Chinesische Zentralbank senkt Leitzins und weitere Anzeichen für Abschwung

Chinas Zentralbank hat den Leitzins zum dritten Mal innerhalb von sechs Monaten gesenkt. Dies ist ein Versuch, dem wirtschaftlichen Abschwung entgegenzuwirken und den Schuldendruck abzumildern, der auf den staatlichen Behörden in der Kommunalverwaltung und den Unternehmen lastet.

Dieser Schritt, der Sonntagnacht erfolgte, schickte ein starkes Signal an die Aktienmärkte: am Montag stiegen die Aktien in China um drei Prozent und ließen damit ihre schlechteste Woche seit fünf Jahren hinter sich. Auch andere asiatische Märkte verzeichneten einen Auftrieb, nachdem in der Vorwoche infolge von Anleiheverkäufen in Europa Verluste erlitten worden waren.

Obwohl die Finanzmärkte die Maßnahme begrüßten, drückt diese Entscheidung zunehmende Besorgnis über die sich verlangsamende chinesische Wirtschaft und die wachsenden Schuldenprobleme aus, welche aus der niedrigen Inflation erwachsen.

In ihrer offiziellen Stellungnahme schrieb die Zentralbank, die Chinesische Volksbank (PBOC), die Wirtschaft des Landes befinde sich „nach wie vor in einem relativ starken Abwärtstrend.“

“Gleichzeitig verbleibt das allgemeine Niveau der Inlandspreise niedrig und der Realzinssatz liegt immer noch über dem historischen Durchschnitt.“

Die PBOC warnte vor den sich auftürmenden Schulden, die die Folge der Maßnahmen sind, mit denen die Auswirkungen der Finanzkrise von 2008-2009 bekämpft wurden. Die Bank warnte eindringlich: „Der wachsende Schuldenberg zwingt China dazu, viele seiner Ressourcen für die Rückzahlung und Verlängerung der Schulden aufzuwenden.“

In den fünf Jahren, die der globalen Finanzkrise folgten, dehnte sich der chinesische Kredit in einem Umfang aus, der demjenigen des gesamten amerikanischen Finanzsystems gleichkommt. Aber jetzt schränkt die Notwendigkeit, diesen Schuldenberg abzutragen, die Kapazitäten der Zentralregierung ein, mithilfe von Fiskalmaßnahmen die Wirtschaft anzutreiben.

Zugleich wird die chinesische Wirtschaft von dem allgemeinen Abschwung in den wichtigsten kapitalistischen Ländern betroffen.

Die chinesischen Wirtschaftsdaten für April zeigten einen merklichen Handelsrückgang sowie eine unter den Erwartungen liegende Inflationsrate. Die Exporte dieses Monats fielen um 6,4 Prozent, nachdem sie im März schon um fünfzehn Prozent zurückgegangen waren. Für den April war eigentlich eine Wende erwartet worden, weshalb Bedenken zunehmen, ob die vorhergesagte Wachstumsrate von sieben Prozent (die niedrigste seit zwanzig Jahren) überhaupt erreicht werden könne.

Die Importe knickten in diesem Monat um 16,2 Prozent ein. Insofern diese aus halbfertigen Produkte bestehen, die in Chinas Werkstätten ihre Endfertigung erreichen, deutet diese Zahl auf einen Rückgang der Produktion hin.

Die Leitzinssenkungen und die Lockerung der Mindestreserve, die im letzten Halbjahr fünf Mal erfolgten, haben die Besorgnis unter einigen Finanzanalysten geweckt, dass der Abschwung der chinesischen Wirtschaft schneller erfolge, als Regierung und Finanzbehörden voraussahen.

Nizam Idris, ein Analyst der Macquarie-Finanzgruppe, äußerte sich im amerikanischen Wirtschaftskanal CNBC in diesem Sinne.

“Die Senkung vom Wochenende bestätigt meine Meinung, dass China den Abschwung nicht wirklich unter Kontrolle hat“, sagte er. „Alle nennen es einen organisierten Abschwung, aber wenn man sich anschaut, wie die Lebensdauer des Leitzinses abnimmt und in welch aggressivem Tempo die Mindestreserve korrigiert wurde, dann scheint mir, dass China sich sehr abmüht, Schritt zu halten, während von voller Kontrolle nichts zu sehen ist.“

Für die baldige Zukunft werden weitere Senkungen erwartet, zudem wird angenommen, dass der Diskontsatz von seinem jetzigen Niveau von 5,1 auf 4,6 Prozent herabgesetzt werden wird.

Gemäß Barclays “weisen das anhaltende Deflationsrisiko und die immer noch steigenden Kreditzinsen auf die Notwendigkeit einer weiteren geldpolitischen Lockerung hin. Insofern erwarten wir weitere Richtwertsenkungen um mindestens 50 bp [50 Basispunkte bzw. 0,5 Prozent] sowie zwei abermalige Leitzinssenkungen im dritten Quartal.“

Noch ein Anzeichen für wachsende Finanzprobleme ist, dass die Zentralbank Berichten zufolge Maßnahmen erwägt, die den Kommunalbehörden die Umstrukturierung ihrer Schulden erlauben würden. Die Kommunalbehörden befinden sich im Zentrum der Grundstücks- und Vermögensblase, die in den vergangenen fünf Jahren ein wesentliches Element des chinesischen Wachstums ausmachte.

Der Immobilienmarkt, der zusammen mit der Bauindustrie sowie den ihr anhängenden Industrien ein Viertel des chinesischen Bruttoinlandproduktes stellt, wird als „schwerfällig“ bezeichnet. Ebenso nehmen Forderungsausfälle zu. Notleidende Kredite schossen von 140 Milliarden Yuan zu Beginn des Jahres auf fast 983 Milliarden Yuan (144 Milliarden Euro) zu Ende März in die Höhe. Dies war der größte Quartalsanstieg seit über einem Jahrzehnt.

Überall auf der Welt verfehlten die Zinssenkungen der Zentralbanken ihre Wirkung und leisteten keinen Anstoß für Investitionen in der Realwirtschaft. Vielmehr ließ die Ausgabe billigen Geldes durch die Zentralbank in den vergangenen Monaten die chinesischen Aktienmärkte rapide in die Höhe schießen.

Das Politbüro der Kommunistischen Partei Chinas, der oberste Entscheidungsträger des Landes, betonte in einer Stellungnahme der letzten Woche die Notwendigkeit, „die Geldpolitik effektiver zu lenken, um die Realökonomie zu unterstützen.“

Doch die Regierung macht gerade die Entdeckung, dass das Kapital und die Geldflüsse sich nicht von „chinesischen Charakteristika“ festlegen lassen, sondern gemäß ihren eigenen Gesetzen agieren.

Laut Schätzungen der Royal Bank of Scotland haben in den vergangenen sechs Monaten 300 Milliarden Dollar China verlassen. Sie wurden vom Dollarwachstum angezogen und von den anschwellenden Finanzproblemen Chinas abgestoßen. Diese Abflüsse könnten in den kommenden Monaten zunehmen und die Mittel austrocknen, die innerhalb Chinas für die Darlehensvergabe vorgesehen sind. Damit würden sich die wachsenden Wirtschafts- und Finanzschwierigkeiten weiter verschärfen.

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