Perspektive

Unterhauswahl in Großbritannien

Der Kampf für eine sozialistische Alternative

Großbritannien hat gestern unter Bedingungen einer beispiellosen Krise gewählt, die das ganze politische System erfasst hat.

Für die herrschende Elite geht es um die wachsende Bedrohung der Weltgeltung des britischen Imperialismus. Gleichgültig, welche Regierung zustande kommt: Auf der Tagesordnung stehen der mögliche Austritt aus der Europäischen Union, die weitere Verschlechterung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und selbst der Zerfall des Vereinigten Königreichs.

Wirtschaftskreise betrachten jeden einzelnen dieser Faktoren als große Bedrohung. Die britische Wirtschaft ist die zweitgrößte in Europa und die fünftgrößte der Welt.

In der Öffentlichkeit werden diese Fragen jedoch kaum diskutiert, und wenn doch, dann nur ganz beiläufig und oberflächlich.

Besonders auffällig ist die Tatsache, dass die weit fortgeschrittenen Vorbereitungen auf Militarismus und Krieg vollkommen ausgeblendet werden. Damit soll verschleiert werden, dass Großbritannien im Irak und in Syrien involviert ist und bei den Nato-Provokationen gegen Russland eine Schlüsselrolle spielt.

Zur Zeit des Wahlkampfs veranstaltete Großbritannien große Marinemanöver vor den Küsten Schottlands und Luftmanöver über Südwales. Daran beteiligten sich 13.000 Nato-Soldaten, Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe, die den Kampf gegen russische Schiffe probten. Am Dienstag lief das Flagschiff der Royal Navy, HMS Bulwark, zu einem Einsatz vor der Küste von Libyen aus, unter dem Vorwand, Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu retten.

Die herrschende Klasse interessiert vor allem, welche Partei das brutale Kürzungsprogramm fortsetzt, das seit dem Finanzkrach von 2008 durchgesetzt wird.

Die Suche nach einer “stabilen Regierung” ist allerdings eine undankbare Aufgabe.

Die Konservativen stützten sich 2010 bei der Regierungsbildung auf die Liberaldemokraten. Aber nach der Durchsetzung der schlimmsten sozialen Kürzungen seit den 1930er Jahren sind beide Parteien gründlich verhasst.

Die herrschende Elite ist zudem über Premierminister Camerons Versprechen besorgt, 2017 ein Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union abzuhalten. Dieses Projekt wird in Washington und Berlin mit wachsender Sorge gesehen.

Trotz alledem haben sich die Londoner City, die großen Konzerne und alle Zeitungen mit Ausnahme des Guardian und des Daily Mirror für eine zweite Tory-Koalition erklärt, selbst wenn das bedeuten sollte, eine Kombination von nordirischen Parteien und der United Kingdom Independence Party an der Regierung zu beteiligen.

Auch die Labour Party hat sich auf Austeritätspolitik festgelegt, weswegen sie auch kaum in der Lage war, von der starken Anti-Tory-Stimmung im Land zu profitieren. Nirgendwo ist die Kluft zwischen Labour und der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung sichtbarer als in Schottland, wo Labour eine vernichtende Niederlage erwartet.

In dem Bemühen, sich der Wirtschaft anzubiedern, hat sich Labour auf eine “Schuldenbremse” verpflichtet, sprach sich gegen ein EU-Referendum aus, versprach, die Beziehungen zum US-Imperialismus zu stärken, und schloss – vor allem in militärischen Fragen – jede Übereinkunft mit der Scottish National Party aus.

Selbst der zögerliche Vorschlag von Labour-Führer Ed Miliband, Kürzungen gegebenenfalls etwas langsamer wirken zu lassen, ist für die Wirtschaft inakzeptabel. Was noch wichtiger ist: Die Sorge über die künftige Stabilität Großbritanniens, falls eine Labour-Minderheitsregierung von der SNP abhängig wäre, überwiegt ihre Furcht vor einem „Brexit“ unter den Tories.

Der Independent spricht sich zum ersten Mal für eine von den Tories geführte Regierung aus und schreibt: “Großbritannien befindet sich in einer langen Periode relativen Niedergangs, während Schwellenländer wie Brasilien und Indien mehr Einfluss gewinnen. Unser Land zu zersplittern, sei es durch die Unabhängigkeit Schottlands, sei es durch einen Austritt aus der EU, wäre tödliche Dummheit…“

Er fährt fort: “Eine Partnerschaft zwischen Labour und der SNP würde Großbritanniens zerbrechlicher Demokratie schaden. Bei allen Problemen würde eine erneute konservativ-liberaldemokratische Koalition den Fortbestand unseres Königreichs verlängern und ihm sogar eine bessere Chance zum Überleben geben.“

Das ist eine außergewöhnlich offene Erklärung, die einen Hinweis auf die grundlegende Krise der Klassenherrschaft in Großbritannien gibt. Aber die Krise Großbritanniens ist nur der besondere Ausdruck einer Entwicklung, in der weltweit der Kapitalismus und sein Nationalstaatensystem auseinanderbrechen und die nationalen und Klassengegensätze explosiv anwachsen.

Welche Regierung am Ende auch immer gebildet wird, sie wird nicht in der Lage sein, diese unlösbaren strategischen Bruchlinien zu kitten. Ihre Agenda wird von den räuberischen Forderungen der Finanzoligarchie bestimmt, die keine andere Antwort auf die wirtschaftliche und soziale Katastrophe hat als ein kräftiges „Weiter so“.

In den Augen von Millionen, die tausendmal ein Ende der Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen gefordert haben, wird sie keine Legitimität genießen.

Dadurch erklärt sich die Flucht der SNP, der Plaid Cymru (Partei von Wales) und der Grünen in die Arme von Labour. Unter dem Banner einer „Progressiven Allianz“ mit dem Ziel, die Tories rauszuhalten, haben sie angeboten, Miliband zu stützen, damit er die arbeiterfeindliche Agenda der Labour Party durchsetzen kann.

Die zahllosen pseudolinken Gruppen versuchen, eine Rolle in diesem Manöver zu spielen, entweder durch eine Allianz mit der SNP in Schottland, oder mit Teilen von Labour und den Grünen an anderer Stelle im Vereinigten Königreich. Ihre Diskussionen über eine „Neuformierung der Linken“ nach der Wahl orientieren sich an Syriza in Griechenland, d.h. an der Partei, die entschlossen ist, die von der EU und dem Internationalen Währungsfond verlangten Angriffe auf Arbeiter und Jugendliche durchzuführen

Die Socialist Equality Party und ihre Kandidaten, Katie Rhodes in Glasgow Central und David O’Sullivan in Holborn & St. Pancras, London, sind die einzige wirkliche Alternative für Arbeiter und Jugendliche.

Wir treten für eine unabhängige politische Perspektive zur Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen Austerität und Krieg ein. Wir kämpfen für eine Arbeiterregierung mit einem sozialistischen Programm. Es gibt keine parlamentarische Lösung für diese Krise, weil die ungeheure soziale Ungleichheit und der Militarismus nicht mit parlamentarischen Herrschaftsformen kompatibel sind.

In unserem Wahlaufruf heißt es: “Wie schon 1914 und 1939 drohen die Widersprüche des kapitalistischen Weltsystems (zwischen der globalen Produktion und der Aufteilung der Welt in antagonistische Nationalstaaten, wie auch zwischen einer gesellschaftlichen Produktion und dem Privateigentum an den Produktionsmitteln) die Menschheit in eine Katastrophe zu stürzen.“

Der Kampf für den Sozialismus in Großbritannien muss als integraler Bestandteil einer einzigen Offensive der europäischen und internationalen Arbeiterklasse verstanden werden. Die Voraussetzung für einen solchen Kampf ist der Aufbau des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Wer kann, soll für Rhodes und O’Sulliven stimmen. Am wichtigsten aber ist, Mitglied der SEP zu werden und sie zur neuen sozialistischen Partei der Arbeiterklasse aufzubauen.

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