ANC schürt Rassismus nach fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Südafrika

Mitglieder der Regierung des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und Präsident Jacob Zuma selbst hetzten nach den jüngsten Vorfällen fremdenfeindlicher Gewalt in Südafrika gegen Einwanderer.

Bei einer Welle von gewalttätigen Ausschreitungen gegen Ausländer vor allem in Durban und Johannesburg wurden im April mindestens sieben Menschen getötet. Auslöser sollen Berichten zufolge provokative Aussagen von Zulu-König Goodwill Zwelithini gewesen sein, der Migranten vorwarf, sie würden die südafrikanische Gesellschaft „verändern“ und einen Wohlstand genießen, der rechtmäßig den Einheimischen zustehe. Der ANC reagierte darauf, indem er selbst Migranten angriff.

Am 27. April, dem Freedom Day, ein nationaler Feiertag in Südafrika, rückten Soldaten, Polizeibeamte und Beamte des Innenministeriums in Mayfair und Hillabrow ein, zwei Vorstädte Johannesburgs. Es kam zu Festnahmen von Migranten, die keine Papiere vorweisen konnten. Die Razzia trug den Codenamen „Operation Fiela“ (in der Sesotho-Sprache etwa „Ordnung schaffen“).

In Mayfair wurde niemand verhaftet, doch bei der Razzia in Hillbrow wurden nach Angaben der Polizei 50 mutmaßlich illegale Immigranten festgenommen. Polizeisprecher Lungelo Dlamini sagte: „Die Festgenommenen hatten keine gültigen Papiere. Beamte des Innenministeriums werden ihren Fall bearbeiten.“

Am Tag darauf sagte Justizminister Jeff Radebe bei einer Pressekonferenz in Pretoria, die Operation Fiela habe zu einer Reihe von Festnahmen und weiteren 430 Verhaftungen geführt. In Gebieten, die in den Wochen zuvor fremdenfeindliche Gewalt erlebt hatten, sei die „Ordnung wieder hergestellt“ worden. Radebe gehört dem Interministeriellen Ausschuss Migration an, den Zuma angeblich einsetzte, um die Ursachen der jüngsten Übergriffe auf Ausländer zu untersuchen und mögliche Gegenmaßnahmen zu erörtern, wozu auch Änderungen in der Einwanderungspolitik gehören sollen.

Die Herrschaft des ANC seit dem Ende der Apartheid

Mit dem gezielten Schüren von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit will der ANC von den verheerenden Folgen der prokapitalistischen Politik ablenken, die er und seine Koalitionspartner – der Kongress der Südafrikanischen Gewerkschaften und die Südafrikanische Kommunistische Partei – seit der Regierungsübernahme im Jahr 1994 praktizieren.

Die Regierung des früheren Präsidenten Nelson Mandela war durch eine Massenbewegung gegen die Apartheid an die Macht gelangt. Der ANC, der der Arbeiterklasse lediglich begrenzte demokratische Reformen versprochen hatte, ging nun daran, dem südafrikanischen Kapitalismus wieder goldene Zeiten zu bescheren. Soziale und politische Massenunruhen, die auch in eine soziale Revolution hätten münden können, hatten der Wirtschaft des Landes schwer zugesetzt. Zusätzlich trugen das Ausbleiben ausländischer Investitionen, der Verfall der Währung, schnell wachsende Auslandsschulden und, in geringerem Maße, die Auswirkungen von Wirtschaftssanktionen zu einer starken Schwächung der Wirtschaft bei.

Die Privatwirtschaft litt unter einem gesättigten Binnenmarkt, Arbeitskämpfen, geringen Möglichkeiten für Auslandsinvestitionen, geringem Wachstum, steigender Inflation, hohen Zinssätzen und mangelndem Zugang zu ausländischem Kapital.

Als Gegenleistung für seine prokapitalistische Politik suchte der ANC die Unterstützung von Großunternehmen im Besitz von Weißen, um eine dünne Schicht schwarzer Bourgeois zu kultivieren. Man wollte damit auch der Idee eine gewisse Glaubwürdigkeit verleihen, dass der Kapitalismus demokratisch sei und allen eine Chance biete.

Abgesehen davon tastete der ANC den Kapitalismus nicht an. Er bekannte sich zur Rückzahlung von Schulden der weißen Apartheid-Regierung der National Party in Höhe von 25 Milliarden US-Dollar an ausländische Gläubiger, unter anderem an die Citybank. Mit diesen Geldern waren auch Waffen gekauft worden, die in den schwarzen Townships und auch bei illegalen Militäraktionen gegen Nachbarstaaten eingesetzt wurden, um den Kampf gegen die Apartheid zu unterdrücken.

Die neuen schwarzen Herrscher hoben einige Bestimmungen zur Devisenkontrolle auf, damit maßgebliche lokale Unternehmen, darunter Old Mutual, South African Breweries, Investec und Anglo American, ihre Gelder ins Ausland transferieren konnten. Statt die bescheidenen Reförmchen durchzuführen, die sie im Vorfeld der ersten demokratischen Wahl versprochen hatte, öffnete die ANC-Regierung die bis dato protektionistisch abgeschottete Wirtschaft den großen transnationalen Banken und anderen Investoren.

Als 1999 Thabo Mbeki Präsident wurde, beschleunigte sich der Prozess der Liberalisierung. Finanzminister Trevor Manuel, ein Neoliberaler und früherer Führer der United Democratic Front, lehnte das das Programm für Wiederaufbau und Entwicklung (Reconstruction and Development Programme) ab, auf dessen Grundlage der ANC an die Regierung gekommen war. An seine Stelle setzte er GEAR – Growth, Employment and Redistribution (Wachstum, Beschäftigung und Umverteilung), eine Strategie, die als „ehrgeiziger Plan“ dargestellt wurde, „der das Wirtschaftswachstum in Südafrika auf jährlich 6 Prozent steigern und dringend benötigte 500.000 neue Arbeitsplätze schaffen“ sollte.

Ständige Zunahme der sozialen Ungleichheit

Doch stattdessen vernichtete die Politik des ANC Arbeitsplätze und vertiefte die Kluft zwischen Reich und Arm – bei Weißen wie Schwarzen – stärker, als es jemals unter dem Apartheid-Regime der Fall war. Die Textilindustrie des Landes verschwand praktisch, nachdem die Strafzölle auf billigere Importware gesenkt wurden. Gleichzeitig versuchte der ANC, durch Unterdrückung des Klassenkampfs ausländische Investitionen anzulocken, indem er global operierenden Unternehmen südafrikanische Arbeiter als billige Arbeitskräfte anbot.

Patrick Bond, Professor an der Universität der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal, schrieb 2011 in seinem Artikel, „The Myth of Manuel's Wizardry“ [Der Mythos von Manuels Zauberei]: „Manuel hob Devisenkontrollen auf, senkte die Körperschaftssteuer von 48 Prozent im Jahr 1994 auf 30 Prozent fünf Jahre später, und gestattete es den größten Unternehmen des Landes, ihre Finanzzentralen nach London zu verlegen. So sorgte er dafür, dass das Leistungsbilanzdefizit Südafrikas stark immer größer wurde.“

Daraus ergab sich ein gewaltiger Finanzierungsbedarf, sodass die Auslandsverschuldung Südafrikas von den vom Apartheid-Regime ererbten 25 Milliarden US-Dollar 15 Jahre später auf 80 Milliarden Dollar angewachsen war.“

Das bedeutet einen gigantischen Transfer von Reichtum von den Armen zu den Reichen. Für diese Summen muss die Arbeiterklasse durch die Auswirkungen von Sparmaßnahmen, die Kürzung von Löhnen und Sozialleistungen, durch Arbeitshetze und prekäre Beschäftigungsverhältnisse noch heute bluten.

Während sich die Lage der Arbeiter ständig verschlechtert, ist die Zahl der Dollar-Millionäre seit 2007 um 9 Prozent gestiegen, obwohl die Landeswährung Rand von 2007-2014 um 41 Prozent gegenüber dem Dollar abgewertet hat. Bis 2017 prognostiziert der New World Wealth's Report zum Reichtum in Südafrika für 2015 eine Zunahme der Dollar-Millionäre in Südafrika um 19 Prozent auf dann 55.500.

Das Wirtschaftsblatt Business Day berichtet, dass durch andere ernste Probleme der Wirtschaft, wie die Krise der Stromversorgung und angespannte Arbeitsbeziehungen, der schwache Konsum, der in jüngster Zeit weiter zurückging, aus dem Blickfeld geraten sei. Die Ausgaben der privaten Haushalte belaufen sich auf 60 Prozent der gesamten wirtschaftlichen Aktivität Südafrikas. Doch 2014 stiegen sie nur um 1.4 Prozent, d. h., am langsamsten seit der Rezession Ende 2009.

Zuma und seine Minister haben nicht das Geringste zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der großen Bevölkerungsmehrheit beigetragen. Sie sind unmittelbar verantwortlich für eine ständig wachsende soziale Katastrophe, über die sich die südafrikanischen Arbeiter zu Recht täglich mehr empören. Deshalb versucht der ANC, diesen Zorn auf andere zu lenken, z.B. ausländische Arbeiter, die als Einwanderer ins Land gekommen sind.

Die Behauptung, Immigranten würden den Südafrikanern Arbeitsplätze „stehlen“, ist eine bösartige Lüge. Die meisten Immigranten sind in unsicheren, prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt und nehmen die Jobs an, die keiner will – ohne Sozialleistungen oder sogar ohne Arbeitsvertrag. Die verzweifelte Lage dieser Arbeiter wird wiederum ausgenutzt, um einen erbitterten Konkurrenzkampf zu schüren. Der ANC hat sich der Hetzkampagne angeschlossen, Immigranten zum Sündenbock für den Mangel an gut bezahlten Arbeitsplätzen zu machen, der aus seiner eigenen prokapitalistischen Politik resultiert. Dabei hält der ANC unvermindert an seiner Politik fest, die bürgerlichen und gehobenen kleinbürgerlichen Schichten, auf die er sich stützt, zu bereichern.

Anfang Mai veröffentlichte Südafrikas Ministerium für Handel und Industrie (DTI) überraschend eine „Klarstellung“ zu den Punktekarten (scorecards), die das Black Economic Empowerment (BEE) eingeführt hat. Die Grundlage des BEE-Programms, dessen Name etwa „gezielte wirtschaftliche Förderung für Schwarze“ bedeutet, ist ein Gesetz namens Broad Based Black Economic Empowerment Act.

Wie das Ministerium „klarstellt“, können so genannte „Empowerment“-Unternehmen im Sinne des BEE-Gesetzes und Unternehmensprogramme, welche Beschäftigte am Aktienbesitz beteiligen, nicht länger als Kriterium dafür gelten, dass ein Unternehmen in schwarzem Besitz ist. Zum großen Ärger der Unternehmen verkündete das Ministerium, solche Programme würden auf der Punktekarte nur noch drei Punkte erhalten, statt wie bisher 25.

BEE-Punktekarten bewerten, wie stark ein Unternehmen „empowered“ oder „schwarz“ ist. Diese streng geprüften Kategorien sind wichtig für die Vergabe vieler öffentlicher und auch privater Aufträge. Bisher konnten Unternehmen die volle Punktzahl in der vom Gesetz vorgegebenen Kategorie „Schaffung von Eigentum“ durch breit angelegte Gemeinschaftsprogramme oder Programme erreichen, die Beschäftigte zu Anteilseignern machen. Jetzt erhalten Unternehmen, die mindestens einen „einzelnen schwarzen Besitzer“ haben, der 25 Prozent der Unternehmensaktien hält, deutlich mehr Punkte.

Wie erwartet, reagierten schwarze Geschäftsleute sehr positiv auf die Neuerung, obwohl Rob Davies, der zuständige Minister für Handel und Industrie, zunächst scheinbar den Rückzug antritt.

Popo Molefe, ehemals führendes ANC-Mitglied und Nutznießer einer Reihe von BEE-Geschäften, klagte: „Wenn ein Weißer Millionär wird, fragt niemand: Und was ist mit den Millionen Weißen, die arm sind? Doch wenn ein Schwarzer Millionär wird, fragt jeder: Was ist mit den Schwarzen, die arm sind?“

Diese und andere Reaktionen aus den Reihen der schwarzen Bourgeoisie legen den Klassencharakter des BEE offen. Es soll nicht, wie oft behauptet, „historische Ungerechtigkeit wiedergutmachen“, indem es etwa den Reichtum unter den Opfern der Apartheid neu aufteilen würde. BEE ist eine reaktionäre Politik, die dadurch ermöglicht wurde, dass die verarmten schwarzen Arbeiter immer stärker ausgebeutet werden, was den Aufstieg der wenigen politisch gut Vernetzten in den Kreis der kapitalistischen Elite ermöglicht.

Das etablierte Kapital und die BEE-Elite feiern eine Orgie der Selbstbereicherung, und die ANC-Regierung gibt ihnen Rückendeckung, indem sie gegen Ausländer hetzt.

In seiner Rede am Freedom Day, während die Polizei und Armee Razzien in Mayfair und Hillbrow durchführten, forderte Präsident Jacob Zuma andere afrikanische Staaten auf, „ihre Staatsbürger gut zu behandeln“, damit sie nicht nach Südafrika kämen, um der Not in ihren Heimatländern zu entrinnen.

Zuma äußerte sich vor seinem Besuch in Zimbabwe am 29. April aus Anlass des Außerordentlichen Gipfels der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC), wo die ausländerfeindlichen Ausschreitungen das wichtigste Thema waren.

Nach brutalen Übergriffen auf Ausländer rief Nigeria seinen Botschafter in Südafrika zurück, und andere Staaten, darunter China, Malawi und Zimbabwe, haben Pretoria kritisiert, weil es Ausländer nicht vor bewaffneten Banden schützt. Malawi, Mozambique, Zimbabwe und Tansania gehören zu den Ländern, die ihre Bürger nach den Ausschreitungen in Südafrika repatriierten.

Zu den Begleitern Zumas beim SADC gehörte Geheimdienstminister David Mahlobo. Zum jüngsten kaltblütigen Mord an einem als Emmanuel Sithole, beziehungsweise Emmanuel Josias bekannten Mann, sagte Mahlobo, die Regierung sehe hier keinen fremdenfeindlichen Hintergrund. „Emmanuel wurde Opfer eines gewöhnlichen Raubüberfalls. Die Tatsache, dass die Geldbörse nicht entwendet wurde, bedeutet nicht, dass es sich nicht um eine Straftat handelt. Wir wissen, dass Zigaretten gestohlen wurden. Mehr will ich nicht sagen, das ist jetzt Sache des Gerichts“, erklärte Mahlobo.

Die Sunday Times veröffentlichte auf ihrer Titelseite Fotos von der tödlichen Attacke auf den Mosambikaner Sithole. Eine Gruppe von sechs Südafrikanern griff ihn an; sie schlugen ihn und stachen auf ihn ein, während er, auf dem Rücken liegend, um sein Leben flehte.

Die Bilanz der nationalen Bourgeoisie in Afrika

Südafrikas Kritiker sind selbst für die Geschehnisse mitverantwortlich und repräsentieren dieselbe bürgerliche Schicht wie die Regierung.

Kwame Nkrumah in Ghana war der erste der nationalen Führer, die seit den 1950er Jahren an die Macht kamen. Sie stellten in Aussicht, dass die aus der Kolonialherrschaft entlassenen afrikanischen Staaten in der Lage seien, die wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen. Die links orientierten Führer traten sogar für die Vereinigung der afrikanischen Staaten ein und propagierten die Möglichkeit eines afrikanischen Sozialismus auf der Grundlage verstaatlichter Industriezweige, nationaler Wirtschaftsregulierung und, in einigen Fällen, Beziehungen zur Sowjetunion.

Zwar betonte die Pan-Afrika-Bewegung ständig die Unabhängigkeit, anerkannte aber die Aufteilung des Kontinents in mehr als fünfzig Staaten und akzeptierte die Grenzen, die die ehemaligen Kolonialherren gezogen hatten. Außerdem behielten die nationalen Führer die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse größtenteils bei. Die Grenzziehungen waren aus geographischer Sicht völlig irrational: Einige Grenzen wurden auf der reaktionären Grundlage ethnischer Homogenität festgelegt, und in allen Fällen wurden sie so gezogen, dass sie imperialistischen Intrigen Vorschub leisteten.

In diesem Zusammenhang ist der Name George Padmore wichtig. Der aus Westindien stammende Padmore war der wichtigste Theoretiker von Nkrumah, ein internationaler Führer der Kommunistischen Partei und ergebener Anhänger Josef Stalins.

In Moskau gehörte er in den 1930er Jahren einem Sonderkomitee an, das die Kommunistische Partei Chinas ausspionierte. Seine Aufgabe war es, Trotzkisten und alle, die in Opposition zur stalinistischen Linie standen, auszuschalten. Es war die Zeit nach dem Verrat der stalinistischen Bürokratie an der chinesischen Revolution von 1927. Stalin hatte von der Kommunistischen Partei Chinas gefordert, sich der bürgerlichen nationalistischen Kuomintang unterzuordnen, weil sie eine antikolonialistische Kraft darstelle. Das Ergebnis dieses Verrats war die Ermordung von tausenden Kommunisten durch die Kuomintang.

Erst Ende der 1930er Jahre brach Padmore mit der Kommunistischen Partei, als sichtbar wurde, dass Stalin kein wirkliches Interesse an den nationalistischen Bewegungen Afrikas hatte und sie höchstens als Faustpfand in den Deals betrachtete, die er mit dem Imperialismus auszuhandeln versuchte. Padmore blieb jedoch der stalinistischen Ideologie treu, dass in den Kolonialländern zunächst eine nationale demokratische Revolution stattfinden würde, und der Sozialismus erst in ferner Zukunft auf der Tagesordnung stehe.

Die Vertreter der nun unabhängigen Staaten Afrikas gründeten im Mai 1963 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU). Gemäßt ihrer Charta wollte OAU die afrikanische Einheit herstellen, indem sie die von den Kolonialmächten gezogenen Grenzen als unantastbar akzeptierte. 2002 löste sich die OAU auf, und an ihre Stelle trat die Afrikanische Union (AU). Sie bekannte sich zu vielen panafrikanischen Zielsetzungen ihrer Vorgängerin, auch zur „beschleunigten sozioökonomischen Integration des Kontinents“, verzichtete aber auf jede Bezugnahme auf den Sozialismus. Damit verbunden war ihre Verteidigung der „Souveränität, territorialen Integrität und Unabhängigkeit ihrer Mitgliedsstaaten“.

Die AU bekannte sich auch zum Programm der Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (New Partnership for African Development, NEPAD), das die Interessen der afrikanischen Massen der vollständigen Integration Afrikas in die kapitalistische Weltwirtschaft unterordnete. NEPAD, die von den G8-Mächten unterstützt wird, dient den Interessen der großen Unternehmen in ihrem ständigen Handelskrieg zur Öffnung der Märkte des Kontinents. In diesem Krieg stehen der ANC und seine Partner fest an der Seite der Konzerne.

Der Kampf der Großmächte um die Neuaufteilung der Märkte und Ressourcen der Welt hat die Unfähigkeit der nationalen Bourgeoisie Afrikas offenbart, die demokratische Revolution anzuführen und zu vollenden.

Erstens spielt sie gegenüber den imperialistischen Ländern eine untergeordnete Rolle und ist von deren Investitionen, Know-how in Technik und Fertigung und deren Märkten abhängig.

Zweitens straft die historische Erfahrung die Behauptungen der Stalinisten Lügen, dass der Konflikt mit dem Imperialismus die Klassen durch eine Art gemeinsames Interesse verbindet. Den Stalinisten zufolge führt diese Gemeinsamkeit dazu, dass der antiimperialistische Kampf in zwei Stufen stattfinde, wobei der erste, eine demokratische Revolution, von den Kapitalisten geführt werde.

Was waren die praktischen Folgen dieser Politik? Seit Anfang der 1980er Jahre gaben afrikanische Führer (wie Jerry Rawlings in Ghana) ihre sozialistische Rhetorik auf und akzeptierten die Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds (IWF). 1985 gestand Julius Nyerere ein, dass seine Version des afrikanischen Sozialismus auf der Basis verstaatlichter Industrie gescheitert sei, und er trat als Präsident von Tansania zurück. Im Jahr darauf akzeptierte Tansania ein Programm des IWF.

In den Jahren 1983–1998 wurden in vielen Ländern Strukturanpassungsprogramme durchgeführt.

Bis 1990 hatten vierzig afrikanische Länder harte IWF-Diktate akzeptiert. Dazu gehörten Währungsabwertungen, die im Schnitt fünfzig Prozent betrugen, der Verkauf staatlicher Industrien und die radikale Streichung öffentlicher Ausgaben. Gesundheitswesen und Bildungswesen wurden privatisiert, und Regierungen traten miteinander in Konkurrenz, um westliche Investitionen anzulocken und Handelsabkommen abzuschließen.

In ganz Afrika wurde der sogenannte „Washingtoner Konsens“ durchgesetzt. Millionen afrikanischer Bauern und Arbeiter mussten die bittere Zeche für diese neoliberale, marktorientierte Politik bezahlen, auch die, die durch Auswanderung nach Südafrika vergeblich einen Ausweg suchten. Am anderen Pol der Gesellschaft konnte sich eine lokale Elite märchenhaft bereichern, indem sie als Handlanger der Banken und Unternehmen agierten.

1935 schrieb Trotzki an Unterstützer der Linken Opposition in Südafrika über die Konzepte der Stalinisten. Wie er sagte, hätten sie „das Programm der nationalen Befreiung in eine leere Abstraktion verwandelt, die über den wirklichen Klassenbeziehungen steht“.

Über den ANC sagte Trotzki unmissverständlich: „Die Bolschewiki-Leninisten entlarven vor den eingeborenen Massen die Tatsache, dass der Congress auf Grund einer oberflächlichen, versöhnlerischen Politik noch nicht einmal in der Lage ist, die Verwirklichung seiner eigenen Forderungen durchzusetzen. Die Bolschewiki-Leninisten entwickeln im Gegensatz zum Congress ein Programm revolutionären Klassenkampfes.“

Wie er erklärte, können nationale Befreiung und Demokratie nur als Nebenprodukt des Kampfs für die soziale Revolution unter Führung der Arbeiterklasse verwirklicht werden.

Nur der Aufbau einer Arbeiterpartei, die für die Machteroberung und Arbeiterkontrolle über die Industrie eintritt, – eine Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale –, kann den Arbeitermassen Afrikas einen Weg vorwärts weisen. Der nächste Schritt muss die Reorganisation der Gesellschaft in Afrika und weltweit sein. Er muss auf der Grundlage des sozialistischen Internationalismus und im Bündnis mit den Arbeitern der entwickelten Länder erfolgen.

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