Saudische Monarchie im Umbruch

Die politischen Machtverhältnisse in Saudi-Arabien sind durcheinandergewirbelt worden, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. König Salman, der erst vor drei Monaten nach dem Tod von König Abdullah die Regentschaft übernommen hatte, hat den Kronprinzen und den Außenminister gefeuert und Personen in Top-Positionen gehievt, die sehr enge Beziehungen zu Washington haben.

Die Krisenstimmung in den herrschenden Kreisen kam deutlich im Timing der Umbesetzungen zum Ausdruck. Sie wurden um vier Uhr morgens (Ortszeit) in der Hauptstadt Riad bekannt gegeben.

Der 79-jährige König entmachtete seinen 69-jährigen Halbbruder, Prinz Mukrin ibn Abd al-Aziz und ersetzte ihn mit seinem Neffen, dem stellvertretenden Kronprinzen Mohammed ibn Naif, der auch Innenminister und Sicherheitschef des Regimes ist. Er wird das erste Mitglied der Enkelgeneration des Stammvaters des saudischen Königreichs, Abdul Aziz ibn Saud sein, der an die Spitze der Thronfolgerliste rückt.

Mohammed ibn Naif erweist sich als der starke Mann des Regimes, der sowohl die Unterdrückung islamisch fundamentalistischer Gegner der herrschenden Familie wie auch jeglicher anderer Dissidenten lenkt, von Liberalen über die schiitische Minderheit bis zu der großen Zahl von Gastarbeitern, die fast die gesamte Arbeit im Land erledigen.

Vielleicht am Wichtigsten vom Standpunkt des mörderischen Kampfs innerhalb der Dynastie ist die Tatsache, dass der 55-jährige Prinz keine Söhne hat, was die Position des stellvertretenden Kronprinzen umso bedeutsamer macht. Auf diesen Posten setzte Salman seinen eigenen Sohn Mohammed ibn Salman, der erst 34 Jahre alt ist. Er wird damit an hunderten älteren Prinzen seiner Generation vorbeikatapultiert.

Mohammed ibn Salman war zum Sekretär des Königlichen Hofs und zum Verteidigungsminister ernannt worden, als sein Vater Ende Januar auf den Thron rückte. In letzterer Position ist er für beide Kriege verantwortlich, an denen die saudischen Streitkräfte gegenwärtig beteiligt sind: der Luftkrieg gegen den Jemen, der sich zu einer Bodeninvasion ausweiten könnte und die Bombardierung von IS-Zielen in Syrien, wo saudische Kampfflugzeuge die anderer Golfmonarchien überwiegend amerikanische Operationen unterstützen.

Presseberichte ließen vermuten, dass Prinz Mukrin, der ehemalige Geheimdienstchef, zumindest teilweise deshalb abgelöst wurde, weil er gegen das Eingreifen im Jemen gewesen sein soll.

König Salman setzte auch Außenminister Saud ibn Feisal ab. Der 75-jährige Prinz hielt diesen Posten seit vierzig Jahren. Er übernahm das Amt, als Gerald Ford Präsident der Vereinigten Staaten war, Leonid Breschnew an der Spitze der Sowjetunion stand und Mao Tse Tung in China herrschte. Er wurde durch den saudischen Botschafter in Washington, Abdel al-Jubeir, 53, ersetzt. Dieser ist der erste Inhaber dieser Position seit 1952, der nicht Mitglied der königlichen Familie ist.

Die neuen Amtsinhaber, Mohammed ibn Naif als Kronprinz, Mohammed ibn Salman als stellvertretender Kronprinz und Abdel al-Dschubeir als Außenminister, sind alle für ihre engen Beziehungen zum US-Imperialismus bekannt. Der neue Kronprinz wurde in den USA ausgebildet und hat häufig Washington besucht und Beratungen über Anti-Terroroperationen geführt.

Er wird mit einer aggressiveren und offener interventionistischen saudischen Außenpolitik im gesamten Nahen Osten identifiziert. Er ist ein vehementer Unterstützer der ägyptische Militärjunta von General al-Sisi und setzt sich ebenfalls für die Vernichtung der Muslimbruderschaft ein. Die konservative bürgerliche Partei, die ein Jahr lang Ägypten regierte, wurde 2013 von einem Militärputsch gestürzt. Die Ableger der Bruderschaft spielen in vielen arabischen Ländern eine wichtige Rolle.

Die beiden Prinzen werden auch ihre Positionen als Innen- bzw. Verteidigungsminister behalten. Damit werden die Beziehungen zwischen dem Flügel der königlichen Familie, der König Salman am nächsten steht, und den Sicherheitskräften weiter gestärkt. Als weitere Maßnahme zur Stützung des Regimes erhielten alle Armeeangehörigen und Angehörigen der Sicherheitspolizei auf Befehl des Königs ein zusätzliches Monatsgehalt überwiesen.

Erste Anzeichen der jüngsten Veränderungen gab es schon unmittelbar nach König Salmans Thronbesteigung Ende Januar. Damals schaffte er mehr als ein Dutzend Beraterstäbe ab, die von seinen Vorgängern gebildet worden waren, und fasste sie in zwei neuen Stäben zusammen. Prinz Mohammed ibn Naif wurde an die Spitze des Rates für Politische Angelegenheiten und Sicherheitsfragen gestellt und Mohammed ibn Salman an die Spitze des Wirtschafts- und Entwicklungsrats. Sie sind dadurch praktisch zu hochrangigen Mitregenten im Königreich geworden.

Die zügige Beförderung der jungen Prinzen ist ein Anzeichen für den Verfall und die Krise des reaktionären saudischen Regimes. Mohammed ibn Salman ist einer von nur einer Handvoll der 600 Prinzen seiner Generation, die vollständig im Land ausgebildet wurden. Sein Alter wird unterschiedlich mit 27 bis 35 Jahren angegeben. Er hat keine militärische Erfahrung, führt aber eine Agentur, die der drittgrößte Waffenkäufer der Welt ist, hinter den Vereinigten Staaten und China.

Die saudische Presse hat ihn mit viel Verve als Führer und Lenker der Intervention im Jemen gefeiert. Diese Glorifizierung hat den Weg zu seiner Beförderung zum zweiten Mann in der Thronfolge geebnet. Mohammed ibn Salman war es auch, der den jemenitischen Präsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi am Flughafen von Riad traf, nachdem Houthi-Rebellen ihn aus dem Land vertrieben hatten und er sich der Unterstützung der Saudis versichern wollte

Als Sekretär des Königlichen Hofs und auch als Verteidigungsminister wacht der Prinz über den Zugang zu seinem Vater, dem 79-jährigen König. Er steht damit im Zentrum der Palastintrigen. Und natürlich steht er auch im Mittelpunkt des Neids der zurückgesetzten Zweige der königlichen Familie, die schon mehr als einmal zu Gewalt gegriffen hat, um Streitigkeiten über Machtpositionen und die Verteilung des ungeheuren Reichtums des ölreichen Königreichs auszutragen.

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