Amerikanische Grüne bereiten sich auf US-Wahlkampf vor

Dr. Jill Stein, die 2012 als Präsidentschaftskandidatin für die amerikanischen Grünen angetreten war, gab in der Radiosendung „Democracy Now“ bekannt, sie werde sich um die Nominierung als Präsidentschaftskandidatin ihrer Partei bemühen. Einen Tag später verkündete sie ihre Entscheidung offiziell im National Press Club in Washington.

Stein ist keine Sozialistin; sie erwähnte die Worte „Sozialist“ und „sozialistisch“ weder in dem Interview noch in der Rede, und auch nicht in ihrem Wahlkampfmaterial. Sie tritt als kapitalistische Kandidatin an, um den amerikanischen Kapitalismus zu reformieren. Sie bedient sich der traditionellen Sprache des amerikanischen Populismus und stellt die Wall Street dem „kleinen Mann auf der Straße“ gegenüber.

Das bemerkenswerteste an Steins Wahlkampf ist wohl seine Engstirnigkeit. Die Welt außerhalb der Grenzen der USA scheint gar nicht zu existieren. In dem Interview, der Rede und dem Wahlprogramm werden weder Syrien noch der Irak, Libyen, Afghanistan oder die Ukraine erwähnt. China, Russland, Europa und Afrika sind nicht erwähnenswert. Ein paar Mal werden Einwanderer erwähnt, aber weder die Länder, aus denen sie kommen, noch die Gründe, warum sie Zuflucht in den USA suchen.

Sie äußert sich nicht über die Kriege und militärischen Provokationen des US-Imperialismus in den letzten fünfundzwanzig Jahren an den Randgebieten der ehemaligen Sowjetunion, von den baltischen Staaten bis nach Afghanistan. Wenn Stein die Militärausgaben überhaupt anspricht - sie schlägt eine Senkung um 50 Prozent vor - so betrachtet sie sie als eine Frage des Etats und nicht von dem Standpunkt, dass die Kriege, die das Pentagon führt, vom Wesen her reaktionär und kriminell sind. Bezeichnenderweise verurteilt sie den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu als Kriegsverbrecher, nicht aber Barack Obama oder George W. Bush, obwohl diese viel mehr Blut an den Händen haben.

Dass sich Stein ausschließlich auf innenpolitische Themen der USA konzentriert, hat für sie den praktischen politischen Vorteil, dass sie sich diplomatisch über die reaktionäre Vergangenheit anderer grüner Führungspersönlichkeiten ausschweigen kann, die sich auf der ganzen Welt an kapitalistischen Regierungen beteiligt haben. Von Deutschland bis nach Australien haben Grüne Parteien Austeritätspolitik, den Abbau von Arbeitsplätzen und Kürzungen der Sozialausgaben durchgesetzt - d.h. das genaue Gegenteil der Politik, für die Stein angeblich eintritt.

Die bisherigen außenpolitischen Leistungen der Grünen sind sogar noch schlimmer. In Deutschland ermöglichten die Grünen die Rückkehr des deutschen Imperialismus, indem sie die Stationierung von deutschen Soldaten auf dem Balkan und in Afghanistan forcierten. Grüne Politiker unterstützen imperialistische Interventionen im Irak und Syrien, die amerikanische „Konzentration auf Asien“ gegen China, die Vorbereitungen der Nato auf einen militärischen Konflikt mit Russland um die Ukraine und die Ausbeutung der griechischen Arbeiterklasse durch die Diktate des IWF und der Europäischen Union.

Grundlegender betrachtet ist Steins Schweigen über alle außenpolitischen Fragen ein Signal an die herrschende Klasse Amerikas. Die amerikanischen Grünen werden nichts tun, was die globalen Interessen des amerikanischen Imperialismus gefährdet. Genau wie ihre Schwesterparteien auf der ganzen Welt versuchen die Grünen, an die Schalthebel der Macht zu kommen, indem sie sich den wahren Lenkern der amerikanischen Politik anbiedern - der Wall Street und dem Militär- und Geheimdienstapparat.

Viele der Punkte in Steins innenpolitischem Programm könnten ihr die Unterstützung amerikanischer Arbeiter und Jugendlicher einbringen. Sie fordert „garantierte wirtschaftliche Menschenrechte, darunter das Recht auf Nahrung, Wasser, Unterkunft, Strom und Heizung,“ sowie „wirtschaftliche Rechte für alle - das Recht auf einen Arbeitsplatz, das Recht auf vollständige medizinische Versorgung durch eine allgemeine Krankenversicherung... das Recht auf qualitativ hochwertige Bildung von der Vorschule bis zum Studium, das bedeutet auch kostenlose öffentliche Hochschulbildung und die Abschaffung von Studentenschulden.“

Aber wie ein schickes Auto, das leider keinen Motor hat, kann Stein nicht erklären, wie die Einführung dieser sozialen Rechte wirtschaftlich realisiert werden soll. Die Grünen behaupten, dieses Programm ließe sich im Rahmen des Kapitalismus durchsetzen, ohne die kapitalistische herrschende Elite aufzuschrecken oder ihr auch nur größere Unannehmlichkeiten zu bereiten.

Auch die Socialist Equality Party fordert die Verwirklichung grundlegender sozialer Rechte: auf einen Arbeitsplatz, auf ausreichenden Lohn, auf Bildung, Unterkunft und eine sichere Rente. Aber sie macht deutlich, dass diese für ein angemessenes Leben in einer modernen Gesellschaft wichtigen Rechte unvereinbar sind mit kapitalistischen Eigentumsverhältnissen. Die Durchsetzung dieser Rechte erfordert die Enteignung der Reichtümer der Finanzaristokratie, die Verstaatlichung der Großkonzerne und Banken und die Umgestaltung der Wirtschaft unter demokratischer Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung.

Für die Grünen sind diese sozialen Rechte jedoch nur utopische Versprechen an die Arbeiter, die sich angeblich erfüllen lassen, ohne dass dafür das Profitsystem gestürzt werden oder überhaupt ernsthaft dafür gekämpft werden müsste. Für grüne Kandidaten zu stimmen reicht angeblich völlig aus.

Stein erklärt: „Unser Power to the People-Plan [Macht für das Volk] erläutert diese Lösungen, wie sich unsere Wirtschaft von einem gierigen, ausbeuterischen System des Konzernkapitalismus in ein menschenbasiertes System umgestalten lässt, in dem die Menschen, der Planet und der Frieden wichtiger sind als der Profit.“ Aber wenn man die Details betrachtet, besteht der „Bauplan“ aus nichts radikalerem als der Aufspaltung der größten Banken und Unterstützung für die Entwicklung von Genossenschaften und Kleinunternehmen und von Maßnahmen, die darauf abzielen, dass „die Wall Street, die Großkonzerne und die Reichen ihren gerechten Anteil an den Steuern zahlen.“

Die Umverteilung des Reichtums wird nicht erwähnt. Diese Forderung gehörte zu Zeiten des New Deal und der Great Society selbst bei liberalen demokratischen Kandidaten zum Standardrepertoire, mittlerweile ist sie in der offiziellen kapitalistischen Politik, an der sich auch die Grünen beteiligen, allerdings tabu. Das sagt einiges über die Klassengrundlagen der Grünen. Sie wurden von Teilen des wohlhabenden Kleinbürgertums gegründet, die in komfortablen Verhältnissen lebten und einen gewissen privaten Wohlstand besaßen. Die Grünen sind größtenteils von Fragen der Umweltpolitik und der Lebensart inspiriert, nicht aber vom verzweifelten Kampf um das wirtschaftliche Überleben, den die große Mehrheit der Familien der Arbeiterklasse führen muss.

Ein Großteil von Steins Interview mit Amy Goodman drehte sich um ihre Einstellung zu „linken“ demokratischen Kandidaten wie Senator Bernie Sanders aus Vermont, der im Vorwahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei gegen Spitzenkandidatin Hillary Clinton antritt.

Sanders bezeichnet sich zwar gelegentlich irreführenderweise als „Sozialisten“, in Wirklichkeit ist er jedoch nichts Weiteres als ein liberaler Demokrat. Er stellt konventionelle Forderungen nach bescheidenen Einschränkungen der Macht der größten Banken und Konzerne, unterstützt jedoch die weltweiten Militäroperationen des amerikanischen Imperialismus und seiner Klientelstaaten wie Israel.

Stein begrüßte Sanders' anfängliche Unterstützung für sie und erklärte: „Es ist wunderbar, und ich wünsche ihm alles Gute. Ich wünsche ihm das Beste.“ Einer direkten Frage, ob sie Sanders unterstützen würde, wenn er als unabhängiger Präsidentschaftskandidat antreten würde, wich sie aus und erklärte stattdessen: „Wenn wir beide als Grüne angetreten wären, wissen Sie, dann wären wir vielleicht in der Vorwahl gegeneinander angetreten, und das wäre wunderbar gewesen.“

Sie fuhr fort: „Ich wünschte, er wäre außerhalb der Demokratischen Partei angetreten. Es gibt natürlich viele Gemeinsamkeiten zwischen seiner und meiner Vision....“ Sie fügte hinzu: „Wir haben in der Demokratischen Partei wunderbares Engagement gesehen - von Jesse Jackson, Dennis Kucinich, Al Sharpton - die alle äußerst leidenschaftliche, beherzte und visionäre Kampagnen geführt haben.“

Stein erklärte, das Problem an diesen Wahlkämpfen sei gewesen, dass es „sehr schwer [ist], das System der Demokratischen Partei von innen heraus zu besiegen. Und wissen Sie, als diese Wahlkämpfe zu Ende gingen, das war’s dann. Unsere wird andauern, und sie wird bis zur Wahl andauern. Und wenn die Wahl vorbei ist, werden wir eine Partei aufbauen, die nicht wieder verschwindet.“

Das bemerkenswerteste hieran ist, dass Stein hinsichtlich ihres politischen Programms keinen Unterschied zwischen sich oder den Grünen und Sanders, Jackson, Kucinich oder Sharpton macht. Sie sind bürgerliche Politiker, die den Kapitalismus und den amerikanischen Imperialismus verteidigen, wie Stein es auch tut. Der große Unterschied ist der, dass sie es im Rahmen der Demokratischen Partei tun, einer der beiden traditionellen Parteien des bürgerlichen Herrschaftssytems in Amerika, während Stein versucht, außerhalb des Zweiparteiensystems eine neue politische Stütze der bürgerlichen Herrschaft aufzubauen.

Als Goodman Stein dazu drängte, zu beschreiben, wie sich ihre Politik von derjenigen von Sanders unterscheidet, gab sie zuerst mit schlechtem Gewissen zu, dass kaum Unterschiede bestünden, danach versuchte sie, sich zu korrigieren.

„Wissen Sie, zwischen mir und Bernie Sanders gibt es sicherlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Ich glaube, wenn man nach Unterschieden suchen müsste, würde man sie in außenpolitischen Fragen finden, wo mein Wahlkampf vielleicht kritischer ist - ich würde sagen, definitiv kritischer - was die Unterstützung der Regierung Netanjahu angeht, die eindeutig aus Kriegsverbrechern besteht.“

Sie fuhr fort: „Diese Unterschiede sind, naja, klein, groß. Ich meine, im außenpolitischen Bereich sind sie groß. Es ist eher ein Thema von vielen, aber dabei geht es um die Mehrheit unserer verfügbaren Ausgaben, und sie ist wirklich untrennbar mit allen anderen kritischen Fragen verbunden, die wir zu lösen versuchen.“

Stein beschrieb in ihrem Interview mit Goodman die grundlegende Perspektive kleinbürgerlich „radikaler“ Politik in den USA: sie geht davon aus, dass öffentliche Proteste und Druck von ethnischen Minderheiten, Homosexuellen, Frauen, Gewerkschaftern und anderen Gruppen genügen, um die Demokraten - oder sogar die Republikaner - zur Durchsetzung bedeutender Reformen zu zwingen.

Weiter erklärte sie: „Es ist wichtig, dass wir uns vor Augen führen, was wir unter Richard Nixon erreicht haben, unter dem allerübelsten Republikaner. Wir haben bei Frauenrechten und der Kriegsfrage erstaunliches erreicht, die Umweltschutzbehörde gegründet und das Gesetz für saubere Luft verabschiedet. Wir haben das alles ereicht, weil wir mobilisiert haben und politischen Aktivismus zu einer Lebensart gemacht haben. So muss es wieder werden.”

Stein enthüllte auch, wie der Wahlerfolg von Syriza in Griechenland, einer Koalition aus stalinistischen und pseudolinken Gruppen, der auch die griechischen Grünen angehören, die Forderungen der amerikanischen Grünen beeinflusst haben. „Wir nehmen nicht an, dass die Chancen momentan gut für uns stehen, aber sie entwickeln sich“, erklärte sie Goodman. „Versuchen wir es! Finden wir es heraus! Wer hätte gedacht, dass Syriza in fünf Jahren von drei Prozent auf 70 Prozent der Stimmen kommt? Wir müssen anfangen.”

Weder Stein noch Goodman gingen darauf ein, dass Syriza ihre Wähler brutal verraten hat. Sie hat vor dem Spardiktat der Europäischen Union und des IWF kapituliert und setzt eine Kürzung nach der anderen gegen den Widerstand der griechischen Arbeiter, Jugendlichen und Rentner durch.

Gleich nach dieser Erwähnung von Syriza erklärte Stein: „Irgendwann wird sich das Blatt wenden, vielleicht nachdem 100 [Hurrikan] Katrinas über unsere Küsten hinweggefegt sind, oder irgendetwas in dieser Richtung.“

Was für eine Perspektive! Vielleicht werden 100 Hurrikans - die 100 amerikanische Städte zerstören, zehntausende Todesopfer fordern und Millionen zu Flüchtlingen machen - die amerikanische Bevölkerung endlich aus ihrer politischen Lethargie reißen. Hier zeigt sich in unverhüllter Form der reaktionäre Pessimismus der bessergestellten Kleinbürger, die enttäuscht sind, dass ihr jahrzehntelanges Engagement in der Protestpolitik zu nichts geführt hat. Ihm liegt die Prämisse zugrunde, dass die Arbeiter schuld sind und noch nicht genug gelitten haben.

Es steht außer Frage, dass die Grünen mit fundamentaler Ablehnung reagieren werden, wenn in den USA eine Massenbewegung gegen den Kapitalismus entsteht, deren Wurzeln in der Arbeiterklasse liegen. Sie werden den linken Flügel der Demokratischen Partei unterstützen oder, wenn das nicht funktioniert, versuchen, die Arbeiter in eine neue politische Falle zu locken, wie Syriza in Griechenland.

Der Kampf für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von allen Formen kapitalistischer Politik erfordert die kompromisslose Entlarvung der politischen Vertreter des wohlhabenden Kleinbürgertums, zu denen auch die Grünen gehören.

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