Griechische Arbeiter im Gesundheitswesen, Journalisten und Rentner protestieren gegen Sparpolitik

Am Mittwoch traten Tausende Ärzte, Pfleger und Ambulanzkräfte der staatlichen Krankenhäuser und Gesundheitszentren in Griechenland in einen 24-Stunden-Streik.

Der Arbeitnehmerverband der Öffentlichen Krankenhäuser (POEDIN) hatte zu dem Streik aufgerufen, um gegen die Aushöhlung des Gesundheitswesens seit Beginn der massiven Sparmaßnahmen 2010 zu protestieren. Die Arbeiter fordern unter anderem, dass mehr Personal eingestellt und die ausstehenden Löhne ausgezahlt werden. POEDIN erklärte, das staatliche Gesundheitssystem Griechenlands sei aufgrund von „Unterfinanzierung und fehlenden Personals außer Kontrolle.“

Laut POEDIN würden die laufenden Verhandlungen der Syriza-Regierung mit ihren Gläubigern „nicht die Voraussetzungen zur Lösung der angehäuften Probleme schaffen. Die Lage nimmt Ausmaße an, die bald nicht mehr zu kontrollieren sind.“

Während des Ausstandes arbeiteten die Krankenhäuser nur mit Notfallbesetzung. Mitglieder im Verband der Klinikärzte Athens und Pireos' (ΕINAP) unterstützten den Streik. Auch der Bund Griechischer Klinikärzte (OENGE) sprach sich für den Streik aus und veröffentlichte eine Stellungnahme. Staatliche Krankenhäuser befänden sich in einem Zustand „wirtschaftlicher Strangulation“, heißt es darin. Die Ärzte fordern eine Erhöhung der Geldmittel für Krankenhäuser von 1,4 Milliarden auf zwei Milliarden Euro pro Jahr, um „das Problem fehlender Materialien und Medikamente“ zu bewältigen.

Der Beamtenbund (ADEDY), Griechenlands größte Gewerkschaft des öffentlichen Diensts, veröffentlichte eine Erklärung, in der sie den Streik unterstützte und ankündigte, ihre Mitglieder würden am Mittwoch im ganzen Land die Arbeit niederlegen. Sie organisierte eine Protestveranstaltung um 12:30 Uhr außerhalb des Gesundheitsministeriums in Athen, an der sich etwa 500 streikende Beschäftigte aus dem medizinischen Bereich beteiligten. Unterstützt wurden sie von Rentnern, die gegen Kürzungen der Sozialleistungen und im Gesundheitswesen protestierten.

ADEDY forderte in einer weiteren Erklärung „kostenlose öffentliche Gesundheitsversorgung für alle, ausreichend Personal und Finanzierung für das nationale Gesundheitssystem (ESY), die Abschaffung des Memorandums [Sparauflagen der Gläubiger], das zu Privatisierungen und Kürzungen im Gesundheitswesen geführt hat, die Bezahlung von ausstehenden Löhnen und den Ausgleich von Lohnverlust.“

Auch Mitglieder des Athener Journalistenverbandes ESIEA begannen am Mittwoch um 11 Uhr morgens einen sechsstündigen Streik, um an einer Generalversammlung ihrer Gewerkschaft teilzunehmen. Zu den betroffenen Zeitungen gehörte unter anderem die Tageszeitung Proto Thema, die während des Streiks ihre Redaktion auf Griechisch und Englisch einstellte.

In der öffentlichen Gesundheitsversorgung wurden in den vergangenen Jahren derart drastische Kürzungen durchgesetzt, dass heute bereits drei Millionen Griechen – etwa ein Viertel der Bevölkerung – keine Krankenversicherung und keinen Anspruch auf staatliche medizinische Versorgung haben. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheitsleistungen in Griechenland zwischen 2009 und 2012 um ein Viertel zurückgegangen und seither nicht mehr gestiegen. Das Gesundheitswesen erhält pro Jahr nur elf Milliarden Euro (fünf Prozent des BIP).

Das Ergebnis ist eine menschliche Tragödie. Beispiellose Kürzungen haben ein fortschrittliches, über zwanzig Jahre hinweg aufgebautes öffentliches Gesundheitssystem zerstört. Zwei Gewerkschaften aus dem Gesundheitswesen veröffentlichten im September 2014 Daten, laut denen 850 Kliniken geschlossen, 10.000 Krankenhausbetten abgebaut und 30.000 Arbeitsplätze mit Patientenkontakt gestrichen wurden. Seit Beginn der Krise wurden elf Krankenhäuser geschlossen. Der Streik am Mittwoch war nicht der erste seit dem Wahlsieg der pseudolinken Partei Syriza. Am sechsten Mai streikten bereits die Hafenarbeiter, um gegen Privatisierungen zu protestieren. Am neunten Mai streikten die Arbeiter der privaten Raffinerie Hellenic Petroleum, nachdem am Tag zuvor sechs Arbeiter bei einer Explosion verletzt worden waren.

Allerdings handelte es sich beim Streik am Mittwoch um den ersten landesweiten Ausstand, zu dem einer der beiden Gewerkschaftsbünde aufgerufen hatte. Dieser Schritt zeigt, dass die Gewerkschaftsbürokratie, die mit Syriza zusammenarbeitet, sich darüber bewusst ist, wie rasch die Wut auf die Syriza-Regierung in der arbeitenden Bevölkerung wächst.

Syriza wurde gewählt, weil sie versprochen hatte, Widerstand gegen die Sparpolitik zu leisten. Doch stattdessen bot sie sich an, weitere Angriffe auf die Arbeiterklasse durchzusetzen. Die Gewerkschaften, die befürchten, dass die Opposition in der Bevölkerung außer Kontrolle gerät und Syrizas Herrschaft gefährdet, haben die Aufgabe, eine Bewegung der Arbeiter abzuwürgen.

Trotz der wachsenden Wut und zunehmender Massenarmut versucht Syriza ein Abkommen mit der Troika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfond durchzusetzen. Das bedeutet die Fortsetzung der Austeritätspolitik.

Die Regierung ist entschlossen, jeden Cent der griechischen Staatsschulden in Höhe von mehr als 300 Milliarden Euro zurückzuzahlen. Allein in den letzten vier Monaten hat sie mehr als dreizehn Milliarden Euro zurückgezahlt – mehrere Milliarden Euro mehr als Griechenlands ganzes jährliches Budget für das staatliche Gesundheitswesen! Es wird geschätzt, dass die öffentlichen Krankenhäuser sofort 600 Millionen Euro brauchen, um ihren Betrieb weiterhin aufrechterhalten zu können. Syriza hat dem IWF am 12. Mai mit einer einzigen Zahlung mehr als diesen Betrag übergeben – 750 Millionen Euro.

Um der Troika zu zeigen, dass Syriza einen Haushaltsüberschuss organisieren kann, hat sie in den ersten drei Monaten des Jahres die öffentlichen Ausgaben zusammengestrichen. Wie die Financial Times schrieb, hat dies dazu geführt, dass „besonders die Ausgaben im Gesundheitswesen gesunken sind. Beispielsweise wurden für einen Einzelposten der ‘Deckung des Krankenhausdefizits’ bisher nur 43 Millionen Euro ausgegeben...“

ADEDY, die zugehörigen Gewerkschaften und der Gewerkschaftsbund des öffentlichen Dienstes (GSEE) haben in den letzten fünf Jahren eine wichtige Rolle dabei gespielt, in Zusammenarbeit mit den wechselnden Regierungen ein brutales Sparprogramm nach dem anderen durchzusetzen. Mehr als 30 Generalstreiks wurden zu dem Zweck ausgerufen, um die Wut der Arbeiter in wirkungslose Proteste zu kanalisieren. Die meisten Generalstreiks dauerten nur 24 Stunden.

Sowohl ADEDY als auch GSEE wurden bislang von der sozialdemokratischen PASOK dominiert. Doch PASOK stellte mit Georgious Papandreou 2009 die Regierung, die das erste Sparprogramm durchsetzte. In den folgenden Jahren war sie Teil aller Regierungskoalitionen, die für massive Angriffe auf den Lebensstandard von Millionen Menschen verantwortlich sind. Mittlerweile ist die Partei weitgehend verhasst. Bei der Wahl im Januar verschwand sie mit nur 4,6 Prozent der Stimmen fast völlig von der Bildfläche.

Daher haben viele Gewerkschaftsverbände, die vorher auf der Seite von PASOK standen, auf Syriza umgesattelt.

Syriza wird die Gewerkschaften genauso als Polizist der Arbeiterklasse einsetzen, wie es ihr PASOK und die konservative Nea Dimokratia bereits vorgemacht haben. Im Februar erklärte der stellvertretende Minister für Verwaltungsreformen Georgios Katrougalos (Syriza) über die Pläne der Regierung zur „Sanierung“ des öffentlichen Dienstes (d.h. Kürzungen): „Seine Gewerkschaft [ADEDY] ist anderer Meinung, deswegen habe ich sie eingeladen, um ihr zu sagen, dass sie für mich natürliche Partner sind, und dass ich nicht ohne ihre Zusammenarbeit regieren werde, aber dass letzten Endes ich derjenige sein werde, der die Gesetze macht.“

Spyros Papaspyros, ein führender Gewerkschafter, der bis 2011 Vorsitzender von ADEDY war und ein ehemaliger PASOK-Anhänger ist, erklärte vor Syrizas Wahl: „Wir werden mit Bündnissen und Ambitionen in der nächsten Regierung sein.“

Die bitteren Erfahrungen in Griechenland und anderen Ländern zeigen, dass die Gewerkschaften nur existieren, um zusammen mit Regierungen aller Couleur und dem Großkapital brutale Kürzungen durchzusetzen. Die Wiederkehr der Arbeitskämpfe in Griechenland nur wenige Monate nach Syrizas Wahlsieg stellt die Arbeiterklasse vor die Aufgabe, eine Bewegung aufzubauen, die unabhängig von den Gewerkschaften und dem politischen Establishment für eine sozialistische Perspektive kämpft.

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