Eurogruppe stellt der griechischen Regierung Ultimatum

Die Beratungen der Eurogruppe endeten gestern Abend ohne Einigung zwischen Griechenland und seinen europäischen Gläubigern. Die Euro-Finanzminister riefen die griechische Regierung auf, in ernsthafte Verhandlungen zu treten. Zugleich mehren sich die Stimmen in der EU, dem Land die letzte Tranche an Hilfskrediten über 7,2 Milliarden Euro zu verweigern und es so aus der Eurozone zu drängen.

Griechenland muss bis zum 1. Juli 1,6 Milliarden Euro an fälligen Krediten und Zinsen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) überweisen, der als Teil der Troika selbst mit am Verhandlungstisch sitzt. Die griechische Regierung hat bereits angekündigt, die Summe nicht aus eigenen Mitteln aufbringen zu können. Sollte es zu keiner Einigung mit der EU-Kommission, dem IWF und der Europäischen Zentralbank (EZB) kommen, droht Griechenland der Staatsbankrott.

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz gab sich der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, kompromisslos. Er betonte, dass in den letzten Wochen keine Fortschritte erzielt worden seien und keine Einigung in Sicht sei. „Der Ball liegt im Feld der Griechen“, sagte er. EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte ein Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs der Euroländer für den kommenden Montag an, auf dem erneut über die Griechenlandkrise beraten werden soll.

Die scharfe Haltung der Eurogruppe gleicht einem Ultimatum. Sollte die griechische Regierung nicht vollständig in die Kürzungsauflagen einwilligen, wird sie per Bankrott aus der Gemeinschaftswährung gedrängt.

Schon jetzt befindet sich das griechische Bankensystem kurz vor dem Kollaps. Am Mittwoch meldete die griechische Zentralbank, dass Bürger und Unternehmen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 29,4 Milliarden Euro von ihren Bankkonten abgezogen hätten. In den letzten fünf Jahren waren es insgesamt 100 Milliarden Euro. Die Geldanalgen der Griechen belaufen sich seither auf nur noch 128 Milliarden Euro.

Die Nachrichtenagentur Reuters meldet mit Verweis auf Athener Bankenkreise, dass der Abzug seit einigen Tagen noch rasantere Formen angenommen habe. Allein in den ersten drei Tagen dieser Woche seien zwei Milliarden Euro von den Konten abgehoben worden.

Schon im Vorfeld des Gipfels hatte sich die Drohungen gegen Griechenland verschärft und wurde offen über einen Ausschluss aus der Eurozone diskutiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die griechische Regierung am Donnerstagmorgen in einer Regierungserklärung deutlich angegriffen. Diese habe „notwendige Strukturreformen verschleppt“, sagte die Kanzlerin. Eine vollständige Umsetzung der von der EU geforderten Reformen sei die Grundlage für die Auszahlung weiterer Hilfskredite.

Noch schärfer trat der Chef der SPD-Bundestagsfraktion auf. Er warf der griechischen Regierung „nationalen Egoismus“ vor, weil sie der EU diktieren wolle, „unter welchen Bedingungen es ihr gefällt, in der Euro-Zone zu bleiben“. „Keine Regierung in Europa hat das Recht, Solidarität einzufordern, wenn sie nicht bereit ist, das ihr selbst Mögliche und Zumutbare auch zu tun“, sagte Oppermann. Mit diesen populistischen Ausfällen folgte er der chauvinistischen Linie, die sein Parteichef Sigmar Gabriel vor wenigen Tagen in der Bild-Zeitung vorgegeben hatte.

IWF-Chefin Christine Lagarde erklärte am Donnerstag in Luxemburg, dass Griechenland keinen weiteren Zahlungsaufschub erhalten werde. „Die Zahlung von Griechenland ist am 30. Juni fällig. Es gibt keine Gnadenfrist von einem oder zwei Monaten“, sagte sie. „Wenn das am 1. Juli nicht bezahlt ist, ist es nicht bezahlt.“

Der Chef der Bundeszentralbank, Jens Weidmann, erklärte in einem Beitrag für mehrere europäische Zeitungen, dass ein Grexit für die übrigen Euroländer verkraftbar wäre. Zwar könne ein griechisches Ausscheiden „den Charakter der Währungsunion verändern“, sagte Weidmann den Zeitungen. Dies sei aber auch der Fall, wenn einzelne Länder „nicht ihre Verantwortung übernehmen, um eine stabile Währung zu garantieren“. Die griechische Regierung forderte er auf, sämtliche Vorgaben der Geldgeber unverzüglich zu erfüllen.

Diese Forderungen sind obszön. Trotz der linken Rhetorik, die Tsipras und seine Minister von Zeit zu Zeit bemühen, ist die griechische Regierung der EU bereits extrem weit entgegengekommen. Seit ihrer Wahl im Januar hat die Regierung eine „rote Linie“ nach der anderen überschritten und sich zu immer neuen Kürzungen bereit erklärt. Selbst der Kürzung der Renten hatte Syriza zugestimmt. Außerdem hat die Regierung seit Amtsantritt bereits 13 Milliarden Euro an Schulden und Zinsen zurückgezahlt, die sie aus der Plünderung der Rentenkassen und staatlichen Unternehmen finanzierte.

Auf dem Treffen der Eurogruppe präsentierte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis laut Spiegel Online fünf Seiten neuer Vorschläge für Kürzungen und Strukturreformen, die die griechische Regierung bereit ist durchzusetzen, um die letzte Tranche an Hilfskrediten zu erhalten.

Wenn die Geldgeber dennoch weitere Forderungen stellen und darauf bestehen, dass ohnehin desolate Rentensystem weiter abzubauen, geht es ihnen darum, ein Exempel zu statuieren. Der Kurs der Sozialkürzungen soll um jeden Preis in ganz Europa durchgesetzt werden. Ein möglicher Austritt Griechenlands aus der Währungsunion wird dabei in wachsendem Maße als ein mögliches Werkzeug dieser Politik betrachtet.

Auch wenn sich die Stimmen für einen solchen Grexit mehren, werden auch politische und geostrategische Gefahren angesprochen. Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, äußerte sich im Deutschlandfunk sehr besorgt über einen möglichen Grexit. „Das Herausfallen Griechenlands aus dem EU-Verbund wäre eine Tragödie für unsere Bemühungen, den Südosten Europas weiter und dauerhaft und endgültig zu stabilisieren. Insoweit wäre das schon verhängnisvoll, wenn der Grexit passieren würde, aus außenpolitischer Sicht.“

In dem Interview verweist Ischinger zudem auf die Gefahr, dass sich die griechische Regierung Russland zuwenden und Europa weiter destabilisieren könnte. Tsipras befindet sich derzeitig auf einer Moskaureise und wird am heutigen Freitag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammenkommen, um unter anderem über ein Pipeline-Projekt zu verhandeln. Unmittelbare finanzielle Unterstützung sei kein Thema der Gespräche, hieß es aus dem Kreml.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick warnte vor den wirtschaftlichen Folgen eines Grexit: „An den Finanzmärkten nimmt die Unsicherheit spürbar zu, weil der Zusammenhalt der Eurozone infrage gestellt wird“, sagte er dem Fernsehsender n-tv. „Die Risikoaufschläge von Anleihen Spaniens, Portugals, Italiens aber auch Frankreichs sind gestiegen. Der Grexit stellt die Eurozone prinzipiell in Frage, die Ansteckungsgefahren sind daher unvorhersehbar.“ Die unmittelbaren Belastungen für Deutschland beziffert Schick auf mindestens 70 Milliarden Euro.

Zudem fürchten Teile der herrschenden Elite soziale Aufstände in Griechenland und ganz Europa, sollte der Sparkurs ohne Abstriche fortgesetzt oder Griechenland aus dem Euro getrieben werden. Schon jetzt mehren sich Proteste und Streiks in Griechenland.

Am Dienstag streikten die Krankenwagenfahrer Athens, weil sie seit Monaten keinen Lohn mehr erhalten haben. Am Donnerstag schlossen sich Kollegen aus dem ganzen Land den Protesten an. Hinzu kommt ein Streik des Personals der Gemeindeverwaltungen, die sich gegen die Ausplünderung der kommunalen Kassen zur Wehr setzen.

Die französische Zeitung Le Monde zeigte sich am Donnerstag besorgt, dass die traditionellen Parteien, die konservative Nea Dimokratia und die sozialdemokratische Pasok, ihre Glaubwürdigkeit bereits verspielt hätten. Wenn man sich nun weigere, mit Syriza zu verhandeln, könne man eines Tages mit einer Regierung der faschistischen Chrysi Avgi konfrontiert sein.

Den Vertretern der Eurozone, die an Griechenland ein Exempel statuieren und es nötigenfalls aus der Eurozone drängen wollen, sind diese Zusammenhänge und Szenarien durchaus bewusst. Sie nehmen sie in Kauf, um die Interessen der europäischen Finanzelite durchzusetzen.

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