Oberster Gerichtshof Schwedens weist Julian Assanges Einspruch gegen seinen Haftbefehl zurück

Der oberste Gerichtshof Schwedens wies am 11. Mai einen Einspruch von WikiLeaks-Gründer Julian Assange gegen seinen Haftbefehl mit einer Mehrheit von vier zu eins zurück.

Assange wurde im Dezember 2012 in London verhaftet, nachdem die schwedischen Behörden einen höchst fragwürdigen Haftbefehl gegen ihn erlassen hatten. Er soll in Schweden wegen Vorwürfe der angeblichen sexuellen Belästigung befragt werden.

[Bild] Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft, London, August 2014

Assange streitet die Missbrauchsvorwürfe ab. Er wurde bisher noch keines einzigen Verbrechens während seines Aufenthalts in Schweden 2010 angeklagt.

Im Juni 2012 suchte Assange Zuflucht in der ecuadorianischen Botschaft in London, nachdem ihm die britischen Gerichte seine demokratischen Grundrechte vorenthielten. Seit drei Jahren lebt er praktisch unter Hausarrest und kann die Vorteile des nach internationalem Recht zuerkannten Asyls der ecuadorianischen Regierung vom August 2012 nicht nutzen. Die Londoner Polizei hält das Botschaftsgebäude rund um die Uhr umstellt, die Kosten für diese Operation belaufen sich bereits auf mehr als zehn Millionen Pfund. Assange droht die sofortige Verhaftung, wenn er das Gebäude verlässt.

Seine Anwälte begründeten den Einspruch damit, dass die Einsperrung in der Botschaft erzwungen wurde, dadurch die Freiheiten von Assange massiv eingeschränkt seien und der Zwangsaufenthalt in keinem Verhältnis zu den ihm vorgeworfenen Taten stehe. Der Fall kam vor den Obersten Gerichtshof, nachdem die unteren Gerichte in Schweden den Einspruch abgelehnt und erklärt hatten, Assanges Aufenthalt sei freiwillig gewählt.

Vier der fünf Richter, Ann-Christine Lindeblad, Gudmund Toijer, Ingemar Persson und Lars Edlund, wiesen Assanges Einspruch zurück.

Das Urteil ist ein weiterer unverhohlener Verstoß gegen Assanges demokratische Rechte. In der Begründung hieß es: "Das öffentliche Interesse an dem Verfahren wiegt weiterhin schwer. Angesichts dessen und der Gefahr, dass Assange der Staatsanwaltschaft entkommen könnte, wenn der Haftbefehl aufgehoben wird, betrachten wir eine weitere Inhaftierung als vereinbar mit den Prinzipien der Verhältnismäßigkeit."

Der Oberste Gerichtshof sah "keinen Grund, den Haftbefehl aufzuheben“, da bereits Bestrebungen im Gange seien, Assange in London zu befragen.

Nur Richter Svante Johansson sah das anders und erklärte in einer abweichenden Meinung zum Urteil, der Haftbefehl sei ein "Verstoß gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit" und die Gründe für eine weitere Inhaftierung würden "nicht die Einschränkungen und die Unannehmlichkeiten" rechtfertigen, denen Assange ausgesetzt ist.

Die herrschenden Kreise in Großbritannien und Schweden sind fest entschlossen, Assange in ihre Gewalt zu bekommen und WikiLeaks mundtot zu machen. Daher nehmen sie auf keiner Ebene mehr Rücksicht auf demokratische Normen. Der Oberste Gerichtshof traf seine Entscheidung noch bevor Assanges Anwälte ihren endgültigen Einwurf einreichen konnten. Assanges Anwalt Per Samuelson erklärte: "Wir sind natürlich enttäuscht und sehen die Art und Weise, wie der Oberste Gerichtshof den Fall behandelt sehr kritisch. Diese Entscheidung wurde getroffen, ohne dass wir unseren Standpunkt vollständig vortragen konnten."

Der Oberste Gerichtshof hielt es nicht für nötig, ihre Entscheidung juristisch zu begründen. Die verachtenswerte Kampagne gegen Assange war bisher durchgängig von einer völligen Missachtung juristischer Standards gekennzeichnet.

Das Urteil folgt der Entscheidung der schwedischen Staatsanwaltschaft im März, die Assange formell angeboten hatte, nach London zu reisen, um ihn wegen der Vorwürfe zu befragen. Zuvor wurde dies jahrelang abgelehnt.

Im November 2014 hatte das schwedische Berufungsgericht Staatsanwältin Marianne Ny gerügt, weil sie gegen ihre Pflicht zur Durchführung des Ermittlungsverfahrens verstoßen habe. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft war zudem von der Tatsache motiviert, dass einige der Vorwürfe gegen Assange, die fast fünf Jahre zurückliegen im August verjähren werden. Der Vorwurf mutmaßlicher Vergewaltigung wäre allerdings erst 2020 verjährt. Ny erklärte damals, man dürfe keine Zeit verlieren.

Assanges Anwälte begrüßten den Schritt damals, aber jetzt wird die Tatsache, dass sich die Staatsanwaltschaft bereit erklärt hat, Assange in London zu befragen, vom Obersten Gerichtshof als Argument dafür benutzt, den Haftbefehl bestehen zu lassen! In dem Urteil heißt es: "Der Oberste Gerichtshof weist darauf hin, dass Ermittler versuchen, Julian Assange in London zu befragen. Der Oberste Gerichtshof sieht daher keinen Grund, den Haftbefehl aufzuheben."

Julian Assange droht eine Überstellung nach Schweden, wo ihn nicht nur ein Verfahren wegen sexuellem Missbrauchs erwartet. WikiLeaks hat die Verbrechen des US-Imperialismus und anderer Großmächte entlarvt und die amerikanischen Behörden haben bereits deutlich gemacht, dass sie Assange weiterhin verfolgen.

Im April 2010 veröffentlichte WikiLeaks das Video "Collateral Murder," auf dem zu sehen ist, wie im Jahr 2007 ein US-Kampfhubschrauber in Bagdad 15 Iraker massakriert, darunter zwei Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters. Im Juli desselben Jahres wurden 391.000 Kampfberichte aus Afghanistan veröffentlicht, in denen vom Pentagon verheimlichte Morde an Zivilisten dokumentiert sind, unter anderem ein Massaker an unbewaffneten Demonstranten und Hinrichtungen durch Todesschwadrone der Spezialkräfte. Im Oktober veröffentlichte WikiLeaks 400.000 Berichte aus dem Irak, die weitere Massaker an Zivilisten und die Unterstützung des US-Militärs für schreckliche Folter an irakischen Häftlingen dokumentieren.

Damit erfuhr die internationale Öffentlichkeit von den Kriegsverbrechen, die unter Bush und Obama stattfanden.

Als Assange verhaftet wurde, war WikiLeaks gerade dabei, Tausende von geheimen diplomatischen Depeschen zu veröffentlichen, in denen Verbrechen und Verschwörungen amerikanischer Regierungsvertreter auf der ganzen Welt enthüllt wurden.

Die Bedeutung der Veröffentlichung der Depeschen durch WikiLeaks zeigt sich daran, dass einige der enthüllten Pläne der Nato für einen Krieg gegen Russland auch den Einsatz von neun amerikanischen, britischen, deutschen und polnischen Divisionen beinhalten, sobald russische Truppen in eine der ehemaligen baltischen Sowjetrepubliken eindringen sollten.

Am 4. März dieses Jahres lehnte die amerikanische Bezirksrichterin Barbara Rothstein einen Antrag des Electronic Privacy Information Centre ab, die Dokumente gemäß dem Freedom of Information Act zu veröffentlichen. Sie erklärte, eine solche Enthüllung würde eine aktuelle Untersuchung gegen WikiLeaks in mehreren Punkten beeinträchtigen. Sie könnte außerdem "das Ausmaß und die Methoden der Untersuchung aufdecken und Verdächtige und andere Personen vor Ermittlungen gegen sie warnen."

Assanges Anwälte planen ihren nächsten Schritt und bringen den Fall möglicherweise vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Gegenwärtig prüft eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen den Fall Assange. Mit einer Entscheidung wird bald gerechnet.

Assanges Anwälte erklären in ihrer 42-seitigen Begründung: "Assange werden seit fast vier Jahren mehrere grundlegende Freiheiten vorenthalten. In den letzten 816 Tagen war er in der Botschaft von Ecuador in London in einem 30 Quadratmeter großen Zimmer gefangen, er hat keinen Zugang zu frischer Luft oder Sonnenlicht, seine Kommunikationen werden eingeschränkt und oft unterbunden, er hat keinen Zugang zu angemessenen medizinischen Einrichtungen, er wird ständig und rund um die Uhr gründlich überwacht, und er befindet sich ständig in einem Zustand juristischer und verfahrensrechtlicher Unsicherheit. Gegen Assange wurde bisher noch keinerlei Anklage erhoben."

In dem Dokument heißt es auch: "Keine Beachtung fand die Tatsache, dass britische Gesetze und Verfahren dahingehend geändert wurden, dass Assange nicht mehr aufgrund eines Europäischen Haftbefehls ausgeliefert werden könnte, wenn er heute angeklagt würde. Es wurden aufgrund der neuen Gesetzeslage keinerlei Schritte zu seinem Vorteil unternommen."

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