Perspektive

Drohnenmord und „Krieg gegen den Terror“

Am Sonntag veröffentlichte die New York Times einen Leitartikel über das Drohnenmordprogramm der Obama-Regierung. Darin wird der Mechanismus, nach dem staatlich sanktionierte Morde begangen werden, minutiös beschrieben. Das Verfahren ist durchorganisiert und institutionalisiert. Es wird klar, dass das Mordprogramm keine Grenzüberschreitung der CIA ist, sondern zentraler Bestandteil der amerikanischen Außenpolitik. Demokraten wie Republikanern unterstützen es gleichermaßen.

Der Bericht der Times hat nicht den Charakter einer Enthüllungsschrift. Eher versucht er, das Programm als etwas Normale hinzustellen, die Bevölkerung gegenüber solcherlei staatlichem Verbrechen abzustumpfen und sie sogar mit hineinzuziehen.

Der Artikelbeginn lässt einen schaudern. „Ungefähr einmal im Monat“, schreiben die Autoren Mark Mazzetti und Matt Apuzzo, „fahren Mitarbeiter des Geheimdienstausschusses des Kongresses über den Potomac in die CIA-Zentrale in Langley, Virginia. Dort schauen sie sich Videos an, die zeigen, wie Menschen in die Luft gejagt werden“. Das „makabere Ritual“, schreibt die Times, beinhaltet die Durchsicht von „Aufnahmen von Drohnenschlägen in Pakistan und anderen Ländern und eine Zusammenstellung der Geheimdiensterkenntnisse zu jedem Schlag…“.

Diese regelmäßige Vorführung der dokumentierten CIA-Mordanschläge entspricht dem „Terror Tuesday“, an dem sich Obama mit Geheimdienst- und Militärberatern trifft, um zu entscheiden, welche Personen auf die „Todeslisten“ des Staates gesetzt werden.

Der Artikel in der Times erschien drei Tage, nachdem Obama zugegeben hatte, dass bei einem Drohnenangriff in Pakistan im Januar zwei Geiseln, ein Amerikaner und ein Italiener, getötet worden waren. Der Artikel macht klar, dass trotz Obamas völlig unernsthafter „Entschuldigung“ das CIA-Drohnenprogramm unvermindert weitergeht. Tausende Menschen sind diesem Programm in Pakistan, dem Jemen, Somalia und anderen Ländern bereits zum Opfer gefallen.

Die Zeitung schreibt, die „unerschütterliche Unterstützung des Kapitols” sei „ein Grund dafür, dass die Tötungsmission der CIA fest in der amerikanischen Kriegsführung verankert ist und sich daran wohl auch nichts ändern wird…“. Eine glühende Befürworterin des Mordprogramms ist die Demokratische Senatorin Dianne Feinstein, die ehemalige Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Senats.

Der Artikel in der Times nennt zum ersten Mal mehrere Personen beim Namen, die bei der Entwicklung des Tötungsprogramms der CIA eine entscheidende Rolle gespielt haben. Zu diesen gehört Michael D’Andrea, ein CIA-Spitzenmann, der der Zeitung zufolge „Operationschef der Organisation war, als das Detention Interrogation Program [Haft- und Verhörprogramm] des Dienstes Gestalt annahm“. Später wurde er Chef des National Counterterrorism Center (Nationale Anti-Terror-Zentrale) und ein Architekt des Drohnenmordprogramms.

Die Rolle von D’Andrea wirft ein Schlaglicht auf die Kontinuität zwischen dem Folterprogramm der Bush-Regierung und dem Mordprogramm der Obama-Regierung. Im vergangenen Jahr veröffentlichte der Geheimdienstausschuss des Senats einen detaillierten Bericht über CIA-Folter. In den folgenden Monaten verschwand das Thema rasch wieder aus den Medien und dem Politikbetrieb. Die Verantwortlichen für Folter besetzen nach wie vor einflussreiche Positionen, wie zum Beispiel D’Andrea und Obamas aktueller CIA-Direktor, John Brennan, ein weiterer Urheber des Mordprogramms.

Ganz oben auf der Liste der Verantwortlichen steht Obama selbst. Er hat in seiner gut sechsjährigen Amtszeit eine pseudo-juristische Theorie basteln lassen, die beweisen soll, dass der Präsident das Recht habe, jedermann an jedem Ort der Welt töten zu lassen. Das betrifft selbst amerikanische Staatsbürger und gilt ganz ohne Gerichtsverhandlung oder sonstige juristische Rechtfertigung. Als Obama 2013 zugeben musste, dass er zumindest einen US-Bürger (Anwar al-Awlaki) hatte töten lassen, tat er zumindest so, als müssten die Bestimmungen für das CIA-Drohnenprogramm strikter gefasst werden. Aber auch dieses Feigenblatt hat er wieder fallen lassen.

Besonders erschreckend ist der Umstand, dass die Medien das Mordprogramm behandeln, als sei es das Normalste der Welt. Am gleichen Tag, als der Times-Artikel erschien, beteiligten sich die Medienvertreter, als wäre nichts geschehen, am Korrespondentendinner des Weißen Hauses, einer traditionell humorigen Schau von Reichtum und Einfluss.

Offenbar gilt als selbstverständlich, dass die Vereinigten Staaten das Recht haben, jedermann zu töten, den sie zum „Terroristen“ stempeln, – eine Kategorie, die sich auf jede Person oder Gruppe beziehen kann, die sich irgendwo auf dem Globus gegen die amerikanische Politik wendet.

Die CIA feuert regelmäßig mit Drohnen auf unidentifizierte Ziele. Dies geschieht oft genug allein aus dem Grund, dass sie bestimmten „Mustern” entsprechen. Es könnte zum Beispiel eine Gruppe von Menschen im wehrfähigen Alter sein, die in einem Konvoi unterwegs ist. Zivile Opfer „sind eben nicht zu vermeiden“, wie es in einem Guardian-Artikel heißt.

Routinemäßiger Mord, das ist das Wesen des „Kriegs gegen den Terror“. Dieser vor fast fünfzehn Jahren proklamierte, betrügerische Krieg ist zu einer Allzweckrechtfertigung für neokoloniale Eroberung und militärische Aggression geworden. Trotz der vielfach katastrophalen Ergebnisse dieses „Kriegs“ genießt er im politischen Establishment heute nicht weniger, sondern mehr Unterstützung.

Die Entscheidungsträger in Washington begehen regelmäßig Taten, die vor nicht allzu langer Zeit noch als schwerste Verbrechen betrachtet wurden. Die Regierung, die diesen ganzen Prozess zu verantworten hat, besteht aus einer Allianz aus der Finanzaristokratie und dem militärisch-geheimdienstlichen Apparat. Sie stützt sich auf eine Schicht der wohlhabenden Mittelklasse, die eine Politik akzeptiert, die selbst noch über die Verbrechen der Bush-Regierung hinausgeht. Der gesamte Staat und die bürgerlichen Medien sind in diese Verbrechen verwickelt.

Der Kampf gegen Krieg und Unterdrückung erfordert die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Obama-Regierung und beide kapitalistische Parteien. Er muss sich auf die internationale Arbeiterklasse stützen und auf ein revolutionäres sozialistisches Programm. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale baut eine solche Bewegung auf und organisiert am 3. Mai eine Internationale Online-Kundgebung zum Maifeiertag. Wir rufen all unsere Leser auf, sich noch heute dafür zu registrieren.

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