Syriza stimmt Spardiktat der EU zu

Am Dienstag wurden weitere Details des Angebots der griechischen Regierung an die internationalen Geldgeber bekannt. Die umfassenden Kürzungsmaßnahmen gehen weiter als alle bisherigen Pläne. Sie werden unweigerlich zu heftigen sozialen Unruhen führen.

Die Regierung der Koalition der Radikalen Linken (Syriza) hatte den Regierungschefs der Eurogruppe am Montagabend eine Liste mit Kürzungsvorschlägen unterbreitet, um die Auszahlung der letzten Tranche an Hilfskrediten über 7,2 Milliarden Euro sicherzustellen. Ohne die Kreditzahlung droht dem hoch verschuldeten Land der Staatsbankrott.

Die Vorschläge bedeuten nichts Geringeres als die Kapitulation Syrizas vor der EU. Die griechische Regierung hat sämtliche „rote Linien“ überschritten, die sie bei Regierungsantritt formuliert hatte, und ein umfassendes Sparprogramm vorgelegt, das die ohnehin schon katastrophale soziale Lage in Griechenland weiter verschlechtern wird.

Deshalb reagierten Vertreter der Euroländer im Wesentlichen positiv auf die Pläne. Selbst der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, der noch am Montagmittag erklärt hatte, dass er keine „substantiellen Vorschläge“ gesehen habe, bezeichnete die griechischen Pläne am Dienstag als Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen.

Insgesamt umfassen die vorgeschlagenen Kürzungen 7,9 Milliarden Euro in einem Zeitraum von 18 Monaten. Allein 2,5 Milliarden sollen bei den Renten gekürzt werden. Um das zu erreichen, setzt die griechische Regierung auf die Einschränkung der Frühverrentung, eine Erhöhung der Abgaben und die Kürzung von Zusatzrenten.

Bis zu 1,8 Milliarden Euro sollen durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Güter des Grundbedarfs eingenommen werden. Strittig ist noch, ob dabei die Steuer auf Lebensmittel generell auf 23 Prozent steigen soll oder ob es Ausnahmen geben wird, die nur zu 13 Prozent besteuert werden.

Sogar die auf Geheiß der EU eingeführte Immobiliensteuer, die in Griechenland auch viele arme Menschen trifft, soll beibehalten werden, obwohl deren Abschaffung zu den zentralen Wahlkampfversprechen Syrizas zählte.

Alle diese Maßnahmen treffen vor allem arme Bevölkerungsschichten. Steuererhöhungen für Reiche und Unternehmen sollen hingegen nur zwei der acht Milliarden Euro Einsparungen erbringen. Gleichzeitig schont Syriza das Militär. Der vier Milliarden Euro schwere Militäretat soll nur um 200 Millionen Euro gesenkt werden. Selbst die konservativen Vorgänger hatten hier mehr gestrichen.

Gerade die Kürzung der Renten wird die soziale Lage der Ärmsten der Armen enorm verschlechtern. In Griechenland existiert keine Sozialhilfe und das spärliche Arbeitslosengeld wird höchstens ein Jahr lang gewährt. Angesichts einer offiziellen Arbeitslosigkeit von über 25 Prozent und einem Mindestlohn von weniger als 700 Euro sind von einer einzigen Rente oft etliche Personen abhängig.

Die Kürzungen gehen weit über das hinaus, was EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) ursprünglich von der Vorgängerregierung gefordert hatten. Im Dezember letzten Jahres hatte die Troika aus IWF, Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission Steuererhöhungen und Rentenkürzungen von 2,5 Milliarden Euro gefordert, um die letzte Tranche der eigentlich bis Ende 2014 laufenden Hilfskredite auszuzahlen.

Samaras sah sich nicht in der Lage, diese neuen Kürzungen nach Jahren der Austerität und sozialen Verelendung gegen die Opposition der Bevölkerung durchzusetzen. Stattdessen forcierte er über die gescheiterte Präsidentenwahl Neuwahlen. Als am 25. Januar Syriza auf der Grundlage eines Anti-Kürzungs-Wahlkampfs in die Regierung gewählt wurde, weigerte sich die EU zunächst, die letzte Tranche auszuzahlen.

Erst als sich Syriza im Februar verpflichtete, sämtliche Vereinbarungen mit den Geldgebern einzuhalten, begaben sich EU und IWF zurück an den Verhandlungstisch. Sie verlängerten die Frist für die Auszahlung der letzten Tranche auf den 30. Juni und forderten Syriza auf, Vorschläge für neue Kürzungen auszuarbeiten.

Die Sparforderungen der Geldgeber haben sich in dieser Zeit vervielfacht. Zur gleichen Zeit hat Griechenland in den letzten sechs Monaten fällige Kredite in Höhe von über zehn Milliarden Euro beglichen, für deren Tilgung die 7,2 Milliarden Euro eigentlich vorgesehen waren. Die Syriza-Regierung hat dazu die Rentenkassen und Einlagen staatlicher Unternehmen geplündert und sich so weiter in die Abhängigkeit von der EU begeben.

Der Vorschlag Syrizas für derart umfassende Kürzungen zeigt den völligen Bankrott ihrer Perspektive. Die Partei hatte gehofft, in Verhandlungen mit der EU einige Zugeständnisse erreichen zu können. Die EU-Institutionen und die kapitalistischen Ordnung haben sie dabei immer akzeptiert und sich geweigert, die europäische Arbeiterklasse gegen das Spardiktat zu mobilisieren. Auf dieser Grundlage ist Syriza binnen Monaten zu einem Werkzeug geworden, die Sozialangriffe in doppelter Intensität umzusetzen.

Dabei ist noch nicht klar, ob es schließlich zu einer Einigung kommen wird. Am heutigen Mittwoch treffen sich erneut die Finanzminister der Eurozone, um über die Vorschläge zu beraten. Bis dahin arbeiten technische Teams die Details aus. Am Donnerstag treffen sich dann die Staats- und Regierungschefs der Eurogruppe zu einem weiteren Gipfel, auf dem eine Entscheidung fallen könnte.

Die Aggressivität, mit der EU-Vertreter und insbesondere die deutsche Regierung den Sparkurs in Griechenland durchsetzen, erklärt sich nicht einfach aus der griechischen Situation heraus. An Griechenland soll vielmehr ein Exempel statuiert werden, um die sozialen Rechte der Arbeiter auf dem ganzen Kontinent anzugreifen.

Es war kein Zufall, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nur Stunden vor den Verhandlungen vom Montag zusammen mit den Vorsitzenden aller wichtigen EU-Institutionen ein gemeinsames Papier vorstellte, das die Ausweitung des Spardiktats auf ganz Europa beinhaltet.

Eine der zentralen Forderungen des Papiers ist die Umwandlung des Euro-Plus-Pakts in EU-Recht. Der Pakt wurde 2011 beschlossen und verpflichtet sämtliche Euro-Länder auf die Erhöhung des Renteneintrittalters und die Festsetzung einer Schuldenbremse nach deutschem Vorbild. Sollte der Pakt EU-Recht werden, könnten die Institutionen tendenziell die Wirtschaftspolitik aller Mitgliedsstaaten bestimmen, wie es gerade in Griechenland geschieht.

Daraus ergibt sich der Modellcharakter des Vorgehens in Griechenland. Die EU-Eliten sind sich darüber bewusst, dass derartige Angriffe zu heftigen sozialen Verwerfungen führen werden und mit demokratischen Mitteln nicht durchzusetzen sind. Samaras ist wegen dieses Kurses erst vor fünf Monaten abgewählt worden.

Bemerkenswert ist daher, dass das griechische Militär seit letztem Monat mehrere gemeinsame Manöver mit den ägyptischen Streitkräften durchgeführt hat. Offiziell galten die Übungen dem „Kampf gegen Terrorismus“ in der Region.

Doch die ägyptische Junta von Diktator Abdel-Fattah al-Sisi kämpft unter diesem Slogan in erster Linie gegen den Widerstand in der eigenen Bevölkerung. Seit Sisi vor zwei Jahren den gewählten Präsidenten Mohammed Mursi stürzte und sein Militärregime errichtete, hat er tausende Oppositionelle ermorden und zehntausende einsperren lassen. In Griechenland selbst ist die von der Nato unterstützte Obristendiktatur erst vor vier Jahrzehnten beendet worden.

Loading