EU beginnt Militäroperation im Mittelmeer

Die Europäische Union setzt ihre Pläne für ein militärisches Eingreifen gegen Flüchtlinge im Mittelmeer und Nordafrika in die Tat um. Das beschlossen die Außen- und Verteidigungsminister der EU bei einem Treffen am Montag in Brüssel.

In einer Pressemitteilung heißt es: „Der Europäische Rat hat sich heute (18. Mai) darauf geeinigt, eine EU-Militäroperation – EUNAVFOR Med – zu bilden, um das Geschäftsmodell von Schmugglern und Schleusern im Mittelmeer zu zerstören. Diese Entscheidung ist Teil einer umfassenden Antwort der EU auf die Herausforderung durch Flüchtlinge und ermöglicht den formalen Beginn der operativen Planung für Marineoperationen.“

Die erste Phase der Mission zur Aufklärung von Schleuser-Netzwerken und deren Routen werde „so bald wie möglich durchgeführt“. In einer „zweiten und dritte Phase“ soll es darum gehen, „Schiffe und Vermögenswerte der Schmuggler zu identifizieren, zu beschlagnahmen und zu zerstören“.

Der Pressemitteilung zufolge wird der italienische Konteradmiral Enrico Credendino den Einsatz leiten. Das Hauptquartier der auf vorerst für zwölf Monate angelegten Operation liegt in Rom. Die Kosten einer zweimonatigen „Vorbereitungsphase“ werden auf 11,82 Millionen Euro geschätzt.

Allein die Ernennung von Credendino verdeutlicht den Charakter der Mission. Der italienische Admiral führte bereits das Kommando der Operation „Atalanta“, des Militäreinsatzes der EU vor Somalia. Dort machen Kriegsschiffe der EU-Mitgliedsstaaten Jagd auf vermeintliche Piraten. Sie attackieren dabei nicht nur Schiffe, sondern auch angebliche Piratenlager an Land.

Obwohl zunächst nur die „erste Phase“ umgesetzt werden soll, ist klar, dass sich die EU auf viel weitreichendere Maßnahmen vorbereitet. In der Pressemitteilung heißt es, dass die Operation „die Gründe für irreguläre Migration an der Wurzel packen will, so wie es der Europäische Rat am 23. April gefordert hat“.

Damals hatten sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten nach einer Serie von fürchterlichen Katastrophen im Mittelmeer mit mehr als 2000 Toten auf den berüchtigten „Zehn-Punkte-Plan zur Migration“ geeinigt. Er beinhaltet verschärfte Polizei- und Militäroperationen gegen Flüchtlinge und schafft die Grundlage für eine massive Militärintervention in Afrika.

Seitdem sind die Planungen weiter fortgeschritten. Vor dem Treffen am Montag berichtete Spiegel Online über ein von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini erarbeitetes Konzept. „Was Mogherini auf sechs Seiten vorbereitet hat, ist nicht weniger als der mögliche Start einer neuen EU-Militärmission“, kommentiert die Nachrichtenwebsite. Das Mandat berufe sich „ausdrücklich... auf Kapitel 7 der Uno-Charta“, mit der „die Anwendung von militärischer Gewalt legitimiert“ werde.

Das Konzept belege, wie weit die Planungen Mogherinis gehen. „Ausdrücklich soll das Mandat Operationen ‚in den Gewässern Libyens und auf libyschem Territorium‘ erlauben, um dort die Infrastruktur der Schleuser zu zerstören“, heißt es. Den dort lauernden „robusten Gefahren“ (den hochmodernen Waffen, der Flugabwehr und den Boden-Luft-Raketen der libyschen Milizen) solle mit „einer ebenso martialischen ‚force protection‘“ begegnet werden. Bei Einsätzen im Landesinneren müsse man sich dabei auf eine „feindliche Umgebung“ einstellen.

Die Pläne der EU sind kriminell. Die bürgerlichen Medien erwähnen mit keinem Wort, dass das Chaos in Libyen und die dramatische Flüchtlingskatastrophe im Nahen Osten und in Nordafrika ein direktes Ergebnis des Eingreifens der Westmächte sind. Die von den USA und den europäischen Staaten geführten und unterstützten Kriege – darunter das Nato-Bombardement Libyens 2011 und die Bewaffnung islamistischer Milizen zum Sturz Gaddafis – haben eine ganze Region zerstört und Millionen zu Flüchtlingen gemacht.

Nun nutzen die imperialistischen Mächte die Katastrophe, um erneut ein militärisches Eingreifen vorzubereiten.

Am Wochenende veröffentlichte die Bild am Sonntag ein „Exklusivinterview“ mit dem deutschen Fregattenkapitän Alexander Gottschalk, der an Bord der Fregatte „Hessen“ vor Libyen aktiv ist. Während das Blatt versuchte, den Einsatz als „humanitäre“ Mission zur Rettung von kleinen Flüchtlingskindern darzustellen, machte das Interview deutlich, dass die Zerstörung von Flüchtlingsschiffen bereits begonnen hat.

Auf die Frage, was mit den „Flüchtlings-Booten nach der Rettung“ passiere, antwortete der Kapitän: „Wir müssen die Boote zerstören, weil sie auf dem offenen Meer ein Schifffahrtshindernis für andere Boote darstellen. Zum anderen könnte es sein, dass wir ein leeres Boot aus der Luft irrtümlich als ein in Seenot befindliches Boot wahrnehmen und hinfahren, um es zu retten. Das kann wertvolle Zeit kosten, die uns bei der Rettung von besetzten Booten dann verloren geht. Daher lassen wir die Luft aus den Schlauchbooten und zünden sie an. Die selteneren Holzboote versenken wir auch.“

Selbst die Zeit, die sonst im Wochentakt Kriegspropaganda verbreitet, bemerkte unter der Überschrift „Deutsche Fregatte hat Lizenz zum Versenken“, dass der Einsatz des Militärs zur Zerstörung von Schmugglerbooten „umstritten“ sei. Neben „rechtlichen Fragen“ sei „auch unklar, wie die Boote erkannt werden sollen. Die militärischen Zugriffsbefugnisse seien unter anderem mit Blick auf die Haltung des UN-Sicherheitsrats noch offen.“

Obwohl ein Militäreinsatz ohne UN-Mandat illegal und völkerrechtlich noch weniger gedeckt ist als der verbrecherische Nato-Angriff auf Libyen vor vier Jahren, steht Deutschland heute an der Spitze des Einsatzes.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte in Brüssel, die Mission könne schnell beginnen, dies sei Konsens in der EU. Gleichzeitig mahnte der deutsche Außenminister, der eine größere Rolle Deutschlands in der Welt einfordert, ein militärisches Eingreifen allein werde die Lage nicht verändern.

Was Steinmeier vorschwebt, ist ein viel umfassenderes Eingreifen der EU in Afrika. Bereits vor dem letzten EU-Außenministertreffen im April hatte er gegenüber der Presse erklärt: „Ich glaube wir müssen sehen, dass wir vor einer gewaltigen Aufgabe stehen... Wir wissen, dass der Migrationsdruck solange nicht nachlassen wird, solange wir in Nordafrika instabile Verhältnisse haben, und deshalb muss unser Blick, und das wird nicht kurzfristig zu lösen sein, sich insbesondere auf die Transit- und Herkunftsländer richten, und das wichtigste Transitland ist im Augenblick Libyen. Ein Land, dass dabei ist zu zerfallen, wenn wir nicht den Prozess unterbrechen und umkehren.“

Am Montag drängte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) darauf, in diesem rohstoffreichen Land „eine Regierung der nationalen Einheit auf den Weg zu bringen“.

Unter dem Titel „Die Flüchtlingskatastrophe und der neue ‚Wettlauf um Afrika‘“ hatten wir bereits vor einem Monat erklärt, dass es genüge, einen Blick auf die „Afrikapolitischen Leitlinien“ der Bundesregierung vom Frühjahr 2014 zu werfen, um zu verstehen, worum es Brüssel und Berlin wirklich geht.

„Das Dokument spricht von einer ‚wachsenden Relevanz Afrikas für Deutschland und Europa‘, die sich unter anderem aus der wachsenden, dynamischen Wirtschaft und den ‚reichen natürlichen Ressourcen‘ des Kontinents ergebe“, schrieben wir. „Die Bundesregierung will deshalb ‚das politische, sicherheitspolitische und entwicklungspolitische Engagement Deutschlands in Afrika gezielt‘ stärken, ‚früh, schnell, entschieden und substanziell‘ handeln und ‚ressortübergreifend … das gesamte Spektrum ihrer vorhandenen Mittel einsetzen‘, heißt es im Papier.“

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