Ägyptischer Diktator al-Sisi zu Besuch in Berlin

Am heutigen Mittwoch trifft der ägyptische Diktator Abdelfattah al-Sisi auf Einladung der Bundesregierung in Berlin ein. Sisi wird mit höchsten militärischen Ehren vom Bundespräsidenten Joachim Gauck im Schloss Bellevue empfangen. Anschließend finde ein „Gespräch“ statt, heißt es lapidar auf der Website des Bundespräsidenten. Weitere Termine seien Bildtermine „bei der Begrüßung am Schlossportal“, „beim Gästebucheintrag in der Eingangshalle“ und „bei den militärischen Ehren im Park“.

Später empfange die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) al-Sisi zu einem Arbeitsmittagessen, hieß es gestern von Regierungssprecher Steffen Seibert. Im Zentrum des Gesprächs stünden dabei „die bilateralen, also die deutsch-ägyptischen Beziehungen, die innenpolitische Situation in Ägypten und Konflikte in der Region“.

Weitere Treffen sind mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (ebenfalls SPD) und hochrangigen Wirtschaftsvertretern geplant. Die beiden führenden SPD-Politiker sind bereits gute Bekannte des Diktators. Wirtschaftsminister Gabriel überbrachte al-Sisi Anfang März auf der Investorenkonferenz im ägyptischen Sharm al-Sheikh die Einladung der Bundesregierung. Steinmeier war Anfang Mai in Kairo, um sich mit Sisi und seinem ägyptischen Amtskollegen Sameh Shoukry zu treffen.

Auch die Oppositionsparteien buhlen um die Gunst des Diktators. „Sicher, man muss im Zweifel auch mit einem Militärdiktator sprechen, wenn es um die extrem schwierige Lage des Nahen Ostens geht“, erklärte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag Katrin Göring-Eckardt. Das Handelsblatt schrieb in Bezug auf die Linkspartei: „Auch die Linksfraktion hat keine Berührungsängste. Sie bemühte sich noch kurz vor Ankunft von al-Sisi um einen Termin mit dem Präsidenten.“

Die Tatsache, dass die deutschen Eliten dem Gewaltherrscher vom Nil den roten Teppich ausrollen, entlarvt ihre Phrasen von „Demokratie“, „Frieden“ und „Menschenrechten“. Al-Sisi steht wie kaum ein zweites Staatsoberhaupt für „Diktatur“ und „Gewalt“ und „Krieg“.

Der frühere General ist der Bluthund der ägyptischen Revolution, die Anfang 2011 den langjährigen „Partner“ des Westens Hosni Mubarak aus dem Amt jagte. 2013 führte al-Sisi nach Massenprotesten gegen den islamistischen Präsidenten Mohamed Mursi den Putsch des Militärs an. Seitdem hat er ein regelrechtes Terrorregime errichtet. Seit seiner Machtübernahme haben die ägyptische Polizei und Armee tausende Regimegegner massakriert, Zehntausende eingekerkert und über tausend politische Gefangene zum Tode verurteilt, darunter Mursi selbst.

Der konterrevolutionäre Terror des ägyptischen Regimes ist so offensichtlich, dass selbst die bürgerliche Presse in Deutschland nicht umhin kommt, einige Dinge beim Namen zu nennen.

So beschreibt der Tagesspiegel in einem Kommentar mit dem Titel „Diktator auf rotem Teppich“, wie „sich die neuen Einpeitscher am Nil ... genüsslich in ihren Vernichtungsfantasien gegen gut ein Drittel der eigenen Bevölkerung“ ergehen. Tausende würden „auf Nimmerwiedersehen in den Folterkerkern“ verschwinden, bei Todesurteilen sei „das Land inzwischen Rekordhalter auf dem Globus“, und die Justiz bilde „die pseudorechtliche Kulisse für einen immer maßloseren Rachefeldzug gegen alle, die politisch anders denken“. Wer demonstriere, riskiere sein Leben.

Die Süddeutsche Zeitung ergänzt unter der Überschrift „Besuch vom Polizeistaatschef“, die Repression treffe „unterschiedslos alle“, „die Kritik am Regime äußern: Demokratie-Aktivisten, Menschenrechtler, Vertreter der Zivilgesellschaft, kritische Journalisten, Intellektuelle“. Der Polizeistaat sei restauriert und in Polizeistationen werde gefoltert „bis hin zum Mord“.

Natürlich begrüßen beide Blätter den Besuch al-Sisis dann trotzdem mit dem zynischen Verweis, dass „Reden“ besser sei als „Schweigen“. „Denn wer nicht redet, kann auch keine Kritik üben“, schärft der Tagesspiegel seinen Lesern ein.

Dabei ist es offensichtlich, dass es bei den Gesprächen mit al-Sisi nicht um „Kritik“, sondern um handfeste imperialistische Interessen geht.

Deutschland verfolgt geostrategische und wirtschaftliche Ziele im Nahen Osten, in Nordafrika und vor allem in Ägypten, einem der einflussreichsten Länder der Region. Ägypten ist nicht nur ein enger Verbündeter der USA und der ölreichen Golfstaaten, sondern traditionell auch ein wichtiger Handelspartner deutscher Firmen in der arabischen Welt. Laut der IHK Berlin wuchs der deutsch-ägyptische Außenhandel in den Jahren vor der ägyptischen Revolution „dynamisch“. Im Jahr 2010 seien „die deutschen Exporte nach Ägypten (vor allem Maschinen, chemische Erzeugnisse, Kfz und Kfz-Teile) um 10,8 Prozent, die Importe aus Ägypten (vor allem Erdöl und Textilien) um 14,5 Prozent“ gestiegen.

Die deutsche Wirtschaft und das deutsche Kapital betrachten die blutige Diktatur al-Sisis als Grundlage, um an diese Entwicklungen anzuknüpfen und die Beziehungen weiter auszubauen.

So vereinbarte Siemens bereits im März auf der Konferenz in Sharm el-Sheikh mit der ägyptischen Regierung, unter anderem ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk im oberägyptischen Beni Sueif zu bauen. Ein weiteres Projekt sieht vor, Windkraftanlagen zu errichten. Nach Angaben des Münchner Konzerns, der seit 1859 in dem nordafrikanischen Land aktiv ist, haben allein diese zwei Aufträge ein Volumen von vier Milliarden Euro. Insgesamt habe Siemens Verträge und Absichtserklärungen im Wert von zehn Milliarden Euro unterzeichnet.

Gabriel stellte auf der Konferenz in Sharm al-Sheikh einen direkten Zusammenhang zwischen den deutschen Wirtschaftsinteressen und der Stabilität der ägyptischen Militärdiktatur her. „Das wirtschaftliche Engagement hier in Ägypten ist wichtig, um das Land vor dem Hintergrund der Terrorgefahren zu stabilisieren“, erklärte der Vizekanzler. Davon würden auch Europa und die Bundesrepublik profitieren.

Das ist auch die offizielle Politik des Außenministeriums, und sie entspricht der Haltung großer Teile der Berliner Eliten. So plädiert etwa ein Strategiepapier aus der Feder des Humboldt-Professors Herfried Münkler auf einer offiziellen Website des Außenministeriums dafür, dass Deutschland „als Handelsstaat bzw. Exportnation“ sich weniger „an seinen Werten als an den Interessen Deutschlands orientiert“.

Sein Kollege, der Osteuropahistoriker Jörg Baberowski, rechtfertigte erst vor wenigen Tagen in einem Interview mit dem Tagesanzeiger die Sisi-Diktatur als angeblich populäres Regime: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Menschen sich unter bestimmten Umständen für autoritäre Lösungen entscheiden. Schauen Sie nach Ägypten: Da sagt die Mehrheit, ein General wie Sisi sei ihr lieber als der Bürgerkrieg“, erklärte er.

Al-Sisis Besuch ist eine Warnung. Eine herrschende Klasse, die zur Verfolgung ihrer „Interessen“ eng mit brutalen Militärdiktaturen zusammenarbeitet, wird auch bereit sein, deren Methoden zu übernehmen. Die Pläne der deutschen Eliten, wieder militärisch aufzurüsten und eine aggressive Außen- und Großmachtpolitik zu entwickeln, lassen sich letztlich nur mit Methoden durchsetzen, wie sie al-Sisi mit der vollen Unterstützung des Westens in Kairo praktiziert.

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