Wahlen in Großbritannien

Krise der kapitalistischen Herrschaft

Der Wahlkampf für die britische Unterhauswahl am 7. Mai hat die Fragilität und Instabilität des politischen Systems des Landes verdeutlicht. Die Krise, in der das Vereinigte Königreich versinkt, hat große Auswirkungen auf politische Entwicklungen weltweit. Großbritannien ist Europas zweitgrößte Wirtschaftsmacht, der drittgrößte Aktienmarkt der Welt und einer der wichtigsten politischen und militärischen Verbündeten des US-Imperialismus.

Auch kurz vor der Wahl kann noch niemand ihr Ergebnis auch nur ansatzweise voraussagen.

Die regierenden Konservativen und Labour liegen etwa gleichauf und keine der beiden Parteien wird genügend Stimmen bekommen, um eine Regierung zu bilden. Den Liberaldemokraten droht als Strafe für ihre Mitarbeit in der von den Tories geführten Koalition eine heftige Wahlniederlage. Labour war nicht in der Lage, von der massiven Stimmung gegen die Tories zu profitieren, weil die Partei selbst immer weiter nach rechts abgedriftet ist.

Die Wirtschaft will, dass die Tories im Amt bleiben, da sie als Garant für eine Fortsetzung der Kürzungspolitik gelten. Es gibt jedoch Befürchtungen, dass es zu einem „Brexit“ kommt, weil David Cameron für 2017 ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union versprochen hat und sich möglicherweise auf eine Koalition mit der United Kingdom Independence Party (UKIP) einlassen muss. Viele europäische Stimmen sehen das mittlerweile als größere Gefahr für die Stabilität des Kontinents an, als die Krise in Griechenland.

Gleichzeitig kommt die Frage der schottischen Unabhängigkeit wieder auf. Denn die Scottish National Party (SNP) hat Labour in Schottland praktisch ausradiert. Deshalb müsste sich der Vorsitzende der Labour Party, Ed Miliband, für eine Mehrheit wahrscheinlich auf die schottischen Nationalisten stützen.

Allerdings ist keine Parteienkombination für die Regierungsbildung ausgeschlossen, nicht einmal eine Regierung der nationalen Einheit von Tories und Labour. Führende Akademiker halten eine zweite Wahl für „äußerst wahrscheinlich“ und die Chancen, dass eine neue Koalition fünf Jahre durchhält, für „minimal“.

Die politischen Kommentare gehen in der Regel von einem weiteren Abstieg in politische Unsicherheit und Krisen aus.

Ein bekannter Kommentator, Anatole Kaletsky, schreibt: „In den kommenden Jahren wird Großbritannien vermutlich das Land in Europa sein, dessen Zukunft am wenigsten vorhersehbar ist.“

Der Economist spricht vom „großen Auseinanderbrechen“ und sorgt sich, dass es „zu einer Legitimitätskrise kommt, wenn sich das parlamentarische System als ungerecht und ineffektiv erweist.“

Es gibt düstere Warnungen von Firmen und Investoren, dass sie ihr Kapital aus dem Vereinigten Königreich abziehen könnten. Der Bankengigant HSBC denkt darüber nach, seine Zentrale wegen der Gefahr eines Austritts aus der EU aus London abzuziehen. Die Investmentfirma Nutmeg hat ihr Portfolio an britischen Spitzenaktien um zwei Drittel gekürzt und dazu angemerkt, dass US-Investoren vor dem schottischen Referendum im September letzten Jahres 58 Milliarden an britischen Aktien verkauft haben und seitdem nur die Hälfte von dem, was sie abgestoßen hatten, wieder zurückgekauft haben.

Keiner der bürgerlichen Kommentatoren ist in der Lage, die Gründe für die Herrschaftskrise in Großbritannien ernsthaft zu benennen.

Auf Grund der brutalen Kürzungspolitik versagen die traditionellen Mechanismen, mit denen die Bourgeoisie regiert hat, überall. Das ist bei der konservativen Nea Dimokratia (ND) und der sozialdemokratischen Pasok in Griechenland zu sehen, bei der Volkspartei (PP) und der Sozialistischen Partei in Spanien sowie bei der gaullistischen UMP und der Sozialistischen Partei in Frankreich

Diese Wahl ist vor allem von einem Thema beherrscht: von der immer tieferen Kluft zwischen einer dünnen Schicht Superreicher und der breiten Masse arbeitender Menschen, der großen Mehrheit der Bevölkerung.

In der letzten Maiwoche bemerkte die Sunday Times, dass die superreichen Briten heute zweimal so reich sind wie 2009. Die reichsten 1000 Menschen in Großbritannien besitzen zusammen 547 Milliarden Pfund. Es gibt 117 Pfund Sterling-Milliardäre mit Wohnsitz in Großbritannien. Das sind pro Kopf mehr als in jedem anderen Land.

Dieser obszöne Reichtum ist der Arbeiterklasse abgepresst worden.

Die Tories haben sich verpflichtet, weitere Kürzungen in Höhe von zig Milliarden Pfund durchzusetzen. Allein zwölf Milliarden sollen an Sozialausgaben eingespart werden. Labour hat eine „Schuldenbremse“ versprochen, die die Regierung verpflichtet, das Defizit jedes Jahr zu verringern.

Die SNP, die walisische Partei Plaid Cymru und die Grüne Partei stellen sich als Alternativen zum Kürzungsprogramm dar und versuchen, die öffentliche Unzufriedenheit mit den Tories und Labour für sich auszunutzen. Keine dieser prokapitalistischen Parteien bietet jedoch mehr als eine kurze Verzögerung der Austeritätsmaßnahmen.

Das Institute of Fiscal Studies fand heraus, dass die Haushaltspolitik der SNP „im Wesentlichen der von Labour gleicht“. Alle diese Parteien haben klargemacht, dass die Stimmen, die sie erhalten, in eine „progressive Allianz“ mit Labour eingebracht werden sollen, was in Wirklichkeit eine „Austeritätsallianz“ sein würde.

Die nationalistischen Parteien SNP und Plaid Cymru und ihre Verbündeten bei den pseudolinken Gruppen spielen eine wichtige Rolle, weil sie die Arbeiterklasse angesichts des gemeinsamen Feinds spalten und versuchen, die Arbeiter an die eine oder andere Fraktion der Bourgeoisie zu ketten.

Die öffentlichen Verlautbarungen der großen Parteien sind wertlose Lügen, die die eigentlichen Pläne verschleiern sollen. Ihre Berechnungen basieren auf kontinuierlichem Wachstum, obwohl ein erneuter Absturz der britischen, der europäischen und der Weltwirtschaft unvermeidlich ist.

Außerdem stehen die Wahlen im Zeichen des Militarismus und der Kriegsgefahr.

Diese Gefahr wird beharrlich totgeschwiegen. Vor der Küste Schottlands finden umfangreiche Marinemanöver statt, die Luftwaffe führt Übungen über Südwales durch, an denen 13.000 NATO-Soldaten beteiligt sind und immer wieder werden russische Schiffe von Kampfflugzeugen und Kriegsschiffen aus britischen Gewässern eskortiert. Vor diesem Hintergrund überbieten sich die Tories und Labour gegenseitig darin, wer der zuverlässigere Verbündete der Vereinigten Staaten im Konflikt mit Russland und China ist.

Der Wahlkampf begann mit der Entsendung britischer Militärberater und Ausbilder in die Ukraine und nach Syrien. Jedes dieser Länder kann zum Auslöser eines größeren Kriegs werden.

Die SNP und Plaid Cymru posieren als Gegner des Trident-U-Boot-Programms, bekennen jedoch ihre Loyalität zur Nato. Sie versprechen ebenso wie die Grünen die konventionell bewaffneten britischen Truppen zu modernisieren.

Die Socialist Equality Party nimmt mit den Kandidaten Katie Rhodes in Glasgow Mitte und David O´Sullivan in Holborn & St. Pancras in London an der Wahl teil. Sie steht für eine unabhängige politische Perspektive, um die Arbeiterklasse im Kampf für eine Arbeiterregierung auf der Grundlage eines sozialistischen Programms zu mobilisieren. Das ist Teil unseres Kampfs für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa und eine sozialistische Weltföderation.

Unser Wahlkampf wurde als integraler Bestandteil einer weltweiten politischen Offensive geführt, um das Internationale Komitee der Vierten Internationale „zum internationalen Zentrum der revolutionären Opposition gegen das Wiederaufleben von imperialistischer Gewalt und Militarismus“ zu machen, wie es in der Erklärung des IKVI vom Juli 2014 heißt.

Folgende Losungen stehen im Zentrum unseres Wahlkampfs:

  • Gegen Kapitalismus und Imperialismus!
  • Vereinigt die Arbeiterklasse international gegen Krieg, Diktatur und Armut!
  • Für Frieden, Gleichheit und Sozialismus!

Der Wahlkampf der SEP wird sich als wichtiger Schritt im Aufbau einer neuen revolutionären Führung in Großbritannien und im Aufbau des IKVI als Weltpartei der sozialistischen Revolution erweisen.

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