Detroit Institute of Art testet den Kunstmarkt:

Ein gefährlicher Präzedenzfall?

Die Enthüllung, das Detroit Institute of Arts (DIA) habe zu Beginn des Jahres den Verkauf eines von Vincent van Gogh 1886 gemaltes Stilllebens in Erwägung gezogen, sorgte für Schlagzeilen und erregte Besorgnis. Der in den Ruhestand gehende DIA Direktor beharrte zwar darauf, das Gemälde "stehe nicht zum Verkauf und habe nie zum Verkauf gestanden". Die Reaktion auf die Nachricht zeigt, aber wie sensibel und empfindlich angesichts der andauernden Nervosität über die ungelöste Finanzlange des Museums die Bevölkerung wegen des Erhalts der Sammlung des DIA ist.

Vase mit Nelken, Gemälde von Vincent van Gogh, Öl auf Leinwand Paris: Sommer 1886 Das Detroit Institute of Arts

Die Geschichte van Goghs "Stillleben mit Nelken" stehe zum Verkauf, erschien ursprünglich im März im Londoner Art Newspaper. Der betreffende Artikel behauptete, dass das DIA sich kurz vor dem Start eines Verkaufsprogramms befinde, wie es Museen durchführen, um neue Kunstwerke erwerben zu können. Während des Konkursverfahrens der Stadt war ein Verkaufsprogramm für zwei Jahre auf Eis gelegt worden. Beal soll gesagt haben "Diese Art des Verkaufs ist nicht umstritten – US-Museen tun dies ständig – es sei denn, die Absicht des Verkaufs ist es, den Erlös für irgendetwas anderes als den Kauf von neuer Kunst zu nutzen".

Am 15. Mai veröffentliche die Detroit News den Artikel "Van Gogh zu verkaufen? DIA schleicht sich in Kunstauktionsmarkt ein". Dieser deutete an, das DIA denke über "einen zukünftigen, freiwilligen Verkauf von einigen Werken des Detroit Institute of Arts" nach und darunter Werke von van Gogh. Beal teilte der News mit er habe sich gegen den Verkauf des van Gogh entschieden und er werde die Frage der Wiederaufnahme des Kunstverkaufs seinem Nachfolger überlassen, der am 1. Juli die Leitung übernimmt. Er behauptete die Geschichte sei entstanden weil "Ich mit Sotheby’s gesprochen haben und Informationen durchgesickert sind". Er bestritt nicht, dass das Kunstwerk möglicherweise zum Verkauf stehen könnte, wenn der richtige Preis geboten würde.

In der Detroit Free Press folgte dann ein Artikel mit dem Dementi Beals, dass das Gemälde jemals zum Verkauf gestanden habe. Formal könnte dies der Wahrheit entsprechen, da die Gespräche mit Sotheby’s nur vorläufig und allgemein gewesen sein könnten.

Wie auch immer, die undurchsichtigen Geschäfte wurden durch demagogische Einmischung verschiedener Experten noch verworrener. Diese wiesen darauf hin, dass Beal während des Insolvenzverfahrens und der damit einhergehenden Drohung des Verkaufs der gesamten oder von Teilen der Sammlung des DIA darauf bestanden habe, dass nicht ein einziges Stück der Sammlung verkauft werden könne, ohne dieser einen nicht wieder gutzumachenden Schaden zuzufügen.

Natürlich verkaufen Kunstmuseen regelmäßig und zu recht Werke, aber nur um ihre Sammlung aufzuwerten. Der "Verhaltenskodex für Museen" der Amerikanischen Allianz der Museen besteht darauf, dass "die Veräußerung von Sammlungen durch Verkauf, Handel oder Forschungsaktivitäten ausschließlich der Förderung der Mission des Museums dienen darf. Erlöse aus dem Verkauf von Sammlungen von nicht mehr lebenden Künstlern sollten im Einklang mit etablierten Standards der Museumsdisziplin verwendet werden, aber in keinem Fall für etwas anderes als die Anschaffung oder direkte Wartung der Sammlungen".

Das Detroit Institute of Arts

In Wirklichkeit aber verkaufen Kunst- und historische Museen immer mehr wertvolle Werke, nur um sich über Wasser zu halten. Die derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen haben für kulturelle Einrichtungen aller Art unmögliche Umstände geschaffen. Enormes Vermögen fließt fast ausschließlich in private Hände und an Unternehmen. Das stellt sicher, dass "kein Geld da ist" für die staatliche Förderung von Kunst und Kultur für die breite Öffentlichkeit.

Der Fortbestand von Museen, Orchestern und Kunstprogrammen auf allen Ebenen ist in zunehmendem Maße von den Launen der Milliardäre und ihren Stiftungen abhängig. Deren Schenkungen können, abhängig von ihrer unmittelbaren finanziellen Lage, jeder Zeit versiegen. Darüberhinaus garantiert die Vorherrschaft dieser Unternehmensinteressen, dass nichts Oppositionelles oder wirklich Originelles entstehen wird.

Dies ist auch beim DIA der Fall. Es kann gut sein, dass Beals Austesten des Kunstmarkts nichts Außergewöhnliches war. Der genannte van Gogh wird nicht als eines der Hauptwerke des Künstlers angesehen und wurde sogar einmal als eine Fälschung erachtet (und der Spender gab das Werk dem Museum unter der Bedingung, es zu verkaufen, um die Sammlung aufzuwerten). Dennoch gewinnt der mögliche Verkauf des Werks im gegenwärtigen Zusammenhang zusätzlich an Bedeutung.

Der am 7. November 2014 von Richter Steven Rhodes genehmigte Sanierungsplan für Detroit kürzte drastisch die Renten und Gesundheitsleistungen für gegenwärtige und pensionierte Stadtangestellte, während Hunderte Millionen Dollar an die Banken der Wall Street, Hedgefonds und Anleiheversicherer gingen. Die Genehmigung des Sanierungsplans brachte einen langwierigen Prozess zum Ende. Dieser nutzte ein „antidemokratisches Gesetz der Landesregierung zur Einsetzung eines nicht gewählten Notfallmanagers, der einem finanziellen Diktator entspricht, um die Stadt in den Bankrott zu führen und Pensionen unter der Verletzung des verfassungsmäßigen Schutz des Landes drastisch zu kürzen".(WSWS, 8. November 2014)

Im Rahmen des so genannten "Grand Bargain", eines großangelegten Geschäfts, wurde das Eigentum der Sammlung und des Gebäudes des DIA an das private, gemeinnützige Unternehmen Detroit Institute of Arts, Inc. übergeben, welches bereits das Tagesgeschäft des Museums übernommen hatte. Der Eigentümerwechsel erfolgte am 10. Dezember 2014. Danach kehrte das Museum zu dem Zustand vor 1919 zurück, bevor die Stadt es in Besitz genommen hatte.

Da das gesamte politische Establishment und seine Komplizen in den Gewerkschaften, die öffentliche Reaktion auf die Rentenkürzungen und Angriffe auf die Arbeiter fürchteten, wurden durch den "Grand Bargain" 816 Million Dollar über 20 Jahre aufgebracht, um den Schlag etwas abzumildern. Das DIA selbst wurde dazu aufgefordert, 100 Millionen Dollar zuzuschießen (die laut der Funktionäre bereits zur Verfügung gestellt wurden), Unternehmensstiftungen gaben 366 Millionen Dollar und der Staat Michigan trug im Voraus mit 195 Millionen Dollar bei, was einem Betrag von 350 Millionen Dollar über zwei Jahrzehnte gleichkommt.

Die Genehmigung des Sanierungsplans im November des letzten Jahres wurde zum Anlass für viele lautstarke Äußerungen, die behaupteten: "Das DIA wurde gerettet!". In Wirklichkeit wurden weder die Zukunft noch die finanzielle Lage des Museums geklärt. Natürlich, wurde das Schicksal des DIA den kleinen Gaunern der Lokalpolitiker Detroits aus der Hand genommen ... und in vollerem Umfang in die Hände der viel gefährlicheren Verbrecher, der Vertreter der Automobilhersteller, Banken, Energieversorger und anderen Großunternehmen gelegt.

Das DIA verdankt seinen Fortbestand jetzt ganz allein der Wirtschaftselite. Auf einer unvollständigen Liste der wirklichen neuen Besitzer der Museen befinden sich die Ford Foundation, die Kresge Foundation, die W.K. Kellogg Foundation, die John S. and James L. Knight Foundation, die William Davidson Foundation, die Charles Stewart Mott Foundation, die Hudson-Webber Foundation, den McGregor Fund, die Ford Motor Co., die General Motors Co. / die General Motors Foundation und die Chrysler Group.

Zum 100-Millionen-Dollar-Anteil des DIA an der "Grand Bargain"- Vereinbarung trugen die Penske Corp., DTE Energy, Dan Gilbert Quicken Loans und Rock Ventures, Michigans Blue Cross Blue Shield, Meijer, Toyota, Comerica Bank, die JPMorgan Chase Foundation, der J. Paul Getty Trust und die Andrew W. Mellon Foundation bei.

Alles in allem ein Who is Who der Unternehmensinteressen, die für das soziale Elend verantwortlich sind, das den Großraum Detroit zerstört und das Leben für weite Teile der Bevölkerung unmöglich macht.

Verschenken diese Leute irgendetwas kostenlos, selbst unter Berücksichtigung, dass politisches Kalkül, sprich die Angst vor öffentlicher Unruhe, sie dazu ermutigt "freigebig" zu sein?

Der Verwaltungsrat des DIA wählte im Januar 2015 sieben neue Mitglieder darunter Stephen Biegun, einen Unternehmensvertreter und Vizepräsidenten der Ford Motor Company für internationale Regierungsangelegenheiten und Treuhänder des Ford Motor Company Funds, Robert Jacobs, der Präsident und Eigentümer von Buddy’s Pizza; Victoria McInnis, die Chefsteuerberaterin für General Motors; Dennis Scholl, der ehemalige Vizepräsident für Kunst von der John S. and James L. Ritter Foundation (der von verschiedenen Stiftungen insbesondere als ihr Beobachter des DIA Vorstandes nominiert wurde) und Mark Zeffiro, der Finanzchef und geschäftsführender Vizepräsident der TriMas Corporation.

Detroits Kunstmuseum muss weiterhin hunderte Millionen von Dollar aufbringen, um geöffnet zu bleiben. Die Free Press merkte an: "Nachdem es nun die Finanzierungspflicht des Grand Bargain erfüllt hat, kann das DIA nun über die nächsten acht Jahren seine volle Aufmerksamkeit der Aufbringung von 275 Millionen Dollar in neue Stiftungsfonds schenken. Dieses Geld ist entscheidend für die langfristige finanzielle Stabilität des Museums, nachdem die Tri-County Steuerunterstützung für die DIA im Jahr 2022 endet".

Phillips Oppenheim, ein Unternehmen, das sich auf die Suche nach Führungskräften für gemeinnützige Organisationen spezialisiert hat, behauptet in einer Erklärung: "Die Herausforderung für das DIA besteht heute darin, uneingeschränkt bis 2023 rund 400 Millionen US-Dollar für die Betriebsausstattung bereitzustellen, dies wird die angemessenen jährlichen Betriebsmittel zur Verfügung stellen und einen Rückgriff auf die Wähler wegen neuer Steuermittel überflüssig machen".

Wer sagt, dass die Vorstandsmitglieder des Museums, die von jeder öffentlichen Kontrolle oder Aufsicht befreit sind, nicht bei der nächsten Krise, und diese ist so sicher wie der tägliche Sonnenauf- und -untergang, beginnen werden, die Meisterwerke des DIA zu verkaufen? Was würde sie zurückhalten? Vielleicht würde die Vernichtung des Museums nicht auf einen Schlag stattfinden, aber Detroits Bewohner leben mit dem Risiko eines Tages aufzuwachen und eine andere Institution an der Woodward Avenue vorzufinden. Ohne das Entstehen einer sozialistisch gesinnten Arbeiterbewegung, ist die Zukunft des DIA ganz auf die Gnade der Unternehmens- und Finanzaristokratie angewiesen.

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