ist ein armseliger Versuch Camerons, die Tories vor jeglichen Angriffen auf ihre Regierungsbilanz zu schützen. Am Donnerstagabend hatte sie jedoch einen zusätzlichen und unbeabsichtigten Effekt. Die „Herausforderer“ der Tories haben allesamt bewiesen, dass sie der arbeitenden Bevölkerung nichts Substanzielles zu bieten haben.

Rechts von der Labour Party stand nur noch der zunehmend enthemmte Farage, hinter dem Labour das eigene Programm für Sparpolitik und Aufrüstung verbergen konnte. Die beiden nationalistischen Parteien sowie die Grünen haben ihrerseits deutlich gemacht, dass sie mit Freuden alle ihre mageren Wahlversprechen verkaufen werden, um einen Platz in der Regierung zu ergattern und so einen größeren Anteil an den nationalen Steuereinnahmen für die Bourgeoisien in Schottland und Wales zu sichern – im Interesse ihrer eigenen habgierigen Anhänger aus der oberen Mittelschicht.

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