Perspektive

Das Ende der britischen Sozialdemokratie

Die allseits geäußerten Forderungen nach einer Rückkehr zu „New Labour“ und der Politik ihres früheren Vorsitzenden Tony Blair nach der vernichtende Niederlage der Labour Party bei den Unterhauswahlen letzten Donnerstag sind ein deutlicher Beleg für den gewaltigen Rechtsruck der Partei.

Blair und sein Chefstratege Peter Mandelson haben sich zu Wort gemeldet und Labour schwere Vorhaltungen gemacht. Die Niederlage sei dem Versäumnis geschuldet, die aufstrebende Mittelklasse zu umwerben. Noch negativer habe sich ausgewirkt, so Mandelson, dass Labour den Eindruck erweckt habe, „für die Armen zu sein und die Reichen zu hassen.“

Nach dem Rücktritt Ed Milibands ist ein Führungsstreit entbrannt, in dem es jetzt schon sieben Kandidaten gibt, und weitere werden erwartet. Sie alle sind Karrieristen ohne Profil und entschlossene Verteidiger des unregulierten Kapitalismus, von Privatisierung und Militarismus. Sie betonen, Labour habe verloren, weil Miliband zu links gewesen sei und seine Strategie darauf ausgerichtet habe, die „Kerntruppen“ Labours in der Arbeiterklasse zu mobilisieren. Stattdessen müsse Labour zur Strategie des „großen Zelts“ von Blair zurückkehren und wieder versuchen, den Konservativen Stimmen abzujagen.

Es ist von einem zehnjährigen Prozess für den Neuaufbau Labours die Rede. Das unterstreicht die Tatsache, dass von dieser diskreditierten Staatspartei niemand auch nur einen Ansatz von Opposition erwarten kann.

Die Wahl beweist in der Tat, dass Labour seine Kerntruppen verloren hat. Aber die Arbeiter haben sich von ihr abgewandt, weil sie Labour schon jetzt als Konservative Partei 2.0 sehen. Ungefähr ein Drittel der Wähler sehen bereits keinen Sinn mehr darin, überhaupt noch zur Wahl zu gehen, weil keine Partei ihnen etwas zu bieten hat.

Milibands schwächliche „Linkswende“ hat niemanden überzeugt weil er von einer Partei kam, die sich der Austerität verschrieben hat und unfähig ist, sich von der wirklichen Rolle Blairs und seines Nachfolgers Gordon Brown, beide Werkzeuge des Großkapitals und Architekten des Irakkriegs, zu distanzieren.

Deswegen wird auch kaum einmal erwähnt, dass Labour die dramatischsten Verluste in Schottland einfuhr, wo die Scottish National Party den Wählern vorgaukelte, Gegnerin der Austeritätspolitik zu sein.

Es gelang der SNP, den Zorn der Arbeiterklasse gegen Labour in eine nationalistische Richtung zu lenken. Deshalb konnte die Konservative Partei die Wahl auch dadurch gewinnen, dass sie britischen und sogar englischen Nationalismus schürte. Und auch die UK Independence Party (UKIP) profitierte davon: Sie erzielte in ehemaligen Labour-Hochburgen deutliche Stimmengewinne.

Die pseudolinken Organisationen sind politisch hauptverantwortlich dafür, Spaltungen in die Arbeiterklasse zu tragen und die Nationalisten auf beiden Seiten der Grenze zu stärken.

Seit Jahren feiern sie die SNP und den schottischen Separatismus als fortschrittliche Alternative zur Zentralregierung in Westminster. Vor der Wahl griffen sie Labour nicht an, weil sie die Arbeiterklasse verrät, sondern weil sie für den Fortbestand des Vereinigten Königreiches eintritt.

Nach dem Sieg der SNP ist ihr Ziel eine Allianz mit dieser Partei der schottischen Bourgeoisie. Falls das nicht klappen sollte, wollen sie Druck auszuüben, damit die SNP “ihre Versprechen erfüllt” und gegen Austerität und für Unabhängigkeit kämpft.

Südlich der Grenze heulten die Pseudo-Linken angesichts von Labours Niederlage verzweifelt auf. Doch wieder einmal bieten sie der Arbeiterklasse nur fruchtlose Appelle an, mit denen die Labour Party und die Gewerkschaften nach links gedrückt werden sollen.

Left Unity spricht von einem erneuten Sieg der Tories 2020 und schlägt vor, die Anstrengungen darauf zu richten, die Lügen der Tories zu entlarven. Die Socialist Workers Party erklärt, dass man die „Gewerkschaftsführer unter Druck setzen muss, damit sie den Kampf aufnehmen“. Die Socialist Party, die den größten Teil der Mitgliedschaft der Trade Unionist and Socialist Coalition stellt, setzt ihre Hoffnung in „Len McCluskey, Generalsekretär der Gewerkschaft Unite. Er erklärte, wenn Labour nicht einmal die Tories besiegen könne, dann sei die Zeit gekommen, eine neue Partei in Betracht zu ziehen.“ Die „Gewerkschaftsbewegung als Ganze“, sollte darüber diskutieren.

Keine dieser Tendenzen spricht für die Arbeiterklasse. Sie sind ein fester Bestandteil der Strukturen bürgerlicher Politik. Sie vertreten privilegierte Teile der Mittelschicht, die darauf aus sind, Positionen als Politikberater für die großen Parteien, führende Gewerkschaftsfunktionäre und die Vordenker bürgerlicher Politik im akademischen Milieu zu ergattern.

Ihre spezielle Rolle besteht darin, der Entwicklung einer revolutionären sozialistischen Bewegung entgegenzuwirken und Arbeiter und Jugendliche den politischen Vertretern des Kapitals unterzuordnen.

Die Situation, die mit der Wahl am 7. Mai eingetreten ist, hat eine lange Vorgeschichte, und es gibt keine schnelle Lösung für sie.

Der jahrzehntelange Verrat der Labour- und Gewerkschaftsbürokratie in Großbritannien und der Sozialdemokratie und des Stalinismus international haben ihren Tribut gefordert. Bei jeder Gelegenheit haben sie den Klassenkampf blockiert und eine pausenlose ideologische Offensive gegen sozialistisches Bewusstsein in der Arbeiterklasse geführt.

Die vernichtende Niederlage von Labour ist nicht nur das Versagen einer Partei, sie bedeutet das Scheitern einer ganzen politischen Perspektive und all der Parteien und Organisationen, die auf ihr basieren. In ganz Europa befinden sich die einstigen sozialdemokratischen Organisationen im Niedergang. Sie haben ihre reformistischen Ansprüche schon längst aufgegeben und sich der wirtschaftlichen Globalisierung und dem kapitalistischen Zusammenbruch angepasst. In Großbritannien, Griechenland und überall sonst sind sie zu rücksichtslosen Verfechtern von Austerität und Krieg geworden.

Das konfrontiert Arbeiter und Jugendliche mit großen Gefahren. Sie stehen einer Regierung gegenüber, die schon angekündigt hat, zusätzliche Kürzungen in Milliardenhöhe durchzusetzen und neue Überwachungsgesetze (snoopers charter) durchs Parlament zu peitschen, um die Befugnisse des Staates und des Sicherheitsapparates zu stärken. Sie wird nicht nur im Vereinigten Königreich nationalistische Spannungen schüren, sondern auch die Themen Einwanderung und Europäische Union dafür nutzen.

Diese Entwicklungen finden darüber hinaus vor einem unmittelbar drohenden neuen Finanzcrash und inmitten eines militärisch aggressiven Vorgehens der USA; Großbritanniens und anderer Großmächte statt, das die ganze Welt in einen blutigen Konflikt stürzen kann.

Dieser Alptraum kann nur beendet werden durch den Aufbau einer wirklich sozialistischen Partei. Die Rückkehr zu nationalem Reformismus ist keine Option. Nötig ist eine neue Kampfachse: der sozialistische Internationalismus. Die Produktivkräfte der Gesellschaft müssen von den Fesseln des Profisystems befreit und die Aufteilung der Welt in konkurrierende Nationalstaaten überwunden werden. Die Grundlage der Weltwirtschaft muss eine rationale Planung der Produktion sein, damit statt privater Profitinteressen die gesellschaftlichen Bedürfnisse befriedigt werden.

Nur die Socialist Equality Party und das Internationale Komitee der Vierten Internationale vertreten dieses sozialistische Programm und bieten ein Instrument, mit dem die Arbeiterklasse international im Kampf gegen den Kapitalismus, der die Quelle von Austerität und Krieg ist, vereint werden kann.

Die SEP wird durch die Ausbildung der politisch fortgeschrittensten und selbstlosesten Arbeiter und Jugendlichen in den wichtigen historischen Erfahrungen der Arbeiterbewegung aufgebaut. Im Zentrum steht der jahrzehntelange Kampf, den Leo Trotzki und die Vierte Internationale gegen den Stalinismus geführt haben, und den heute das IKVI für die Perspektive der sozialistischen Weltrevolution führt.

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