Perspektive

Das amerikanische Spiel mit dem Feuer im Südchinesischen Meer

Man benötigt nicht sonderlich viel Vorstellungskraft, um sich auszumalen, wie die Vereinigten Staaten reagieren würden, wenn China seinen Flugzeugträger zur Sicherung seines „Rechts“ auf „freie Schifffahrt“ in den Golf von Mexiko senden oder Russland Aufklärungsflugzeuge an den Rand der 12-Meilen-Zone vor der Küste des Bundesstaates New York verlegen würde.

Solche Operationen würden umgehend als ungeheuerliche Aggression, wenn nicht als Kriegsakte, verurteilt werden. US-Kriegsschiffe und Kampfjets würden die „Eindringlinge“ eng beschatten – und das wäre wohl nur das Mindeste. Hinzu käme das Geschrei der Medien nach amerikanischer Vergeltung und der Vorbereitung von Krieg.

Doch genau das tun die USA tausende Kilometer entfernt vom eigenen Territorium. Überwachungsflugzeuge mit modernster Technik unternehmen derzeit regelmäßig Patrouillienflüge in der Nähe von Inseln im Südchinesischen Meer, die von China kontrolliert werden. Im vergangenen Monat trieb sich das amerikanische Küstenkampfschiff USS Fort Worth um die gleichen Atolle herum. Derzeit bereitet das Pentagon in provokativer Manier eine direkte Herausforderung der territorialen Ansprüche Chinas durch das Eindringen von amerikanischen Schiffen und Flugzeugen in die Zwölf-Meilen-Zone vor.

Diese waghalsigen Militäroperationen werden von einer zunehmenden Propagandakampagne der amerikanischen und internationalen Presse begleitet, in der Chinas Neulandgewinnung durch das Aufschütten von Riffen im Südchinesischen Meer als illegal und aggressiv kritisiert werden. Weiter heißt es, China ziele darauf ab, sich die Kontrolle über strategische Gewässer zu sichern. Die USA verwandeln die „Freiheit der Schifffahrt“ in einen casus belli für Krieg gegen China.

US-Verteidigungsminister Ashton Carter nutzte den Shangri-La Dialog, der am letzten Wochenende in Singapur stattfand und ursprünglich als Sicherheitsforum zum Abbau regionaler Spannungen gegründet wurde, um China an den Pranger zu stellen, weil das Land „bei internationalen Regeln und Normen aus dem Takt“ geraten sei. Gleichzeitig warb er für mehr Mitwirkung seitens der anderen asiatischen Länder bei der massiven Verstärkung der amerikanischen Militärpräsenz im gesamten indo-pazifischen Raum.

Carter erklärte, er sei der nächsten Phase einer „Neuausrichtung“ in der amerikanischen Militärpolitik, die auf die Einkreisung Chinas abzielt, „persönlich verpflichtet“. Er sagte, das US-Verteidigungsministerium „wird langjährige Allianzen und Partnerschaften vertiefen, die starke Haltung Amerikas diversifizieren und neue Investitionen in Schlüsselfähigkeiten und -plattformen tätigen.“

Er fuhr fort: „Das Ministerium investiert derzeit in die Technologien, die für dieses komplexe Sicherheitsumfeld am relevantesten sind. Dazu gehören unbemannte Systeme in der Luft und auf See, ein neuer Langstreckenbomber und andere Technologien wie die elektromagnetische Railgun [Schusswaffe, bei der Projektile durch Magnetfelder beschleunigt werden, Anm. d. Red.], Laser und neue Systeme für Weltraum und Cyberspace, darunter einige überraschende Technologien.“

Carter betonte, dass die USA „die besten Plattformen und Leute in den asiatisch-pazifischen Raum verlegen“ würden. Darunter sind „die neuen Atom-U-Boote der Virginia-Klasse, das P-8 Poseidon Überwachungsflugzeug der Navy, den neusten Tarnkappen-Zerstörer der Zumwalt-Klasse und das brandneue trägergestützte Frühwarn- und Kontrollflugzeug E-2D Hawkeye.“

Nachdem er dieses gewaltige Arsenal militärischer Macht skizziert hatte, erklärte Carter mit regungsloser Mine, dass sich die USA „jeder weiteren Militarisierung der umstrittenen Gebiete“ im Südchinesischen Meer entgegenstellen würden – eine Anspielung auf zwei kleine mobile Artilleriekanonen, von denen Washington behauptet, China habe sie auf einer der Inselchen platziert.

Während Carter erklärte, dass es „für die Streitigkeiten im Südchinesischen Meer keine militärische Lösung“ gebe, haben die USA genau diese Streitigkeiten ausgenutzt, um sich neue Militärbasen und Zugangsabkommen mit den Ländern zu sichern, die in direkter Umgebung liegen – die Philippinen, Singapur und Vietnam.

Der US-Imperialismus bereitet sich jetzt aktiv auf einen Krieg mit China vor. Es ist nicht China, das die „Freiheit der Schifffahrt“ im Südchinesischen Meer bedroht, sondern die Vereinigten Staaten selbst. In der Kriegsstrategie des Pentagons gegen China nehmen Pläne, die chinesische Wirtschaft mit einer Seeblockade lahmzulegen, einen zentralen Platz ein. Eine Blockade würde die Schifffahrtsrouten kappen, auf die China zur Einfuhr von Energie und Rohstoffen aus Afrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten angewiesen ist.

Die Obama-Administration hat deutlich gemacht, dass sie bereit ist, Krieg anzudrohen, zu riskieren und zu provozieren, um ihre unangefochtene Herrschaft über Asien im Allgemeinen und China im Besonderen zu sichern. Der historische Niedergang des US-Imperialismus in den letzten zwei Jahrzehnten stimmt mit dem Ausbruch des amerikanischen Militarismus im Nahen und Mittleren Osten, auf dem Balkan und in Zentralasien überein und geht mit diesem einher. Jetzt hat Washington ein zunehmend waghalsiges Spiel mit dem Feuer in Asien begonnen, um Peking zum Einlenken zu zwingen.

Ein Leitartikel im Wall Street Journal unter dem Titel „Kaiser Xi's Navy“ zog eine Parallele zur Situation in Europa unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg, wobei er China mit Deutschland und den chinesischen Präsidenten Xi Jinping mit dem deutschen Kaiser verglich. Die verlogene Darstellung Chinas als aggressive imperialistische Macht zielt darauf ab, den Ruf nach einer großen Ausweitung der amerikanischen Seestreitkräfte zu rechtfertigen, „um Peking davon zu überzeugen, dass ein Flottenwettrennen nicht zu gewinnen und eines Versuchs nicht wert ist“.

Die USA gehen auf Kollisionskurs mit China, dessen strategische und ökonomische Interessen direkt vom aggressiven Eindringen Amerikas ins Südchinesische Meer bedroht sind. Peking ist sich voll und ganz darüber bewusst, dass auf jegliche Zugeständnisse an Washington sehr schnell weitere, schärfere Forderungen folgen würden. Der Leiter der chinesischen Delegation in Singapur, Admiral Sun Jianguo, wies die amerikanische Verurteilung von Chinas Aktivitäten und die Forderungen nach einem Stopp der Neulandgewinnung zurück.

Die Implikationen einer Eskalation der geopolitischen Spannungen lagen beim Shangri La Dialog offensichtlich greifbar in der Luft. Während er zu einer diplomatischen Klärung der Territorialstreitigkeiten aufrief, warnte der malaysische Verteidigungsminister Hishammuddin Hussein: „Wenn wir nicht vorsichtig sind, wird dies zu einem der tödlichsten Konflikte unserer Zeit, wenn nicht unserer ganzen Geschichte, eskalieren.“

Die Provokationen des amerikanischen Imperialismus gegenüber einer Atommacht drohen in der Tat, die Menschheit in einen weiteren, sogar noch tödlicheren Weltkrieg zu stürzen. Und auch er kann nicht durch Diplomatie oder Appelle an die Vernunft gestoppt werden wird. Die einzige gesellschaftliche Kraft, die in der Lage ist, eine solche Katastrophe zu verhindern, ist die internationale Arbeiterklasse. Sie muss vereint gegen die grundlegende Ursache einer solchen Katastrophe kämpfen – gegen das bankrotte Profitsystem und die anachronistische Aufspaltung der Welt in rivalisierende Nationalstaaten.

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