Uni Frankfurt: Studierende unterstützen Kampf gegen Kriegspropaganda

Die Auseinandersetzung um die Meinungsfreiheit an der Berliner Humboldt-Universität wird auch an anderen Hochschulen mit großem Interesse verfolgt. Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) verteilten in den letzten Tagen an der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität rund tausend Flyer mit der Erklärung „Gegen die politische Gleichschaltung der Humboldt-Universität“. Sie fanden viel Unterstützung.

Die Erklärung ruft zur Verteidigung der Autoren des Blogs „Münkler-Watch“ und von Mitgliedern der IYSSE auf, die von der Universitätsleitung und den Medien heftig angegriffen wurden, weil sie sich der Verwandlung der HU in ein ideologisches Zentrum des Militarismus widersetzen. In Frankfurt erklärten sich viele Studierende mit ihnen solidarisch.

Silvia, eine Soziologiestudentin, war begeistert, dass endlich jemand gegen die Militarisierung auftritt. „Ich hoffe, dass die Berliner Studenten weitermachen“, sagte sie. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass Militär und Kriegsvorbereitungen die ganze Gesellschaft durchdringen.“

Sie erzählte von einem Vorfall an einem Gymnasium, wo ein Schüler bestraft wurde, weil er gegen den Auftritt eines Jugendoffiziers im Unterricht protestiert hatte. „Es kann nicht sein, dass die Bundeswehr immer stärker in die Schulen und Hochschulen vordringt“, sagte sie, „das ist gefährlich und beunruhigend“. Leider sei das Studium an der Goethe-Universität „extrem oberflächlich gestaltet“, fuhr sie fort. „Die Verhältnisse werden nicht hinterfragt. Die Studierenden sollen zu nützlichen und funktionierenden Gliedern des Staatsapparats gemacht werden, die keine Fragen stellen.“

Auch Thorsten erklärte, die Studierenden, die gegen Kriegsvorbereitungen auftreten, hätten seine volle Unterstützung. „Wir steuern auf schlimme Zeiten zu“, sagte er. Das zeige auch die jüngste Wahl in Polen, die eine ganz rechte Regierung an die Macht gebracht hat. „Polen ist ja der Pitbull der US-Army gegen Russland“, sagte Thorsten. „Aber auch in Deutschland wird der Krieg vorbereitet. Ich warte eigentlich darauf, dass endlich die ganze Welt für Frieden aufsteht und gegen einen neuen Krieg gegen Russland auf die Straße geht.“

Rosa, Studentin der Erziehungswissenschaften, wies auf die Propagandamaschinerie hin, die an der Uni und in allen gesellschaftlichen Bereichen anläuft. „Scheinbar problemlos wird Propaganda im großen Stil verbreitet. Dabei werden deutsche Wirtschaftsinteressen als Argument dafür benutzt, dass sich Deutschland auch militärisch als Hegemonialmacht etablieren müsse. Das finde ich extrem übel. Besonders schlimm ist es in meinen Augen, dass sich jetzt auch die Linkspartei involvieren lässt“, fuhr Rosa fort.

Damit meinte sie die Stellungnahme der Linkspartei für eine Beteiligung an der Bundesregierung auf ihrem jüngsten Parteitag in Bielefeld sowie ihre Unterstützung der Bundeswehr. „Pazifismus ist nichts für Deutschland“, hatte Bodo Ramelow, Ministerpräsident der Linken in Thüringen, jüngst der Rheinischen Post erklärt.

Felix, der in Frankfurt Friedens- und Konfliktforschung studiert, machte darauf aufmerksam, dass die Bundeswehr die Themen im Fachbereich Politikwissenschaften bereits weitgehend diktiert. So müssten sich Studierende in einem Seminar damit befassen, welche Möglichkeiten die Bundeswehr hat, eine Flugverbotszone über Syrien einzurichten. Das werde den Studenten als „friedenserhaltende Maßnahme“ verkauft.

Tatsächlich wird auch die Goethe-Universität in den Dienst des Militarismus eingespannt. Das Thema Krieg wird immer weniger hinterfragt und in seinen historischen und internationalen Bedingungen, Ursachen und Folgen untersucht. Stattdessen wird der nächste Krieg als feststehende Tatsache behandelt. An die Stelle der Frage WARUM tritt immer häufiger die Frage WANN oder WIE.

Professor Gunther Hellmann, der an der Goethe-Universität Politikwissenschaft lehrt, ist ähnlich wie sein Kollege Herfried Münkler an der Humboldt-Universität eng in die außenpolitischen und militärischen Projekte der Bundesregierung eingebunden. Er war 2013 Mitglied des Projekts „Neue Macht – Neue Verantwortung“, das die Rückkehr Deutschlands zu einer Großmachtpolitik vorbereitete.

Hellmann ist Direktoriumsmitglied des Exzellenzclusters „Normative Ordnungen“ und leitet dort unter anderem das Projekt „Sicherheitskommunikation in Demokratien“, was man auch mit „Kriegspropaganda in Demokratien“ wiedergeben könnte. Das Projekt befasst sich unter anderem mit der Frage, „wer oder was als Sicherheitsbedrohung gilt und wie dieser begegnet werden soll“.

Bereits 2011 hatten Hellmann und andere Autoren in der Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik einen Aufsatz zum Thema „Deutschlands Verteidigung am Hindukusch. Ein Fall misslingender Sicherheitskommunikation“ veröffentlicht. Er geht der Frage nach, wie die Bundesregierung die Auslandseinsätze der Bundeswehr besser in der Öffentlichkeit darstellen kann.

Die Autoren stellen fest: „Abstrakte Formulierungen wie jene, dass ‚die deutsche Sicherheit am Hindukusch verteidigt’ werde, oder auch Rechtfertigungsnarrative wie der Bezug auf eine ‚deutsche Verantwortung’ lassen sich jedenfalls nur schwer in die alltägliche Lebenswelt einer breiten Öffentlichkeit transportieren.“ Auf diese Weise gelinge es nicht, „dem Großteil der deutschen Öffentlichkeit die Gründe militärischen Handelns logisch zwingend zu vermitteln“. Deshalb empfehlen sie, „Legitimationsfiguren zu entwickeln“, die „Situationen wie der in Afghanistan angemessen erscheinen“.

Hellmanns Seminar „Theorie und Praxis der (deutschen) Außen- und Sicherheitspolitik“ im Sommersemester 2015 beinhaltete auch „eine einwöchige Exkursion nach Berlin sowie ausführliche Besuche und Gesprächstermine in Ministerien sowie bei anderen Beteiligten an der Gestaltung deutscher Außenpolitik“.

Hellmann ist auch an der Ausarbeitung des „Weißbuchs 2016“ der Bundeswehr beteiligt, das die deutsche Militärstrategie für die kommende Dekade festlegt. Auf der Website der Bundeswehr spricht er in diesem Zusammenhang in einem Video zur Frage, „welche großen Krisen auf Deutschland in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten zukommen“. Das Video endet mit dem Logo: „Bundeswehr. Wir. Dienen. Deutschland“.

Loading